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Kantonspolizei Bern: Dolmetscherinnen und Dolmetscher im Einsatz

Professionell, flexibel, belastbar und verschwiegen: Dolmetscherinnen und Dolmetscher haben vielfältige, klar definierte Pflichten.

Sie kommen zum Einsatz, wenn bei einer Befragung die Verständigung mit der befragten Person aufgrund sprachlicher Barrieren nicht möglich ist.

Ihre Arbeit ist entscheidend für die Kommunikation zwischen den Beteiligten. Die Autorin dieses Beitrages, Maria Neversil, gibt Einblicke in ihre Arbeit als Dolmetscherin bei der Kantonspolizei.

Nachdem ein Fahnder im letzten Blogbeitrag „Befragung trotz Sprachbarriere?“ von der Zusammenarbeit mit Dolmetschern/-innen berichtet hat, lassen wir in diesem Beitrag eine Dolmetscherin zu Wort kommen. Sie wird von der Kantonspolizei Bern beigezogen, wenn die sprachliche Verständigung bei einer Befragung nicht möglich ist.

Sprache vermitteln in der Strafverfolgung

Ob bei der Polizei, der Staatsanwaltschaft oder vor Gericht, Kontakte mit den Justizbehörden sind häufig mit Unsicherheit, Stress oder – je nach Herkunftsland der betroffenen Person – sogar mit Angst verbunden. Ist darüber hinaus die sprachliche Verständigung nicht möglich, wird die Situation noch belastender. Hier kommen Dolmetscher/-innen ins Spiel. Als Sprachvermittler/-innen überbrücken sie sprachliche Hürden zwischen den Beteiligten und stellen mit ihrer Kenntnis kultureller Unterschiede sicher, dass Spannungen vermieden werden. Ihre Aufgaben und ihre Pflichten sind dabei klar geregelt. Dolmetscher/-innen gewährleisten das in Artikel 68 StPO verankerte Recht auf Gehör in einer der befragten Person verständlichen Sprache und sichern die Kommunikation zwischen den Parteien. Zu diesem Zweck greifen die Justizbehörden auf ein Dolmetscherverzeichnis zurück. Neben ausgebildeten Dolmetschern/-innen enthält dieses auch Laien und Kapo-Mitarbeitende, die eine entsprechende interne Weiterbildung besucht haben.

Welche Pflichten haben Dolmetscher/-innen bei der Kantonspolizei Bern?

Die Aufgabe, bei einer Befragung bei der Polizei zu dolmetschen, bringt einiges an Verantwortung mit sich. Folglich haben Dolmetscher/-innen die unten beschriebenen Anforderungen zu erfüllen.

Neutralität

Dolmetscher/-innen sind weder Hilfspersonen der Polizei noch anderer Verfahrensbeteiligter. Für sie gelten dieselben Bestimmungen wie für Sachverständige. Sie werden zwar von der Behörde bestellt, sind aber neutral. Durch ihre Belehrung zu Beginn jeden Einsatzes wird auch für die einvernommene Person klargestellt, welche Pflichten Dolmetscher/-innen haben und dass eine wissentlich falsche Verdolmetschung strafrechtliche Folgen hat. Beim Aufgebot ist die Polizei verpflichtet, den Dolmetschern/-innen den Namen der betroffenen Person mitzuteilen, damit diese entscheiden können, ob sie allenfalls in den Ausstand treten müssen. Bei häufig gesprochenen Sprachen ist die Auswahl an Dolmetschern/-innen gross, benötigt man jedoch beispielsweise Tamilisch in Thun, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sich Dolmetscher/-in und befragte Person kennen. Bei seltenen Sprachen ist es somit umso wichtiger, den Grundsatz der Neutralität einzuhalten. Konkret heisst dies, dass Dolmetscher/-innen der befragten Person keine Ratschläge geben, direkt an sie gerichtete Fragen nicht beantworten, sondern für die befragende Person verdolmetschen und klar zu verstehen geben, dass sie als extern beigezogene Personen keine Auskunft erteilen dürfen. Was in der Theorie sehr einfach klingt, ist bisweilen nicht ganz so einfach. So müssen Dolmetscher/-innen in der Lage sein, beispielsweise bei Tötungsdelikten persönliche Ansichten auszublenden und sich nicht durch Sympathien oder Antipathien beeinflussen zu lassen. Besonders anspruchsvoll gestaltet sich die Wahrung der Neutralitätspflicht für Kapo-Mitarbeitende, wenn sie als Dolmetscher/-innen fungieren. Neutralität ist deshalb ein ständiger Balanceakt, der viel Selbstbeherrschung erfordert.

Professionalität

Die reibungslose Kommunikation zwischen den Beteiligten ist entscheidend für den guten und verzögerungsfreien Ablauf einer polizeilichen Befragung. Der Beizug von Dolmetschern/-innen führt zwangsweise dazu, dass Befragungen länger dauern, wobei eine qualitativ hochstehende Verdolmetschung ermöglicht, diese Verzögerung möglichst gering zu halten. Dolmetscher/-innen müssen somit sicherstellen, dass sie das erforderliche Vokabular und die Technik des Dolmetschens beherrschen. Je flüssiger die Verdolmetschung, desto rascher kommt die Befragung voran. Dialekte, Akzente und schlechte Grammatik können die Arbeit zusätzlich erschweren.

