Bei Tierquälereien erhebliche Defizite in der Strafverfolgung

Im Jahr 2015 konnte bezüglich der Zahl der durchgeführten Tierschutzstrafverfahren ein neuer Höchstwert verzeichnet und der Strafvollzug damit noch einmal verbessert werden.

Dies zeigt die aktuelle Jahresanalyse von Tier im Recht (TIR). Allerdings sind noch immer grosse kantonale Unterschiede und eine deutliche Ungleichbehandlung der verschiedenen Tierarten festzustellen.



Ein spezieller Fokus wird in der diesjährigen Untersuchung auf die Missachtung elementarer strafrechtlicher Grundsätze durch die Strafbehörden im Tierschutzstrafvollzug gelegt. TIR fordert mehr Sorgfalt und Konsequenz bei der Verfolgung und Beurteilung von Tierschutzdelikten sowie griffige Vollzugsstrukturen in allen Kantonen.

Mit 1998 Tierschutzstrafverfahren im Jahr 2015 hat sich deren Anzahl in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdreifacht und in den vergangenen 15 Jahren mehr als verfünffacht. Nach Ansicht von TIR ist diese Entwicklung positiv zu bewerten, da die Fallzahlen das Ergebnis eines konsequenteren Vollzugs des strafrechtlichen Tierschutzes darstellen dürften.

Besonders viele Verfahren liegen aus dem Kanton St. Gallen vor. Mit 232 Verfahren belegt er nicht nur in absoluter Hinsicht einen der Spitzenplätze, sondern liegt mit 4.65 Verfahren pro 10’000 Einwohner auch proportional zur Bevölkerung weit über dem schweizweiten Durchschnittswert von 2.76. Zum ersten Mal mehr als 400 Verfahren sind im Kanton Zürich zu verzeichnen, wobei Zürich hinsichtlich der Fallzahlen der vergangenen drei Jahre auch im Verhältnis zu der Zahl gehaltener Hunde, Rinder, Pferde, Schweine und Hühner Spitzenwerte vorweist.

Dies dürfte auf die hier speziell für den Tierschutzstrafvollzug geschaffenen Strukturen zurückzuführen sein: In Zürich verfügt die Polizei über eine Spezialabteilung Tier-/Umweltschutz und kann das kantonale Veterinäramt als Partei auf Tierschutzstrafverfahren Einfluss nehmen. In St. Gallen ist ein spezialisierter Staatsanwalt für die Verfolgung von Tierschutzverstössen zuständig.

Gemessen an der Bevölkerungszahl stammen die wenigsten Fälle aus den Kantonen Genf (3 Fälle; 0.06 Verfahren pro 10’000 Einwohner), Wallis (21 Fälle; 0.63 Verfahren pro 10’000 Einwohner) und Basel-Landschaft (28 Fälle; 0.99 Verfahren pro 10’000 Einwohner). Einen grossen Rückgang der Fallzahlen verzeichnet zudem der Kanton Schaffhausen, der 2015 mit 9 Fällen nur noch 1.13 Verfahren pro 10’000 Einwohner vorweist.

Wie schon in den Vorjahren waren auch 2015 wieder Hunde am häufigsten von Tierschutzstrafverfahren betroffen (1156 Fälle). In den Jahren 2013 bis 2015 lag die Anzahl der Hundefälle gemessen an der Zahl gehaltener Tiere fast zehnmal höher als bei den Rindern und 37-mal höher als bei den Schweinen.

Bei den Hundefällen handelt es sich im Berichtsjahr allerdings in 13.4 % um Fälle, in denen Hunde mangelhaft beaufsichtigt wurden und nicht Opfer eines Tierschutzdelikts waren. Beinahe die Hälfte der Verfahren betraf ausserdem lediglich das Nichterbringen des Sachkundenachweises. Auch in diesen Fällen waren damit keine Hunde direkt in ihrem Wohlergehen beeinträchtigt.

