Luzerner Polizei: Simon, Chef der Fachgruppe Sexualdelikte
Es ist schön, anderen Menschen, vor allem schwächeren, zu helfen, für Gerechtigkeit zu sorgen und auf der „richtigen Seite“ zu stehen.
Stell dich doch mal vor. Wer bist du?
Mein Name ist Simon. Ich bin Chef der Fachgruppe Sexualdelikte bei der Kriminalpolizei im Rang eines Feldweibels. Ich bin seit 1999 bei der Luzerner Polizei bzw. der vormaligen Kantonspolizei Luzern.
Warum bist du Polizist geworden?
Nebst den klassischen „Bubenträumen“ wie z.B. Pilot oder in meinem Fall auch Sport-Profi war der Beruf des Polizisten immer auch irgendwo mit dabei. Dieser wurde dann bereits während meiner Schulzeit etwas konkreter und ich wählte meine Berufslehre so aus, um möglichst gute Voraussetzungen für eine allfällige Bewerbung mitzubringen. Nach meiner KV-Lehre verbrachte ich dann zuerst mehrere Monate in Australien. Während meiner anschliessenden Militärzeit, welche ich ebenfalls mit dem Fokus auf eine mögliche Polizeilaufbahn absolvierte, wusste ich dann definitiv, dass ich unbedingt Polizist werden möchte. Gründe für diese Wahl und diesen Werdegang gab und gibt es viele. Zum einen ist es sicherlich die vielzitierte Vielseitigkeit, welche dieser Beruf mit sich bringt. Jeder Tag ist anders, auch bedingt durch die unregelmässigen Arbeitszeiten, welche ich persönlich schätze. Vor allem aber ist es für mich das gute Gefühl, etwas Sinnvolles, etwas für die Gesellschaft zu tun und auf der „richtigen Seite“ zu stehen, welches mich auch nach fast 25 Jahren immer noch motiviert und befriedigt.
Wo warst du bei der Luzerner Polizei schon überall tätig?
Nach Abschluss der Zentralschweizer Polizeischule 1999/2000 sammelte ich meine ersten Erfahrungen auf dem Polizeiposten in Horw, auf dem Bahnhofposten in Luzern und auf dem Polizeiposten in Escholzmatt. Nebst des Umsetzens des Theoretischen in die Praxis war es auch dieser extreme Kontrast, Stadt-Land, welcher enorm spannend zu erleben war. Dieser festigte nicht nur mein berufliches Rüstzeug, sondern bereicherte mich auch persönlich enorm.
Nach zwei Jahren bei der Sicherheitspolizei wechselte ich zur damaligen Bereitschafts- und Verkehrspolizei (BVP) auf den Stützpunkt Sprengi in Emmenbrücke. Während dieser Zeit war ich, nebst meiner Tätigkeit im Patrouillendienst, auch bei der Wasserpolizei und bei den Polizeitauchern tätig. In diesem Umfeld wurde ich, nach Durchlaufen der nötigen Aus- und Weiterbildungen, auch als Instruktor und Einsatzleiter eingesetzt. Während dieser Zeit durfte ich übrigens unzählige Aus- und Weiterbildungen geniessen. Nebst polizeispezifischen Ausbildungen wie z.B. Führungslehrgängen konnte ich auch diverse Tauchbrevets, die Motorradprüfung, Lastwagenprüfung, Motorbootprüfung sowie die Segelbootprüfung absolvieren. Ein unglaubliches Privileg, welches so wohl nur bei der Polizei möglich ist.
Während meiner Zeit bei der BVP lockte mich dann der Ruf der Kriminalpolizei immer mehr und 2006 konnte ich zu dieser wechseln. Seit Beginn meiner Zeit bei der Kripo arbeite ich bei der Fachgruppe Sexualdelikte. Bereits ziemlich früh spezialisierte ich mich, nebst den klassischen Sexualdelikten, auf den Bereich Menschenhandel. Dieses Thema durfte ich intern vorantreiben und einiges an Pionierarbeit leisten. Einige grosse Ermittlungserfolge in diesem Bereich folgten und waren der Lohn für diese Arbeit. Seit 2016 bin ich nun Chef der Fachgruppe Sexualdelikte und sehr stolz auf unser Team und unsere Arbeit.
Wie sieht dein „Arbeitsalltag“ heute in der Fachgruppe Sexualdelikte aus?
