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Wetternews: Nicht das klassische Tief

Schon mal was von Zyklogenese gehört? Oder eher was von Tiefdruckentwicklung?

Heute tauchen wir in die Welt der Wissenschaft ein und schauen uns die unterschiedlichen Entwicklungen von Tiefdruckgebieten an.

Alles begann in der Nacht auf heute, als die Warmfront über die Schweiz zog und stellenweise etwas Niederschlag brachte. Ein Tiefdruckgebiet über England hat diese Warmfront zu uns gesteuert.

In der Regel gehört zu einem Tiefdruckgebiet neben der Warmfront auch eine Kaltfront (siehe Abbildung Buchstabe C). Der Bereich zwischen diesen Fronten wird Warmsektor genannt und ist, wie der Name schon sagt, mit warmer Luft gefüllt. Da die Kaltfront meist schneller vorankommt als die vorauslaufende Warmfront, wird diese eingeholt und die Fronten okkludieren (D). Dieses konzeptionelle Modell ist als das klassische oder Norweger Zyklonenmodell bekannt.


(Quelle: Encyclopedia Britannica)


Dieses Zyklogenesemodell (Zyklogenese = Entstehung eines Tiefs oder Tiefentwicklung), ist eines der frühsten entwickelten Konzepte (1919/1922) und ist nicht für jede Tiefentwicklung passend. Viele Forschende haben sich diesem Thema gewidmet und weitere Entwicklungskonzepte entwickelt, wie zum Beispiel das Shapiro-Keyser Zyklonenmodell (1990).

Die Entwicklung eines Tiefdruckgebiets ist zu Beginn ähnlich, die Folgeentwicklung unterscheidet sich aber massgeblich. Die Kaltfront ist schwächer ausgeprägt und befindet sich fast rechtwinklig zur Warmfront (siehe Abbildung, II). Zudem ist die Kaltfront von der Warmfront getrennt und kann so auch nicht okkludieren. Bei der weiteren Entwicklung des Tiefs wird die warme Luft um das Tief gewickelt (IV) und die nach ostwärts ziehende Kaltfront schneidet dann die Warmluftzufuhr ab, sodass sich ein warmer Einschluss bildet.


Shapiro-Keyser Zyklogenese (Quelle: Artikel „Occluded Fronts and the Occlusion Process: A Fresh Look at Conventional Wisdom“, by David M. Schultz und Geraint Vaughan, 2011)


Schauen wir uns das zunächst anhand der Modellkarten genauer an.



Farblich dargestellt ist die Äquivalentpotentielle Temperatur auf 850 hPa und Geopotential auf 850 hPa. (1) Die Kaltfront sollte sich in etwa über Frankreich befinden, ist jedoch nicht durch einen markanten Temperaturgradienten definiert. Dies spricht schon mal für eine wenig ausgeprägte Kaltfront. (2) Mit der Zeit wird die Warmluftzufuhr durch die nach Osten voranschreitende kalte Luft abgeschnürt und es entsteht ein warmer Einschluss über den britischen Inseln.


(links) Äquivalentpotentielle Temperatur auf 850 hPa und Geopotential auf 850 hPa um 09 UTC (rechts) Satellitenbild um 09 UTC. Hochreichende Wolken erscheinen blau, tiefe Wolken weiss.


Die Warmfront liess sich anhand der Modellkarten und auch im Satellitenbild relativ gut finden. Die Kaltfront hingegen ist auch im Modell nicht deutlich auszumachen. Der Temperaturgradient ist ziemlich flach und es scheint als gäbe es mehrere Kaltfronten, dies ist typisch für das Shapiro-Keyser Zyklonenmodell und deutet auf eine schwach ausgeprägte Kaltfront hin.

Die Kaltfront im klassischen Modell ist oft besser ausgeprägt. Anhand des deutlichen Temperaturgradienten ist die Front im Satellitenbild wie auch im Radar einfacher zu identifizieren, da dadurch meist linienartiger und konvektiver Niederschlag entsteht.


Radarbild um 09 UTC: Irgendwo über Frankreich sollte die Kaltfront sein, lässt sich jedoch nicht eindeutig erkennen.


Radarbild des 16.11.2022 um 01 UTC: Beispiel einer gut definierten Kaltfront, welche in der Nacht auf Mittwoch über die Schweiz zog.


Im Norwegischen, wie auch im Shapiro-Keyser Konzept wird der Bereich zwischen den Fronten, wo sich die warme Luftmasse befindet, Warmsektor genannt. Die Schweiz befand sich heute in diesem Warmsektor und so fiel die Temperatur in gewissen Orten heute deutlich höher aus als gestern (zum Beispiel in Evionnaz oder Gersau)



Über der Schweiz lag heute nicht nur eine wärmere, sondern auch eine labil geschichtete Luftmasse. Der wechselhafte Wettercharakter wurde zudem noch von mässig bis teils starkem Wind begleitet.



Titelbild: Und hier nicht die klassische Wolke – sogenannte Cirrocumulus lacunosus. Lacunosus bedeutet so viel wie voller Löcher (meist ausgefranst), so dass eine Wolke aussieht wie ein Netz oder Honigwabe.

 

Quelle: Bundesamt für Meteorologie MeteoSchweiz
Titelbild: Meteomeldungen/App

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