Wetter: Darf's ein bisschen Sturm sein?
Nach dem hochdruckbestimmten Wochenende hat die Wetterlage nun definitiv geändert.
Eine kräftige Westströmung ist in den nächsten Tagen auf Europa gerichtet und bringt einen Sturm nach dem anderen. Wir schauen auf die Sturmserie und was sie alles mit sich bringt.
Typisches Warmfrontwetter
Ein mächtiger Tiefdruckkomplex liegt derzeit mit mehreren Zentren über dem Nordatlantik und Nordeuropa. An dessen Südrand etablierte sich eine starke bis stürmische Westströmung. Das Tief mit einem zweigeteilten Kern zwischen Schottland und Südengland schickte heute aus Westen sein Frontensystem in Form einer Warmfront zur Schweiz.
Das Wetter dazu gestaltete sich typisch: Dichte und hochreichende Schichtwolken der Wolkengattung Nimbostratus sorgten auf der Alpennordseite für einen trüben und oft nassen Tag. Schon in der ersten Tageshälfte breitete sich der flächige (stratiforme) Niederschlag von Westen her über die Schweiz aus und reichte bis in die Alpen. Nur ganz im Süden, im Schutz der Alpen, konnte man speziell im Mendrisiotto noch freundlicheres Wetter in der «Sonnenstube» geniessen. Ansonsten hiess das Wettermotto Grau in Grau und es wurde im Tagesverlauf immer milder. Die Temperatur stieg auf 8 bis 12 Grad, die Schneefallgrenze von rund 1000 Metern bis am Abend teilweise auf über 2000 Meter.
Starker Jetstream
Wie oben erwähnt, hat sich am Südrand der umfangreichen Tiefdruckzone bereits eine kräftige Westströmung etabliert. Diese wird sich in den nächsten Tagen weiter verstärken. Grund dafür sind grosse horizontale Temperaturgegensätze auf engem Raum über dem Nordatlantik. Vereinfacht gesagt: Je grösser und konzentrierter diese Temperaturunterschiede, desto kräftiger entwickelt sich in der Höhe der so genannte Jetstream, ein Starkwindband in etwa 9 Kilometer Höhe, in dessen Umfeld sich wiederum Sturmtiefs oder Orkantiefs bilden können. Genau dies wird in den nächsten Tagen gleich mehrfach und auf unterschiedliche Weise geschehen.
Erster Sturm
Von Mittwoch auf Donnerstag entwickelt sich ein erstes kräftiges Sturmtief, das mit seinem Zentrum von Schottland über Dänemark bis ins Baltikum zieht. Auf der Südseite des Tiefs bildet sich im Bereich grosser Luftdruckgegensätze ein Sturmfeld mit Schwerpunkt vom Ärmelkanal über Benelux und Deutschland bis nach Polen und Tschechien.
Betrachtet man die Situation in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag, so fällt auf: Das Zentrum des Sturmtiefs liegt in Strömungsrichtung gesehen (von West nach Ost) ziemlich genau im linken Ausgang des Jetstream-Maximums, sozusagen am linken vorderen Rand der dunkelrot eingefärbten Fläche. Hier herrscht maximaler Druckfall und das Sturmtief geniesst günstige Entwicklungsbedingungen. In solch einer Konfiguration entstehen Tiefdruckgebiete meist nach dem klassischen Modell der Polarfrontzyklonen nach Bjerknes (Norwegisches Modell). Ein paar weitere Informationen hierzu findet man in einem unserer vergangenen Blogs .
Nördlich der Schweiz werden vor allem der teils gewittrige Kaltfrontdurchgang sowie nachfolgende Schauerstaffeln für die heftigsten Windböen sorgen. In diesem Bereich verstärken konvektive, mitunter linienartig angeordnete Niederschläge die ohnehin schon stürmische Strömung und es muss lokal mit Orkanböen gerechnet werden.
Und in der Schweiz? Wir liegen vom Tief weiter entfernt, damit näher am stabilisierenden Hochdruckgebiet und die Kaltfront kommt nicht mit voller Stärke zum Alpenraum voran. Nichtsdestotrotz wird auch bei uns der Wind stark zulegen und erreicht in Böen in den Niederungen 70 bis 100 km/h, in den Bergen 100 bis 140 km/h. Dies wird mit einer Windwarnung der Stufe 2 bewarnt.