Mein Arbeitsalltag ist zweigeteilt. Zum einen bin ich als Ermittler tätig; das heisst, ich bearbeite Fälle von strafbaren Handlungen gegen die sexuelle Integrität, wie es im Strafgesetzbuch konkret benannt wird. Das sind Delikte wie Vergewaltigungen, Schändungen, sexuelle Handlungen mit Kindern, Pornografie, sexuelle Nötigung usw. Dabei handelt es sich um Ermittlungsverfahren, in welchen wir Festnahmen, Hausdurchsuchungen, Einvernahmen, technische Überwachungen, Abklärungen und so weiter durchführen, um einen Fall möglichst lückenlos aufzuklären. Dazu kommt, wie bereits erwähnt, der Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung. Konkret bin ich da so oft wie möglich im Sex-Milieu des Kantons Luzern unterwegs. Zusammen mit meinen Mitarbeitenden versuche ich so, Opfer von Menschenhandel zu identifizieren und entsprechende Ermittlungsverfahren einzuleiten.
Der zweite Teil meiner Arbeit ist die Leitung der Fachgruppe. Diese fängt jeweils am Morgen mit einem Briefing der anwesenden Mitarbeitenden an. Zudem stehen administrative Aufgaben wie die Dienstplanung, das Arbeitszeitcontrolling, die Verteilung und Übersicht über die zu bearbeitenden Fälle, die Mitarbeitergespräche usw. an. Aber auch das Schaffen von optimalen Voraussetzungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Bezug auf die Optimierung von Arbeitsabläufen, Organisation und Durchführung von Aus- und Weiterbildungen, Strategiefestlegungen und vieles mehr gehören zu meinen Aufgaben. Zudem werde ich in diversen Gremien und Arbeitsgruppen auch ausserhalb der Kripo Luzern eingesetzt und vertrete dabei meinen Bereich oder gar die ganze Luzerner Polizei. Beispiele sind die kantonale Kinderschutzgruppe, der runde Tisch Menschenhandel des Kantons Luzern, die gesamtschweizerische Arbeitsgruppe Menschenhandel, die Leitung der Fachgruppe Menschenhandel Zentralschweiz etc. Auch international konnte ich den Kanton Luzern oder die Schweiz an Konferenzen zum Thema Menschenhandel z.B. in Amsterdam und London bereits vertreten.
Du wirst tagtäglich mit Vergewaltigungen, Kinderpornografie, Schändungen und Menschenhandel konfrontiert. Wie schaffst du dir einen Ausgleich?
Ein sehr wichtiger Punkt. Denn unsere Arbeit ist emotional manchmal wirklich nur schwer zu ertragen. Wir blicken nicht selten in ganz tiefe menschliche Abgründe und bekommen viel Leid der Menschen, insbesondere von Kindern, ganz nah zu spüren. Zudem sehen wir Bilder und Videos, welche oft kaum auszuhalten sind. Ein ganz wichtiger Aspekt bei der Verarbeitung solcher Einflüsse ist das Team. Ein gutes Team kann da schon sehr viel abfedern. Deshalb ist es mir wichtig, dass die Zusammensetzung im Team stimmt. Ich bin froh, dass wir da wirklich auf eine tolle Truppe zählen können, welche füreinander einsteht. Wir pflegen den Kontakt zueinander auch ganz aktiv mit diversen Aktivitäten während des Jahres, nicht selten auch privat. Erwähnenswert ist im Zusammenhang mit unserem Team auch die Diversität. In unserem Team arbeiten mehr Frauen als Männer. Eine Konstellation, welche bei der Polizei (noch) zu selten vorkommt. Dies ist natürlich zum grössten Teil der Thematik unseres Deliktsumfeldes geschuldet. Aber auch für den „Gruppengeist“ ist dieser Umstand mehr als nur bereichernd und absolut empfehlenswert!
Persönlich schaffe ich mir den Ausgleich mit meiner Familie, meinen Freunden und meiner grossen Leidenschaft zum Surfen. Zu Hause spielt die Polizei eigentlich keine Rolle. Okay… in meinem Kopf sieht es manchmal anders aus. Aber sie ist zumindest kein Thema und ich kann sagen, dass ich für mich eine gesunde Work-Life-Balance gefunden habe.
Was ist deine persönliche Motivation für deine Funktion?
