Messerdelikte durch Minderjährige nehmen deutlich zu
Beinahe täglich lesen wir Nachrichten von Minderjährigen oder jungen Männern, die mit Messern aufeinander losgehen. Die Kriminalstatistik ist beunruhigend. Vor allem in den Schweizer Städten wie St. Gallen, Bern, Genf oder Zürich treten schwere Körperverletzungen, zum Teil sogar mit Todesfolge, gehäuft auf.
Grund genug, in einem Beitrag dieses Thema genauer zu beleuchten.
Bestätigt sich die Wahrnehmung, dass Gewaltdelikte mit Messern zunehmen?
Eindeutig: Ja! Allerdings handelt es sich hierbei keineswegs um ein typisches Schweizer Problem. Schauen wir in die Nachbarländer, sieht es nämlich ähnlich aus. So bestätigt die Polizei von Stuttgart beispielsweise, dass immer mehr junge Menschen ein Messer mit sich tragen. Die Täter bei Messerangriffen sind in den meisten Fällen männlich.
Bei einem Fall in Stuttgart, bei dem vor wenigen Tagen ein junger Mensch ums Leben kam, trauen sich die wenigsten Trauernden, Auskunft über die zunehmende Gewalt zu geben. Ein Coiffeur, der sein Geschäft im Stadtteil des Vorfalls hat, äusserte die Wahrnehmung, dass es heute beinahe schon üblich ist, als Jugendlicher ein Messer in der Tasche zu haben. Er denkt, dass dies der eigenen Sicherheit und dem eigenen Schutz dienen soll.
Heisst das, dass Konflikte heute mit dem Messer ausgetragen werden? Die Kriminalstatistik in Baden-Württemberg zeigt, dass seit 2019 die Zahl der Messerangriffe um über 4 Prozent gestiegen ist.
Messerdelikte in der Schweiz
Schauen wir uns die Schlagzeilen der letzten Tage oder Wochen in der Schweiz an, zeigt sich ein ähnliches Bild. So wurden zwei Personen mit Messern in Zürich verletzt, erlitt ein Mann in Bern Schnittverletzungen nach einem Streit oder wurde in Buchs SH ein Mann durch Messerstiche verletzt.
Warum gibt ein Messer in der Tasche Sicherheit?
Laut Kinder- und Jugendpsychologen ist zum Teil mangelndes Selbstwertgefühl die Ursache. Hier gibt die Waffe ein beruhigendes Gefühl. Der Träger fühlt sich stärker, wenn er das Messer bei sich trägt. Dass dies keine Lösung ist, dürfte klar sein. Ein Messer ist und bleibt eine Waffe, die nicht wirklich helfen kann, Unsicherheit zu überwinden. Im Gegenteil, im schlimmsten Fall führt diese zu einem tödlichen Angriff.
Gehen wir noch einmal zurück zu dem Beispiel aus Stuttgart. Nur hinter vorgehaltener Hand äusserten sich die Trauernden und der Tenor lautete: Hätte ihr getöteter Freund ebenfalls eine Waffe dabeigehabt, würde er vielleicht noch leben.
Cool, mit Messer in den Ausgang zu gehen?
Schon immer haben Jugendliche ihre Kräfte gemessen. Hiess es früher, wer am Boden liegt sowie Mädchen und Brillenträger werden nicht verprügelt, so gibt es diese Hemmschwellen heute nicht mehr. Junge Menschen, die bereits frühzeitig Ablehnung und Verletzungen erleben, in deren Elternhaus womöglich Gewalt herrscht, möchten sich einerseits selbst schützen, anderseits dazugehören. Kommen Frust und Langeweile dazu, wird auch gerne die Konfrontation gesucht. Wenn jeder im Freundeskreis ein Messer bei sich trägt, erscheint es tatsächlich uncool, als einziger darauf zu verzichten.
Ein Blick in die Kriminalstatistik der Schweiz
Im Jahr 2017 wurden in der Kriminalstatistik gerade mal drei Fälle von versuchten oder effektiven Tötungsdelikten mit Stichwaffen und Schneidwaffen durch Minderjährige verzeichnet. Gerade mal drei Jahre später, also 2020 wurden 36 Fälle gezählt. Bemerkenswert ist, dass die Anzahl der Tötungsdelikte vor allem bei Täterinnen und Tätern, die noch nicht volljährig sind, deutlich anstieg. Das gleiche trifft auf schwere Körperverletzungen zu.
Wie gelangen die Jugendlichen eigentlich an die Messer?
Da häufig Springmesser und Butterflymesser im Spiel und somit illegal sind, ist davon auszugehen, dass diese auf nicht legalem Wege beschafft werden. Hier spielt das Internet eine Rolle, aber auch Import aus dem Ausland. Wer gut vernetzt ist, bezieht diese Art von Messern über den Bekanntenkreis. Küchenmesser kommen seltener zum Einsatz, dass diese zu wenig nach Waffe aussehen. Tatsächlich möchte der Besitzer des Messers als cool und gefährlich eingeschätzt werden. Mit dem Messer will der Besitzer Männlichkeit demonstrieren sowie Dominanz zeigen.
Wird die Jugendgewalt zunehmen?
Ein Faktor sind klar gewaltverherrlichende Filme sowie entsprechende Computerspiele. Kinder und Jugendliche hatten in jeder Generation ihre Vorbilder. Leider hat die Jugend heute durch Internet und TV Idole, die in unserer Gesellschaft, also im realen Leben, keinen Platz hätten. Sie lernen, wie man andere einschüchtert, ihnen Angst einjagt und die Hemmschwelle zu verletzen oder gar zu töten sinkt.
Neben dem Elternhaus sind Schule und Freizeitbereiche gefragt, wieder verstärkte Gewaltprävention zu betreiben. Die Polizei ist ebenso in der Pflicht, verstärkt Kontrollen durchzuführen und entsprechende Strafen zu verhängen, wenn eine Person mit einem illegalen Messer angetroffen wird.
Bis 2015 gab es in der Schweiz zur Gewaltprävention ein Bundesprogramm. Dieses sollte wieder aufgenommen werden.
Fazit: Jugendliche benötigen Perspektiven und sinnvolle Freizeitbeschäftigungen. Das betrifft vor allem Minderjährige mit Migrationshintergrund, die sich häufig ausgeschlossen fühlen und für die es aufgrund der Sprachkenntnisse und kulturellen Unterschiede nicht immer einfach ist, sich zu integrieren. Aber auch Jugendliche, deren Eltern zu wenig Zeit haben oder sich zu wenig Zeit nehmen, die Freizeit miteinander zu verbringen und ihnen Werte und soziales Verhalten beizubringen, sind betroffen. Integrieren anstatt ausgrenzen sollte ebenso selbstverständlich sein, wie interessante, das Selbstwertgefühl stärkende Freizeitangebote ohne TV und Internet.
Quellen: 20min.ch und swr.de
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