Grossraubtiere – Wolf: Für den Alpsommer 2022 sind Sofortmassnahmen umzusetzen
Die Gebirgskantone wollen im Hinblick auf den Alpsommer 2022 Sofortmassnahmen umsetzen. Diese betreffen die Festlegung von Zumutbarkeits-Kriterien bezüglich des Herdenschutzes. Zudem sind beim Bund die administrativen Abläufe für die verschiedenen Bewilligungen markant zu erleichtern.
Weil die im Parlament angestossene Revision des Jagdgesetzes erst im kommenden Jahr behandelt werden dürfte, sind im Hinblick auf den Alpsommer 2022 Sofortmassnahmen umzusetzen, die sich auf das geltende Gesetz abstützen lassen.
Kriterien für die Zumutbarkeit von Herdenschutzmassnahmen
Der Herdenschutz ist aufwendig und mit Zusatzkosten verbunden. Laut Jagdgesetz obliegt die Beurteilung, ob Herdenschutzmassnahmen auf den einzelnen Alpen zumutbar sind, den Kantonen. Die Frage der Zumutbarkeit ist entscheidend für die Anrechnung der Risse für die Regulierung.
Für die Beurteilung, welche Flächen und Alpweiden mit zumutbarem Aufwand schützbar sind und welche nicht, braucht es klare Kriterien. Diese sind zweckmässigerweise mit dem Bund abzustimmen, um auch die Finanzierung zu regeln und um die bereits im Rahmen des landwirtschaftlichen Verordnungspakets 2022 für den Sommer 2022 vorgesehene Unterstützung im Falle von Alpentladungen zu konkretisieren. Klare Kriterien ermöglichen zudem, das Wolfsmanagement gezielt darauf auszurichten. Schliesslich kann auch die Herdenschutzberatung ihre Ressourcen auf die zumutbar schützbaren Alpen fokussieren.
Laufende Grundlagenarbeiten liefern erste Erkenntnisse im Bereich Herdenschutz
Die Gebirgskantone sind an der Erarbeitung von umfassenden Grundlagen zum Wolfsmanagement und Herdenschutz. Der entsprechende Gesamtbericht wird voraussichtlich im zweiten Halbjahr und damit rechtzeitig im Hinblick auf die bevorstehende Revision des Jagdgesetzes vorliegen. Beim Herdenschutz liegen aber bereits erste Erkenntnisse vor, die sich auf den Alpsommer 2022 umsetzen lassen und mehr Vollzugssicherheit bringen. Bereits für den Alpsommer 2022 können folgende Kriterien für die Beurteilung, ob eine Alp zumutbar schützbar ist, herangezogen werden:
1.Volkswirtschaftliche Akzeptanz
Die Kosten für Herdenschutzmassnahmen haben eine volkswirtschaftliche Obergrenze. Für die Gebirgskantone liegt diese bei 600 Franken pro Normalstoss. Ein Normalstoss entspricht knapp 12 Schafen und somit beträgt die Obergrenze etwa 50 Franken pro Schaf. Vollkostenrechnungen zu Herdenschutzmassnahmen zeigen, dass auf Schafalpen mit weniger als 10 Normalstössen (115 Schafe) diese Obergrenze immer überschritten wird. Diese Alpen sind somit nicht zumutbar schützbar.
2. Herdenschutzmassnahmen für Schafe
Eine ständige Behirtung ist aufgrund der hohen Personalkosten aus betriebswirtschaftlicher Perspektive erst ab 30 Normalstössen (350 Schafe) finanzierbar. Alpen von 10 bis 30 Normalstössen (115 bis 350 Schafe) sind mit einem Umtriebsweidesystem mit Herdenschutzhunden schützbar. Dieses Weidesystem ist jedoch nur in geeigneten Weideflächen wirksam, was auf jeder Alp einzeln beurteilt werden muss. Standweiden in den Zentral- und Südalpen sind jedoch aufgrund der kargen Vegetation und der entsprechenden Weiträumigkeit nicht mit einem Umtriebsweidesystem mit Herdenschutzhunden schützbar. Diese Alpen sind somit nicht zumutbar schützbar.
3.Herdenschutzmassnahmen für Ziegen
Ziegen weiden im Sömmerungsgebiet meist frei, zudem oft in topografisch sehr anspruchsvollen Lagen. Die Direktzahlungsverordnung sieht im Moment keinerlei Abgeltung für die Sömmerung von Ziegen in geschützten Weidesystemen vor. Aus diesen Gründen gelten sämtliche Ziegenalpen als nicht zumutbar schützbar.
4. Herdenschutzmassnahmen für Rindvieh
Grundsätzlich ist auf Rindviehalpen kein Herdenschutz möglich. Die einzig wirksame Massnahme bildet die spezielle Einzäunung bei Geburten (sogenannte Abkalbekoppel). Auch Rindviehalpen sind somit nicht zumutbar schützbar.
Ferner ist absehbar, dass mit dem Gesamtbericht noch weitere Zumutbarkeits-Kriterien für Herdenschutzmassnahmen und substanzielle Aussagen über die Regelung von Interessenkonflikten zwischen der Pflege der Kulturlandschaft und dem Tourismus einerseits, und dem Arten- und Lebensraumschutz andererseits, vorliegen werden.
Administrative Abläufe sind markant zu vereinfachen
Der Alpsommer ist kurz. Dies bedingt eine rasche Erteilung von Bewilligungen. Die Erfahrungen im Alpsommer 2021 haben gezeigt, dass die administrativen Abläufe zum Erhalt der erforderlichen Abschussbewilligungen viel zu schwerfällig sind und deutlich vereinfacht werden müssen. Deshalb fordern die Gebirgskantone vom Bund, dass er rechtzeitig auf den Alpsommer die Abläufe markant vereinfacht und genügend Ressourcen bereitstellt, damit die erforderlichen Bewilligungen künftig innert kürzester Zeit erteilt werden können.
Massnahmen zum Wolfsmanagement nötig – für den Alpsommer 2022 aber noch nicht umsetzbar
Derzeit leben elf Wolfsrudel in der Schweiz, vier weitere Rudel bewegen sich grenzüberschreitend. Hinzu kommen über fünfzig sogenannte transiente Wölfe, d.h. solche ohne fest etabliertes Territorium. Die Ausbreitung des Wolfes in der Schweiz wird sich noch deutlich weiterentwickeln. Es ist davon auszugehen, dass aufgrund der in mehreren Landesteilen beobachteten Paarbildungen sich bereits in diesem Jahr neue Wolfsrudel etablieren werden. Das Wolfsmanagement ist dringend an diese Entwicklung anzupassen. Es braucht die Möglichkeit zur präventiven Regulation des Wolfsbestandes, ohne diesen dabei zu gefährden. Es obliegt aber dem Parlament, die entsprechenden Massnahmen im Gesetz festzulegen. Bis zum Alpsommer 2022 ist dies nicht möglich.
Quelle: Die Gebirgskantone
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