Mitholz BE: Baubewilligungsverfahren für Sicherheits- u. Vorbereitungsmassnahmen im ehemaligen Munitionslager
Im Rahmen der laufenden Arbeiten wurde die Planung für den Gesamtablauf der Räumung der Munitionsrückstände mit groben Planungsschritten über die gesamte Projektdauer erarbeitet. Jetzt wird das erste Baubewilligungsverfahren für konkrete Baumassnahmen gestartet.
Zudem werden die Unterstützungsmassnahmen für die Bevölkerung von Mitholz ausgeweitet. Die Bevölkerung wurde am 23. September an Informationsanlässen aus erster Hand informiert.
Das Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) eröffnet bis Ende September 2021 ein militärisches Plangenehmigungsverfahren (MPV) für Sicherheits- und Vorbereitungsmassnahmen im ehemaligen Munitionslager Mitholz. Ein MPV ist mit einem zivilen Baubewilligungsverfahren vergleichbar und wird mit einer Planauflage öffentlich aufgelegt.
Bauliche Sicherheits- und Vorbereitungsmassnahmen
Bis zur eigentlichen Räumung werden hauptsächlich bauliche Arbeiten ausgeführt, die das Explosionsrisiko bzw. die Auswirkungen einer Explosion senken oder die Haupträumung vorbereiten. Die Teilschritte sind in der folgenden Übersicht aufgeführt. Die Massnahmen, für die ein Plangenehmigungsverfahren nötig sind, sind mit „MPV 2021“ gekennzeichnet.
• Lokale Schutzmassnahmen im Bahnstollen gegen Steinschlag (MPV 2021)
• Teilrückbau und Stilllegung der Anlage (MPV 2021)
• Temporäre Waldrodungen (MPV 2021)
• Bau eines Hochdrucktors und von zwei Stahlbetonpfropfen in den bestehenden Stollen (MPV 2021)
• Temporäre Verfüllung der Hohlräume und Klüfte (MPV 2021)
• Abbau des Schuttkegels sowie des Dreispitzes mit Teilen der Fluh bis zum Niveau über dem Scheitel des Bahnstollens (ca. 1’010 M.ü.M.)
• Realisieren der Schutzbauten für Strasse und Bahn
• Aufbau der Projektinfrastruktur sowie der Räum-/Entsorgungsinfrastruktur
• Durchführen der Haupträumung ab 2031
Der Baubeginn erfolgt nach Vorliegen der Baubewilligung.
Massnahmen zum Schutz von Mensch und Umwelt
Der Schutz der Umwelt vor schädlichen Auswirkungen muss während der ganzen Räumdauer gewährleistet sein. Überwacht wird dies mit einem Wassermonitoring, bei dem vierteljährliche Probeentnahmen aus Fliessgewässern und dem Grundwasser auf Schadstoffe untersucht werden. Das Monitoring wird über die gesamte Projektdauer betrieben und, wo notwendig, den Teilschritten der Räumung angepasst und weiterentwickelt. Um vertiefte Kenntnisse zum Zustand und zur Schadstoffbelastung im 1947 des durch die tagelangen Explosionen, Brände und Verschüttungen stark beschädigten Bahnstollens zu erhalten, werden auch dort Untersuchungen zur Schadstoffkonzentration durchgeführt. Der Ablauf der Räumung wird so geplant, dass eine Belastung der Umwelt durch die in der Munition enthaltenen Explosionsstoffe und Schwermetalle verhindert werden kann. So wird zum Beispiel geprüft, ob die Räumstelle mit einer Halle überdeckt wird, damit ein Durchfluss von Meteorwasser und damit unerwünschte Auswaschungen vermieden werden können.
Daneben ist innerhalb und ausserhalb der Anlage weiterhin ein umfassendes Mess- / Alarmierungssystem in Betrieb, das aus Wärmebildkameras sowie Sensoren für Gase, Bewegungen und Erschütterungen besteht. Bei Bedarf erfolgt die Alarmierung der Bevölkerung gemäss Notfallplanung. Alle diese Massnahmen werden über die gesamte Projektdauer weitergeführt und an neue Rahmenbedingungen angepasst.
