Im Gefängnis Perspektiven entwickeln - Bildung im Strafvollzug
„Wir verstehen uns“ heisst ein neues Lehrmittel für die Basisbildung im Strafvollzug. Es soll unter anderem zu einem reibungslosen Gefängnisalltag beitragen – einfach weil man sich versteht, also besser Deutsch spricht. Das hilft auch dabei, sinnvolle Perspektiven für die Zeit nach der Entlassung zu erarbeiten.
Diesen Ansatz verfolgt die Fachstelle Bildung im Strafvollzug des SAH Zentralschweiz mit ihrem Lehrmittel für Strafgefangene in der Schweiz.
Seit 10 Jahren ist die Fachstelle Bildung im Strafvollzug BiSt des SAH Zentralschweiz im Auftrag der Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) für die Bildung im Strafvollzug zuständig. Insgesamt weit über 6000 Insassinnen und Insassen in mittlerweile 27 Justizvollzugsanstalten haben seit 2007 von diesem Angebot profitiert. Fakt ist aber, dass rund ein Viertel dieser Personen über keine oder sehr geringe Deutschkenntnisse verfügt. Im streng reglementierten Anstaltsalltag laufen diese Menschen Gefahr, nicht zu verstehen, welchen Pflichten und Aufgaben sie nachkommen müssen. Oder sie werden missverstanden, wenn sie dem Vollzugspersonal etwas erklären wollen. Beides sind Szenarien mit unerwünschten Konsequenzen. Auf der Basis einer Bedürfnisabklärung ist daher das neue Lehrmittel „Wir verstehen uns“ entstanden: Es will die Kommunikation zwischen den Mitarbeitenden der Justizvollzugsanstalt und den Gefangenen erleichtern. Anhand relevanter Themen aus dem Gefängnisalltag werden die Strafgefangenen dabei unterstützt, ihren Alltag besser zu meistern.
Zur Rückfallprävention beitragen
Mit dem Lehren einer Sprache werden immer auch Werte und Normen vermittelt. Die Insassen lernen folglich nicht einfach nur Deutsch, sondern erweitern gleichzeitig ihre Sozialkompetenzen. So lernen sie beispielsweise im Thema „sich vorstellen“, wie man sich korrekt begrüsst und präsentiert – je nachdem, wer einem gegenübersteht. Weitere Themen sind unter anderen „die Zelle“ – hier werden implizit die schweizerischen Sauberkeits-Standards vermittelt – oder „Gesundheit“. „Freizeit und Familie“ thematisiert auch die Zeit nach der Entlassung und will mithelfen, sinnvolle Perspektiven zu entwickeln und damit zur Rückfallprävention beizutragen.
Inspiriert wurde das neue Lehrmittel von fide, einem Konzept des Bundesamtes für Migration, das die Integration von Migrantinnen und Migranten fördert; Teil davon ist auch das Rahmencurriculum und die Lernkarte zum Erwerb von einer der drei Landessprachen, Französisch, Italienisch und Deutsch. „Deutsch im Strafvollzug“ wird am 24. August den BiSt-Lehrpersonen zur Nutzung übergeben und der Öffentlichkeit vorgestellt.
Quelle: Thomas Wüthrich, „Deutsch im Strafvollzug“
Bildquelle: obs / SAH Zentralschweiz / Markus Käch, Emmenbrücke