Bern: Zweiter Nationaler Aktionsplan gegen Menschenhandel veröffentlicht
fedpol veröffentlicht heute den zweiten Nationalen Aktionsplan zur Bekämpfung von Menschenhandel. Der neue Aktionsplan legt die strategischen Schwerpunkte für die Jahre 2017–2020 fest und schlägt 28 konkrete und gezielte Massnahmen zur Bekämpfung dieses menschenverachtenden Verbrechens vor.
Ziel des Aktionsplans ist es, die Öffentlichkeit und die Fachleute für die Problematik zu sensibilisieren, die Strafverfolgung zu verstärken, die Opferidentifizierung zu verbessern und die Zusammenarbeit der Schweiz mit dem Ausland zu intensivieren.
Der zweite Nationale Aktionsplan der an der Bekämpfung von Menschenhandel beteiligten Behörden und Organisationen legt den Schwerpunkt insbesondere auf die Sensibilisierung und Ausbildung der Mitarbeitenden der Polizei, der Staatsanwaltschaften, der Nichtregierungsorganisationen und der kantonalen Migrationsbehörden. Neben der Ausbildung und Sensibilisierung werden Leitlinien für eine Harmonisierung der kantonalen Praktiken festgelegt. Mit diesen Massnahmen werden zwei Ziele verfolgt: Die richtigen Mittel finden, um Opfer zu identifizieren und unterstützen sowie die Strafverfolgung der Täter zu verstärken.
Ein weiterer Schwerpunkt sind Massnahmen zur Sensibilisierung der Fachleute, insbesondere jener, die im Gesundheitswesen tätig sind. Aufgrund ihrer besonderen beruflichen Stellung können sie nämlich zur Identifizierung von Opfern sexueller Ausbeutung oder von Ausbeutung der Arbeitskraft beitragen.
Opfer von Menschenhandel unter Asylbewerbern erkennen
Menschen auf der Flucht vor Krieg in ihrem Heimatland sind auf dem Weg nach Europa verschiedenen Gefahren ausgesetzt. In ihrer Not sind sie besonders verletzlich und können so Opfer von Menschenhandel werden. Schlepper nutzen die Notlage dieser Menschen schamlos aus, sowohl entlang der Migrationsrouten als auch in der Umgebung von Registrierungszentren und Asylunterkünften. Um die Opfer von Menschenhandel unter den Asylsuchenden besser identifizieren zu können, hatte eine Arbeitsgruppe im Rahmen des ersten Aktionsplans 2012-2014 damit begonnen, sich mit dieser Problematik zu befassen. Die Arbeit wird im Rahmen des zweiten Aktionsplans fortgesetzt, insbesondere was die Optimierung der Prozesse zur Opferidentifizierung und die Gewährleistung der Opferhilfe im Asylverfahren anbelangt.
Ausbeutung als Arbeitskraft
In der Schweiz begegnet man dem Menschenhandel vor allem in Verbindung mit Prostitution; weniger bekannt ist aber die Tatsache, dass in der Schweiz auch Personen als Arbeitskraft ausgebeutet werden. Eine kürzlich im Auftrag von fedpol durchgeführte Studie[1] zeigt: Die Bandbreite der Schwere dieser Art von Ausbeutung reicht von der einfachen Nichteinhaltung branchenüblicher Löhne über Freiheitsberaubung am Arbeitsplatz bis hin zum Einzug von Identitätsdokumenten und zu Drohungen gegenüber den Arbeitnehmenden oder deren Angehörigen. Der Aktionsplan will einerseits die Wirtschaftssektoren und die Arbeitsinspektorate sensibilisieren. Andererseits soll ein Leitfader erarbeitet werden, der helfen soll, Situationen zu identifizieren, in denen Menschen als Arbeitskraft ausgebeutet werden. Ausserdem soll die polizeiliche Kriminalstatistik angepasst werden, damit Fälle von Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft von jenen der sexuellen Ausbeutung unterschieden werden können.
Mit Aktionen am europäischen Tag gegen den Menschenhandel (18. Oktober) soll die Öffentlichkeit jeweils für diese besondere Form von Menschenhandel sensibilisiert werden.
Verstärkte Zusammenarbeit in der Schweiz und mit dem Ausland
Für die Strafverfolgung von Menschenhandel sind die Kantone zuständig; fedpol unterstützt sie dabei, indem die Ermittlungen koordiniert, eine gemeinsame Strategie ausgearbeitet und die verschiedenen Akteure in der Schweiz miteinander vernetzt werden. Zu diesen Akteuren gehören etwa das Staatssekretariat für Migration (SEM), kantonale Migrationsbehörden, das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO), das Grenzwachtkorps (GWK), die kantonalen Polizeikorps und Justizbehörden und auch Nichtregierungsorganisationen.
fedpol engagiert sich auch international und sorgt als zentrale Anlaufstelle für den Austausch des kriminalpolizeilichen Schriftverkehrs mit Interpol und Europol. fedpol arbeitet ausserdem in der Interpol-Expertengruppe für die Bekämpfung von Menschenhandel mit. Diese Interpol-Expertengruppe unterstützt weltweit zahlreiche Projekte, die das Ziel verfolgen, die kriminellen Organisationen in den Herkunfts- und Transitländern effizienter zu bekämpfen. fedpol beteiligt sich auch an den operativen Aktionentagen von Europol und koordiniert diese auf nationaler Ebene. An diesen operativen Aktionstagen führen zahlreiche Sicherheitskräfte in der ganzen Europäischen Union (EU) gleichzeitig Operationen durch, mit dem Ziel, vor Ort potenzielle Opfer und kriminelle Organisationen besser identifizieren zu können.
Und schliesslich koordiniert fedpol im Rahmen des Schweizer Beitrages an die erweiterte EU Projekte mit Rumänien und Bulgarien. Ziel dieser Projekte ist es, Fälle von Menschenhandel an ihrem Entstehungsort und gemeinsam mit den lokalen Behörden leichter aufdecken zu können und die Ermittlungen gegen dieses Verbrechen zu vereinfachen.
[1] PROBST, Johanna, EFIONAYI-MAEDER, Denise: Arbeitsausbeutung im Kontext von Menschenhandel – Eine Standortbestimmung für die Schweiz, Universität Neuenburg,Institut SFM, Mars 2016.
Quelle: Bundesamt für Polizei
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