Differenzierte Beurteilung Evakuationsperimeter und Gefahrenzonen
Mit der Risikoanalyse 2022 werden unter anderem die Grundlagen für die Definition des definitiven Evakuationsperimeters sowie der Sicherheitszonen erarbeitet. Die Sicherheit von Mensch und Umwelt steht an oberster Stelle. Das Prinzip „Schalenmodell“ sieht eine risikobasierte Differenzierung der Sicherheitszonen vor. Je kleiner die Distanz zur Munitionsanlage, desto einschneidender werden die zwingend durchzusetzenden Massnahmen sein. So wird die direkt an die Munitionsanlage angrenzende Sicherheitszone besonders geschützt und der Zugang wird den am Räumprozess beteiligten Personen vorbehalten sein. Bewohner der inneren Zonen müssen aus ihren Häusern an einen sicheren Ort umziehen. Für die umliegenden Zonen wird geprüft, ob sie zum Beispiel ganztägig für das Wohnen (allfällig mit Einschränkungen wie temporäre Evakuierungen) oder nur in definierten Zeitfenstern für die landwirtschaftliche Bewirtschaftung nutzbar gemacht werden können.
Zwingende Umzüge und Nutzungsbeschränkungen werden nur umgesetzt, soweit sie zur Gewährleistung der Sicherheit unverzichtbar sind.
Meilensteine und nächste Schritte
Mit der Terminplanung wird die Planung der Meilensteine gemäss Bericht Variantenevaluation bestätigt. Ab 2025 müssen erste Häuser geräumt werden, damit ab 2026 die Schutzbauten für Strasse und Bahn realisiert werden können. Bis 2030 müssen alle Bewohnerinnen und Bewohner aus der Gefahrenzone an einen sicheren Ort umziehen, damit ab 2031 die eigentliche Räumung der Munitionsrückstände während rund zehn Jahren erfolgen kann.
Im zweiten Quartal 2022 wird ein Mitwirkungsverfahren zum Sachplan-Objektblatt Mitholz durchgeführt. Dieses wird u.a. den Anlageperimeter, die Perimeter der Projektinfrastrukturen für Schutzbauten Strasse und Bahn sowie die Evakuations- und Sicherheitsperimeter umfassen. Die Botschaft mit den erforderlichen Krediten soll bis Ende Oktober 2022 durch den Bundesrat zuhanden des Parlamentes verabschiedet werden.
Unterstützungsangebot für die Bevölkerung
Das VBS unterstützt die betroffene Bevölkerung von Mitholz insbesondere bei der Vorbereitung des Wegzugs und bei der Suche nach konkreten Lösungen für die Zukunft. Ab dem 1. Oktober 2021 steht der Bevölkerung ein erweitertes Unterstützungsangebot zur Verfügung. In Zusammenarbeit mit den kantonalen Fachstellen wird Hilfe in den Bereichen Gesundheit, Finanzen, Arbeit, Notlagen, Wohnen und Unterstützung zu Hause angeboten. Bei Bedarf werden Hausbesuche vereinbart, damit in persönlichen Gesprächen individuell auf die Bedürfnisse eingegangen werden kann.
Bewertung der Liegenschaften – Betroffene werden fair entschädigt
Die Bewertung der Liegenschaften erfolgt anhand eines speziell für Mitholz erstellten Schätzerhandbuchs. Dieses wurde einer unabhängigen Überprüfung durch den Hauseigentümerverband (HEV) unterzogen. Der HEV prüfte das Dokument sowie ausgewählte Bewertungen. Die Prüfung stellt fest, dass die im Schätzerhandbuch festgelegten Bewertungskriterien korrekt sind. Der HEV hält fest, dass die Schätzungsexperten ihren Ermessenspielraum zu Gunsten der Eigentümer nutzen und die Werte in jeder Hinsicht angemessen und fair sind.
Bis Ende Jahr sind die Bewertungen der Liegenschaften in Mitholz abgeschlossen. Auf Basis der Bewertung wird ein Angebot für die individuelle Entschädigung gemacht. Das Entschädigungsmodell sieht vor, dass den Betroffenen an einem neuen Standort innerhalb einer Bandbreite die Preisdifferenz für eine Ersatzliegenschaft in vergleichbarer Grösse, Nutzungsart, Ausbaustandard und Zustand entschädigt wird. Zudem werden auch die Umtriebe wie Umzugskosten sowie alle anfallenden Steuerkosten ausgeglichen.
Ehemaliges Munitionslager Mitholz
Im 2. Weltkrieg war in Mitholz (Gemeinde Kandergrund BE) ein unterirdisches militärisches Munitionslager gebaut worden. 1947 kam es darin zu Explosionen, wobei 9 Menschen in der Umgebung der Anlage starben. Explodiert war ein Teil der eingelagerten rund 7000 Bruttotonnen Munition. Ein weiterer Teil konnte daraufhin geräumt werden. Aufgrund einer Schätzung befinden sich in den eingestürzten Anlageteilen und im Schuttkegel davor noch bis zu 3500 Bruttotonnen Munition mit mehreren hundert Tonnen Sprengstoff.
Quelle: Eidgenössisches Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport
Titelbild: Google Maps