Bei seltenen Sprachen wie beispielsweise Igbo* ist eine Verdolmetschung oft gar nicht möglich, weil es an Dolmetschern/-innen fehlt. In diesen Fällen kann die befragte Person nicht in ihrer Muttersprache aussagen und muss auf eine Zweitsprache – beispielsweise Englisch – ausweichen. Unter Umständen beherrscht die befragte Person diese auch nur bedingt, was zu Herausforderungen bei der Verständigung führen kann.

Dolmetscher/-innen, die professionell auftreten, Vokabular und Dolmetschtechnik beherrschen und darüber hinaus mit den jeweiligen kulturellen Unterschieden vertraut sind, können Ruhe in eine Befragung bringen und der befragten Person die Sicherheit vermitteln, dass sie verstanden wird und ihre Rechte wahrnehmen kann.

Im Gegensatz zu Konferenzdolmetschern/-innen, die ihre Einsätze stunden- oder manchmal tagelang vorbereiten, erhalten Dolmetscher/-innen bei der Kapo im Voraus keine detaillierten Informationen über den genauen Inhalt einer Befragung. Dies wäre beispielsweise bei einer spontanen Anhaltung auch gar nicht möglich. Dolmetscher/-innen müssen bereits im Vorfeld mit dem fachspezifischen Vokabular vertraut sein. Ihre Arbeit beginnt und endet somit nicht mit einem Einsatz. Sie umfasst die themenspezifische Vorbereitung und das Führen und Aktualisieren von Glossaren. Auch müssen Dolmetscher/-innen imstande sein, beispielsweise einen Geschlechtsverkehr im Detail zu beschreiben, ohne zu erröten, oder deftige Fluchwörter korrekt zu wiederholen – hier heisst es, auf alles gefasst zu sein.

Verschwiegenheit und Belastbarkeit

Dolmetscher/-innen unterliegen den Art. 307 und 320 StGB: Sie sind nicht nur verpflichtet, wahrheitsgemäss zu dolmetschen, sondern müssen auch Stillschweigen über ihre Einsätze bewahren. Über diese Pflichten werden sie vor Beginn jedes Einsatzes belehrt. Verletzungen dieser Pflichten können strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Was in der Theorie einfach erscheinen mag, ist in der Praxis bisweilen schwierig, da Dolmetscher/-innen auch ohne Erwähnung von Namen nicht über Verfahren sprechen dürfen, die sie gedolmetscht haben. Es gibt aber Fälle und Bilder, die einem nicht aus dem Kopf gehen. Dolmetscher/-innen werden im Gegensatz zu Kapo-Mitarbeitenden nicht speziell für den Umgang mit belastenden Fällen geschult. Dafür müssen sie eigene Bewältigungsstrategien entwickeln. Hilfreich können beispielsweise Atem- und Meditationstechniken oder ein Austausch mit den involvierten Kapo-Mitarbeitenden sein. Belastend kann auch sein, wenn man nur punktuell zum Einsatz kommt und nicht erfährt, wie ein Verfahren ausgeht. Eine gute Art und Weise, mit einem schwierigen Fall abzuschliessen, ist für mich, wenn ich den Abschluss des Verfahrens dolmetschen und miterleben kann, wie der Gerechtigkeit im besten Falle Genüge getan wird, indem Opfer entschädigt und Schuldige bestraft werden.

Flexibilität

Von Dolmetschern/-innen wird – zu guter Letzt – grosse Flexibilität erwartet. Einsätze bei der Kapo können sich von einer Stunde auf die andere, nachts oder an Wochenenden ergeben. Die Dauer eines Einsatzes kann, da sie auch vom Aussageverhalten der befragten Person abhängt, nicht im Voraus bestimmt werden. Verweigert die befragte Person die Aussage, kann ein für einen ganzen Tag veranschlagter Einsatz unter Umständen bereits nach einer halben Stunde zu Ende sein oder, im gegenteiligen Fall, weit über die geplante Zeit hinausgehen. Da heisst es Nerven bewahren, Kinderbetreuung organisieren oder private Termine absagen. Darüber hinaus können Einsätze bei der Polizei an den unterschiedlichsten Orten – auch an Tatorten, in Gefängnissen oder in psychiatrischen Kliniken – stattfinden. Die Devise lautet somit: allzeit und überall bereit!

Zur Autorin

Maria Neversil ist eine in Bern ansässige dipl. Konferenzdolmetscherin, Übersetzerin und Dozentin am Masterstudiengang Konferenzdolmetschen an der ZHAW in Winterthur sowie am Gerichtsdolmetscherkurs in Bern. Darüber hinaus ist sie Mitglied der Fachkommission für das Dolmetschwesen der Generalstaatsanwaltschaft Bern. Seit 2000 ist sie freiberuflich tätig. Ihre Laufbahn hat sie bei diversen Institutionen der EU in Brüssel begonnen. Seit 2010 ist sie vor allem in der Schweiz tätig, wo sie für zahlreiche Bundesbehörden, Privatunternehmen und Festivals dolmetscht. Zu ihren Spezialgebieten gehören Recht, Medizin, Film und Kultur. Im Rahmen ihrer Tätigkeit für die Justizbehörden dolmetscht sie für den Europäischen Gerichtshof, das Bundesstrafgericht und die Bundesanwaltschaft. Für die Kantonspolizei Bern ist sie seit 2002 als Dolmetscherin tätig.

*Igbo ist eine Sprache, die von ungefähr 18 bis 25 Millionen Menschen hauptsächlich in Nigeria gesprochen wird. Sie gehört zu den Niger-Kongo-Sprachen.

 

Quelle: Blog der Kantonspolizei Bern
Titelbild: Symbolbild © Kinga – shutterstock.com

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