Es ist auch nach bald 25 Jahren immer noch die gleiche Motivation, welche mich auch zu dem Beruf gebracht hat. Es ist schön, anderen Menschen, vor allem schwächeren, zu helfen, für Gerechtigkeit zu sorgen und eben auf der „richtigen Seite“ zu stehen. Zusätzlich motiviert mich mein Team. Die Zusammenarbeit innerhalb des Teams macht, trotz der ernsten Thematik, enorm Spass und der Zusammenhalt ist sehr schön und bereichernd. Auch wenn es etwas abgedroschen klingen mag, aber ich komme immer sehr gerne zur Arbeit.
Sicherlich könntest du hier einiges erzählen. Aber gibt es einen Einsatz der dich besonders geprägt hat? Allenfalls auch einen an welchen du dich gerne zurückerinnerst?
Ich muss hier eine Floskel bemühen und sagen, dass ich damit wohl Bücher füllen könnte. Oft erzählen wir uns in den Pausen oder bei privaten Treffen von „alten“ Fällen, Erlebnissen aus Hausdurchsuchungen, Festnahmen… einfach aus unserem Polizeialltag. Wir erleben auch viele lustige Dinge, über die wir oft lachen (natürlich über uns selber oder spezielle Situationen). Aber da gibt es auch die tragischen Fälle, welche sehr traurig machen und einem mehr als ein paar Tage im Kopf herumspuken. Konkrete Fälle zu nennen würde dem Ganzen nicht gerecht werden. Meist berühren sie einen persönlich, positiv wie negativ. Dies können einzelne Situationen oder auch komplexe Ereignisse sein, welche einem in Erinnerung bleiben. Aber wer sich für den Polizeiberuf entscheiden sollte, der oder die kann sich sicher sein: egal in welchem Bereich man bei der Polizei tätig sein wird, man erhält zu Beginn ein ganz dickes, leeres Buch, welches am Ende prall gefüllt sein wird. Womit wir wieder den Bogen zum Anfang der Frage hätten.
Welches sind aus deiner Sicht die wichtigsten Eigenschaften die eine Polizistin / ein Polizist mitbringen sollte?
Nach meinem Dafürhalten ist ein Polizist immer noch ein Idealist. Wegen des Geldes und des Ruhms muss man den Beruf nicht ergreifen. Aber das ist auch das Schöne bei uns; die wirklich allermeisten Polizisten und Polizistinnen sind mit Herzblut dabei. Das heisst, wer den Beruf des Polizisten oder der Polizistin ausüben möchte, muss das aus tiefstem Herzen wollen und dafür motiviert sein. Durch das notwendige Vertrauen, welches man tagtäglich in seine Kolleginnen und Kollegen setzen muss (und natürlich auch umgekehrt), ist die Teamfähigkeit ein weiterer wichtiger Puzzlestein zu einem guten Polizisten. Hinzu kommen eine hohe Sozialkompetenz und Empathie. Man muss ein Menschenfreund sein, um den Menschen dienen zu können. Dies alles bedingt natürlich eine ordentliche Portion Belastbarkeit, welcher auch eine gewisse körperliche Fitness zu Grunde liegen sollte. Abgerundet wird das Portfolio eines Polizisten und einer Polizistin durch spezifische Fertigkeiten, je nachdem wo man eingesetzt wird. Auch dies ist ein Vorteil des Polizeiberufes: Jede und jeder bringt unterschiedliche Stärken und Interessen mit. Diese können dann im vielseitigen Polizeiberuf dort eingesetzt werden, wo sie auch zum Tragen kommen.
Möchtest du noch etwas Abschliessendes sagen?
Nebst dem, dass ich diesen Beruf jederzeit wieder ergreifen würde, ist mir auch bewusst, dass sich unsere Gesellschaft rasend schnell entwickelt und verändert. Dem müssen wir, als Gesellschaft, zwar offen, aber auch vorsichtig begegnen. Es stehen uns ganz komplexe und weitreichende Herausforderungen und Probleme bevor. Die Polizei befindet sich inmitten all dieser Spannungsfelder. Wir versuchen mitzuhelfen ein faires, soziales, straffreies und gerechtes Miteinander zu ermöglichen. Dazu braucht es Verständnis, Anstand, Respekt, Empathie, Toleranz und auch Dankbarkeit für das, was wir haben. Und zwar von allen Seiten!
Quelle: Luzerner Polizei
Bildquelle: Luzerner Polizei