Hinsichtlich der für Übertretungen gegen das Tierschutzgesetz ausgesprochenen Sanktionen weisen die Kantone Aargau und Thurgau mit einem mittleren Wert von 400 Franken die höchsten Bussen aus. Landesweit belaufen sich die Bussen seit 2011 im Mittel auf 300 Franken. Zu bedingten Geldstrafen kam es 2015 bei reinen Tierschutzdelikten 176 Mal, wobei der Mittelwert bei 30 Tagessätzen lag; unbedingte Geldstrafen wurden nur sechs ausgesprochen, Freiheitsstrafen keine. Angesichts des gesetzlich vorgesehen Strafrahmens und des mit den betreffenden Handlungen oftmals einhergehenden Tierleids sind diese für Tierschutzwidrigkeiten verhängten Strafen noch immer unverhältnismässig tief.

Speziell aufgezeigt wird im diesjährigen Gutachten auch die Missachtung elementarer strafrechtlicher Grundsätze durch die Strafbehörden bei der Beurteilung von Tierschutzverstössen. So beispielsweise werden Vergehen gemäss Art. 26 TSchG fälschlicherweise regelmässig nur mit Bussen geahndet.

Weiter kommt es immer wieder vor, dass Strafverfolgungsbehörden in Fällen, in denen die Beschuldigten ihre tierschutzrechtlichen Pflichten nicht kannten, entgegen der juristischen Strafrechtslehre lediglich von einer fahrlässigen Tatbegehung ausgehen. Auch in anderen Fällen tun sich die Behörden mit der Trennung von Vorsatz und Fahrlässigkeit schwer.

So wurde ein Beschuldigter in einem Entscheid aus dem Kanton Bern lediglich aufgrund eines fahrlässigen Vergehens bestraft, nachdem er seinen Hund bei einer Temperatur von 33 Grad über mehrere Stunden in einer Transportbox in seinem Auto untergebracht hatte, sodass das Tier schliesslich qualvoll verendete.

Da allgemein bekannt ist, dass die Temperatur im Innern eines an der Sonne geparkten Fahrzeugs innerhalb kürzester Zeit erheblich ansteigt, ist in solchen Fällen nach Ansicht von TIR zumindest von einer eventualvorsätzlichen Begehung auszugehen.

Teilweise setzen sich die Strafbehörden auch schlicht über gesetzliche Bestimmungen hinweg und ignorieren klare Vorgaben der Tierschutzverordnung mit der Begründung, dass die Beeinträchtigung nicht erheblich sei oder dass die betreffende – gesetzeswidrige – Haltungsform der Praxis entspreche. Auch die Abgrenzung zwischen Tierquälereien und übrigen Widerhandlungen bereitet den Strafbehörden oftmals Mühe, wobei Delikte immer wieder derart bagatellisiert werden, dass es einer Missachtung der Gesetzesbestimmungen gleichkommt.

So beispielsweise wurde das Verhalten einer Beschuldigten lediglich als Übertretung eingestuft, nachdem sie ihren kranken Hund derart lange nicht gepflegt hatte, dass das Tier nicht mehr aufstehen konnte und mehrere grosse Wunden an den Hüftgelenken und Schulterblättern aufwies.

Zusammenfassend besteht im Tierschutzstrafvollzug vielerorts noch erhebliches Verbesserungspotenzial.

Es ist inakzeptabel, dass verbindliche Gesetzesbestimmungen ignoriert und Tierschutzverstösse nicht verfolgt oder mit viel zu milden Strafen geahndet werden. In einem Forderungskatalog hat die TIR die wichtigsten Postulate für eine wirksame Tierschutzstrafpraxis aufgelistet. Die vollständige Analyse der Tierschutzstrafpraxis 2015 und weitere Unterlagen finden Sie hier.

 

Artikel von: Stiftung für das Tier im Recht
Artikelbild: Thawornnurak – shutterstock.com

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