Gewitter wie im Hochsommer
Am Donnerstagnachmittag bildeten sich über Frankreich kräftige Gewitter und zogen in einer sommerlich anmutenden Gewitterlinie quer über das Land hinweg bis in den Süden Belgiens.
Am Freitag hielt die Südwestwetterlage mit dem Heranführen von warmer und labiler Luft an. Der Schwerpunkt der Wetteraktivität verlagerte sich dabei zunehmend zu uns in die Schweiz.
Starke Gewitter am Donnerstag
Seit nun schon einigen Tagen hat sich über Europa eine umfangreiche Südwestwetterlage installiert. Sie führt für die Jahreszeit sehr warme und zeitweise instabile Subtropikluft weit nordostwärts bis nach Schottland, Südskandinavien und zum Ostseeraum. Gestern Nachmittag waren über Zentralfrankreich die Bedingungen für kräftige Gewitter ausserordentlich gut. Die labile Warmluft lag in einer Zone von kräftiger Windscherung und grossräumiger Hebung – ideale Voraussetzung für die Entstehung eines langlebigen Gewittersystems. Dabei erinnerten die Wetterparameter und die Luftmasse eher an eine Gewitterlage im Hochsommer als an die zweite Oktoberhälfte mitten im Herbst.
Unter diesen günstigen Voraussetzungen entwickelten sich für die Jahreszeit aussergewöhnlich kräftige und langlebige Gewitter. Sie organisierten sich zu einer Gewitterlinie und zogen als „mesoskaliges konvektives System“ (kurz MCS) von Zentralfrankreich bis nach Südbelgien und fast bis nach Deutschland und Luxemburg. Mit im Gepäck hatten die Gewitter Sturmböen bis 90 km/h und lokal Hagel mit einem Durchmesser von 2 bis 4 Zentimetern. Insgesamt entluden sich über Frankreich mehr als 50000 Blitze auf einer Fläche etwa doppelt so gross wie die Schweiz. Damit ist dieses Ereignis mühelos vergleichbar mit ausgeprägten Gewitterlagen, wie sie in der Schweiz üblicherweise nur im Hochsommer vorkommen, z. B. im Juni 2021 mit über 25000 Blitzen am 20.06.2021 oder im Juli 2021 mit über 22000 Blitzen am 24.07.2021 (Blitze über der Schweiz plus unmittelbar angrenzende Nachbarregionen).
Extreme-Forecast-Index (EFI) des ECMWF für die Bereitschaft zur Auslösung und Organisation von Gewittern (CAPESHEAR). Dabei zeigen orange und rote Farbtöne eine für die Jahreszeit aussergewöhnlich hohe Gewitterbereitschaft. Am Donnerstag (erste Abbildung) lagen die deutlichsten Signale über Frankreich, am Freitag (zweite Abbildung) abgeschwächt auch weiter nordöstlich in Teilen der Schweiz und Südwestdeutschlands.
Und heute?…
…verlagerte sich der Schwerpunkt der Wetteraktivität zunehmend ostwärts zu uns in die Schweiz.
Ein in die Südwestströmung eingelagertes Wellentief führte am Vormittag seine Warmfront nordostwärts über den Alpenraum hinweg. Sie brachte der Alpensüdseite, dem Wallis sowie der West- und Nordschweiz Regen, über Ostfrankreich zwischen dem Département Vaucluse und dem Jura erneut Gewitter. Am föhnigen zentralen und östlichen Alpennordhang blieb es noch trocken.
Hinter der Warmfront liessen die Niederschläge nach und die Bewölkung lockerte auf. Die Temperaturen stiegen auf 15 bis 18 Grad, in den Föhntälern wurde das Tagesmaximum von rund 21 Grad bereits am Morgen erreicht. Am Abend und in der Nacht auf Samstag folgt aus Westen die Kaltfront. Sie verdrängt die labile Subtropikluft nach Osten und löst verbreitet Niederschläge, lokal auch Gewitter aus. Teilweise können die Regenfälle kräftig ausfallen, in einigen Regionen werden die erwarteten Niederschlagsmengen mit einer Stufe 2 bewarnt.
Die Schneefallgrenze liegt während der Hauptphase der Niederschläge bei 2800-3000 Metern und sinkt gegen Ende auf der Alpennordseite auf 2500 Meter. Hinter der Kaltfront wird die Luft im Laufe des Samstags von Westen her abgetrocknet und rasch wieder erwärmt. Der Luftmassenwechsel wird somit kaum spürbar sein. Und auch die Südwestwetterlage hält in den nächsten Tagen weiter an. Am Sonntag steht der nächste Warmluftvorstoss aus Südwesten bereit, inklusive Föhn und bis zu 25 Grad in den Alpentälern.
Quelle: Bundesamt für Meteorologie MeteoSchweiz
Titelbild: Meteomeldungen/App