Shots Fired, Shots Fired: Schusswaffen-Einsätze der Polizei – Schweiz vs. USA
„Shots fired, shots fired“, so sagen Polizeibeamte in den USA den Einsatz von Schusswaffen an.
Vergleichen wir die Anzahl der Ereignisse mit Schussabgaben proportional zur Bevölkerung zwischen den USA und der Schweiz, so ergeben sich gewaltige Unterschiede.
Woher kommt es, dass Polizistinnen und Polizisten in den USA so viel häufiger zur Schusswaffe greifen? Sind Schweizer Polizeibeamte besser? Leben wir in der Schweiz in einer sichereren Umgebung?
Dieser Fachbeitrag wurde vom Polizei.news-Partner SIBS (Schweizerischer Interessenverband
des bewaffneten Sicherheitsgewerbes) zur Verfügung gestellt.
Schiessfreudige US Polizistinnen und Polizisten
In den USA kamen im Jahr 2019 15’500 Menschen durch Schusswaffen zu Tode. Dies sind gerechnet auf die US Bevölkerung 0.005%. In der Schweiz waren im selben Zeitraum 34 Todesfälle zu beklagen, gerechnet auf die Bevölkerung 0.0004%. In diesen Zahlen sind die Todesfälle durch Suizid nicht inbegriffen. Das heisst, dass die Anzahl der Toten durch Schusswaffeneinsatz in den USA 12 mal höher ist als in der Schweiz.
Vergleichen wir den Schusswaffeneinsatz durch Polizeibeamte in den beiden Ländern ergibt sich ein noch eindeutigeres Bild. Im Jahr 2019 kam es in den USA zu 49’900 Einsätzen mit Schusswaffen durch die Polizei. Dies entspricht 0.15% bezogen auf die Bevölkerung. In der Schweiz waren es 15 Einsätze, gerechnet auf die Bevölkerung 0.0002%. Die US Polizei setzt also 872 mal mehr Schusswaffen ein als die Schweizer Polizei.
Die vorliegenden Zahlen bestätigen das Bild, das wir in der Schweiz von den Polizeibehörden in den USA haben. Wo liegen die Ursachen für den häufigeren Waffeneinsatz? Es ist schwierig, eindeutige kausale Zusammenhängen zwischen Ursachen und Wirkungen herzustellen. Gewisse Annahmen drängen sich jedoch auf.
Unübersichtliche Strukturen
Die Durchsetzung von Recht und Ordnung obliegt in den USA einer ganzen Anzahl von Stellen. Da ist einmal die Bundespolizei. Es gibt dann im Weiteren Beamte, die durch Städte beschäftigt sind, die Sheriffs der Counties, die State Trooper, die Constables und unzählige Polizeikorps von Universitäten und Spitälern und anderen öffentlichen und privaten Stellen. Die verschiedenen Korps unterscheiden sich in Bezug auf ihre Kompetenzen und ihre regionalen Vollmachten. Sie werden teilweise von den Bürgerinnen und Bürgern gewählt oder stehen im öffentlichen Dienst und sind als Beamte besoldet.
Die Aufsplitterung der polizeilichen Behörden hat Folgen. In 25% der Fälle sind Beamte bei ihren Einsätzen zumindest zu Beginn allein und werden erst später durch Kolleginnen und Kollegen unterstützt. Es liegt auf der Hand, dass Soloeinsätze fordernder und potentiell gefährlicher sind als Einsätze zu zweit oder in einem Team. Die Wahrscheinlichkeit einer Schussabgabe ist bei Soloeinsätzen signifikant höher.
In Folge der Weiträumigkeit ländlicher Gebiete sind die Interventionszeiten in den USA teilweise deutlich länger als in der Schweiz. In ländlichen Gebieten sind Opfer von Gewalt während der ersten 45 Minuten häufig auf sich gestellt.
Wie gut ist die Ausbildung von US Polizistinnen und Polizisten?
Die Frage nach dem Niveau der Ausbildung von Polizistinnen und Polizisten kann nicht generell beantwortet werden. Die Ausbildung hängt davon ab, in welchem Bundesstaat wir uns befinden und von welcher Art von Polizeikorps die Rede ist. Demokratisch gewählten Sheriffs sind oft selber für ihre Ausbildung verantwortlich. Die Ausbildungsdauer variiert je nach Korps und Bundesstaat stark zwischen regelrechten Schnellbleichen und ausführlichen Ausbildungen, die sich durchaus auf Schweizer Niveau bewegen. Ebenfalls unterschiedlich ist der Wert, der auf das Vermitteln von Fertigkeiten zur Deeskalation gelegt wird.
Die Ausbildung hat unter anderem auch einen Einfluss darauf, wie viele Schüsse jeweils abgefeuert werden. Zum Teil wird die Taktik ‘je mehr, desto besser’ vermittelt, zum Teil die Taktik ‘2 bis 3 Schuss, Kontrolle der Wirkung, allenfalls weitere Schussabgabe’. Logischerweise stehen die Todesfolgen einer Schussabgabe in engem Zusammenhang mit der Anzahl der abgefeuerten Schüsse.
Ein alter Hut: Stärkere Verbreitung von Schusswaffen
Dass die Verbreitung von Schusswaffen in den USA signifikant grösser ist als in der Schweiz steht ausser Frage. Das Spektrum in Bezug auf Waffengesetze bewegt sich zwischen dem ultraliberalen Nevada und Kalifornien, dessen Waffengesetz restriktiver ist als das Schweizerische. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Schweizer Beamtin oder ein Beamter bei einer Verkehrskontrolle auf einen Waffenträger trifft ist unwahrscheinlich, in den USA ist sie häufig. Nicht einfacher wird die Situation dadurch, dass viele US Bürger Waffen verdeckt tragen dürfen (‘concealed carry’). Als Beamtin oder als Beamter weiss ich nie so recht, ob jemand zum Fahrausweis oder zur Social Security Card oder zur Waffe greift…
Die Bereitschaft, eine Waffe einzusetzen, ist bei Kriminellen in den USA deutlich höher als in der Schweiz. Einbrecher sind beispielweise in der Schweiz nur selten bewaffnet, in die USA sind sie es häufig. Die Haltung ‘wer zuerst schiesst gewinnt’ ist in den USA verbreitet, unter Privatpersonen und bei der Polizei.
Tüchtige, kompetente Polizeikorps in einem sicheren Land
Insgesamt können wir uns glücklich schätzen, in der Schweiz auf der einen Seite in sicheren Verhältnissen zu leben und auf der anderen Seite über gut ausgebildete, nicht nur fachsondern auch sozialkompetente Polizeikorps zu verfügen.
Was wir besser unterlassen sind Pauschalurteile über die amerikanische Polizei. Das ‘law enforcement’ in den Vereinigten Staaten ist ein kompliziertes, facettenreiches Gebilde mit verschiedensten Mitwirkenden und Einflussfaktoren.
Dieser Fachbeitrag wurde vom Polizei.news-Partner SIBS (Schweizerischer Interessenver-band
des bewaffneten Sicherheitsgewerbes) zur Verfügung gestellt.
Quellen: Bundesamt für Statistik, National Police Foundation
Titelbild: Symbolbild © Atlantist Studio – shutterstock.com