Zweiter Sturm
Nach einer kurzen Pause soll sich im Laufe des Freitags bereits ein zweites Sturm- oder Orkantief entwickeln. Die Details sind immer noch etwas unsicher, allerdings zeichnet sich in den letzten Prognosemodellen nun relativ beständig eine markante Tiefdruckentwicklung zwischen den Britischen Inseln und der Ostsee ab.
Betrachtet man diese Situation am Freitagabend, so fällt auf: Der steuernde Jetstream in der Höhe mäandriert, verläuft gewellter und nicht mehr so gerade wie noch am Donnerstag, ist aber weiterhin sehr stark und weisst im Umfeld des Tiefs mehrere Jetstream-Maxima (Jetstreaks) auf. Ein Maximum liegt in etwa über dem Ärmelkanal, ein zweites Maximum weiter stromab über dem östlichen Europa. Das Tief und der Bereich des stärksten Druckfalls östlich des Kerns ist nun genau zwischen den beiden Jetstreaks eingenistet (in der Grafik markiert). In solch einer Konfiguration mit zwei Jetstream-Maxima («double jet configuration») bildet sich oft eine weitere Art von Tiefdruckgebieten, die so genannte Shapiro-Keyser-Zyklone. Diese hat im Unterschied zu den klassischen Polarfrontzyklonen eine modifizierte Entstehungsgeschichte und weisst andere Merkmale auf. Mehr Informationen hierzu findet man ebenfalls in einem unserer vergangenen Blogs . Das Sturmtief von Freitag auf Samstag wird somit nach Shapiro-Keyser oder zumindest als Hybrid zwischen Bjerknes und Shapiro-Keyser daherkommen.
Entsprechend der erwarteten Zyklonenart hat auch der zugehörige Sturm einen anderen Charakter. Die grössten Windgeschwindigkeiten werden von Südengland über das Nordseeumfeld und Norddeutschland bis ins Baltikum berechnet. Und dies nicht an der eher schwächer prognostizierten Kaltfront, sondern südwestlich des Tiefkerns im Bereich der stärksten Drängung der Isobaren und je nach Entwicklung im Bereich eines möglichen «sting jets». Mehr zu diesem Phänomen mit regional begrenzt extremen Windböen im Orkanbereich findet man hier oder hier.
Kein Sturm, aber Frühlingsgefühle?
Das Windfeld des zweiten Sturms wird die Schweiz in der Nacht auf Samstag voraussichtlich nur streifen und deutlich abgeschwächt für starke bis stürmische Böen sorgen. Allerdings liegt der Alpenraum am Freitag mitten im weit geöffneten Warmsektor des Sturmtiefs, was mancherorts für die ersten Frühlingsgefühle ausreichen sollte. In der Warmluft subtropischen Ursprungs und mit etwas Föhnunterstützung steigen die Temperaturen auf der Alpennordseite und in den grösseren Alpentälern verbreitet auf 13 bis 18 Grad, lokal sind auch 20 Grad möglich.
Obwohl es für die Jahreszeit sehr mild wird: Nach heutigem Stand dürfte es für neue Temperaturrekorde für den Monat Februar eher schwierig werden. Zum Beispiel müssten in Basel-Binningen 22.0 Grad, in Luzern 19.9 Grad oder in Chur 22.7 Grad überschritten werden.
Nachschlag gefällig?
Wer bis am Samstag von dem ganzen Wind noch nicht genug bekommen hat, der kann sich auf den Sonntag und Montag freuen. Wahrscheinlich geht die turbulente Westwetterlage in die Verlängerung und bringt der Alpennordseite neue Sturmböen und den Alpengipfeln Orkanböen. Die Zeit ruhigen Hochdruckwetters wie noch am letzten Wochenende ist in den nächsten Tagen auf jeden Fall erst einmal vorbei.
Quelle: Bundesamt für Meteorologie MeteoSchweiz
Titelbild: Satellitenbild