Eingreifen, bevor etwas passiert: Kapo St. Gallen als Anlaufstelle bei Gewalt an Frauen

Nach Angaben der Kantonspolizei St. Gallen kam es im Jahr 2022 zu 1.400 Fällen häuslicher Gewalt, mehr als ein Drittel der Vorkommnisse waren strafrechtlich relevant. Im Dezember 2023 machte die Aktion „16 Tage gegen Gewalt an Frauen“, an der sich verschiedene Institutionen beteiligten, auf das wichtige Thema aufmerksam.

Wie und wo Betroffene Hilfe bekommen und wie die Polizei unterstützt, erfahren Sie im folgenden Artikel.



Was versteht man unter häuslicher Gewalt?

Zwischen der gewaltausübenden Person und dem Opfer besteht bei häuslicher Gewalt eine emotionale Bindung. Es handelt sich um Fälle, in denen innerhalb einer Partnerschaft oder einer Familie körperliche, psychische oder sexuelle Gewalt ausgeübt wird. Die Taten finden in der Regel in der eigenen Wohnung statt – also dort, wo die Opfer sich eigentlich sicher fühlen sollten. Es handelt sich üblicherweise nicht nur um einen Vorfall, vielmehr wird die Gewalt über einen längeren Zeitraum ausgeübt.

Auch Verhalten, das darauf abzielt, Kontrolle über eine Person auszuüben und diese in ihrem Willen einzuschränken, ist ein Fall häuslicher Gewalt. Im schlimmsten Fall werden Kontakte verboten und Betroffene eingesperrt.


Nicht in jedem Fall sind die Spuren häuslicher Gewalt sichtbar. (Bild: Megan Audette – shutterstock.com)

Aktionstage zur Gewalt an Frauen

Bei den Aktionstagen im vergangenen Jahr stand vor allem die Bitte um Meldung der Vorfälle im Fokus. Geschlechterspezifische Gewalt findet oftmals im Verborgenen statt. Beleidigungen, Erniedrigungen oder auch Stalking und Morddrohungen gelten als psychische Gewalt, die von aussen leider oftmals nicht sichtbar ist.

Die betroffenen Personen sind vom Täter abhängig, eingeschüchtert und haben Angst, sich Hilfe zu suchen. Polizei und Beratungsstellen bitten daher, Freunde, Nachbarn oder Verwandte, entsprechende Verdachtsfälle zu melden. Es geht darum, unsichtbare Gewalt sichtbar zu machen. Wenn der Polizei die Vorkommnisse bekannt sind, kann gezielt Unterstützung angeboten werden.

Was können von Gewalt betroffene Personen tun?

In einer akuten Gewaltsituation sollte die Polizei unter dem Notruf 117 kontaktiert werden. Die Mitarbeitenden der Polizei können bei einer Bedrohung sofort einschreiten und entsprechende Massnahmen ergreifen. Unter Umständen wird der Täter der Wohnung verwiesen oder es wird ihm verboten, bestimmte Gebiete zu betreten.

Möglicherweise bereiten Betroffene den Weggang aus der gemeinsamen Wohnung vor. In diesen Fällen hilft es, eine Tasche mit allem Wichtigen zu packen und auch persönliche Sachen wie Bankkarte, Identitätskarte und andere Dinge mitzunehmen. Frauenhäuser in der Nähe des Wohnorts können in diesen Fällen unterstützen. Unter Umständen gibt es auch eine Vertrauensperson, die bei diesem wichtigen Schritt hilft.

Gemeinsam mit einer Opferberatungsstelle können die nächsten Schritte geplant werden.

Folgende Institutionen helfen bei häuslicher Gewalt:


Frauenhäuser bieten Unterstützung bei häuslicher Gewalt. (Bild:Monkey Business Images – shutterstock.com)

Was tut die Polizei bei häuslicher Gewalt?

ie Kapo St. Gallen handelt nach den Vorgaben des Polizeigesetzes St. Gallen. In Artikel 43 geht es um Anordnungen bei häuslicher Gewalt und Schutz gegen Drohungen oder Stalking. Folgende polizeiliche Massnahmen sind denkbar:

  • Wegweisung aus der Wohnung bei häuslicher Gewalt
  • Aussprechen eines Betretungsverbots für die Wohnung
  • Aussprechen eines Annäherungsverbots
  • Kontaktaufnahmeverbot

Die Eigentumsverhältnisse spielen bei einer Wegweisung keine Rolle. Die Polizei kann bei ernsthaften Gefährdungen oder Bedrohungen eine Wegweisung anordnen, so ist es auch denkbar, dass ein Mieter oder Wohnungseigentümer von der Polizei aus der Wohnung verwiesen wird.

Die Wegweisung gilt zunächst für einen Zeitraum von 14 Tagen. Von Gewalt betroffene Personen sollten innerhalb dieser Zeit gemeinsam mit einer Opferberatungsstelle das weitere Vorgehen planen. Die Polizei informiert nach einer ausgesprochenen Verfügung die Opferhilfe, sie sich mit der betroffenen Person in Verbindung setzt.

In bestimmten Fällen ist Verlängerung der polizeilichen Anordnung denkbar. Das muss die gefährdete Person beim zuständigen Kreisgericht beantragen.

Die weggewiesene Person darf nicht zurückkehren, solange die von der Polizei ausgesprochene Anordnung in Kraft ist. Benötigt die Person etwas aus der Wohnung, ist das Betreten nur in Gegenwart der Polizei möglich.

In bestimmten Fällen kann die gewaltbereite Person auch von der Polizei in Gewahrsam genommen werden. Denkbar ist das bei wiederholter Gewaltausübung oder wenn die Person unter Drogen- oder Alkoholeinfluss steht.


In bestimmten Fällen kann die Polizei die Gewalt ausübende Person in Gewahrsam nehmen. (Bild: Gorodenkoff – shutterstock.com)

Was können Aussenstehende tun?

Aussenstehende, die Fälle von häuslicher Gewalt beobachten, besprechen sich idealerweise zunächst mit anderen Personen, ob diese eventuell ähnliche Beobachtungen gemacht haben. Handelt es sich um eine akute Bedrohungssituation, sollte nicht selbst eingegriffen werden, sondern die Polizei kontaktiert werden.

Unter Umständen ist ein Gespräch mit der von Gewalt betroffenen Person hilfreich. In einem Gespräch können Aussenstehende auf Hilfsangebote hinweisen und anbieten, den Betroffenen dorthin zu begleiten.

Anlaufstelle Bedrohungs- und Risikomanagement der Kapo St. Gallen

Wenn es um proaktiven Gewaltschutz und Interventionen im häuslichen Bereich geht, ist das BRM der Kapo St. Gallen zuständig. Die Profis der spezialisierten Abteilung prüfen die Fälle und vernetzen sich bei Bedarf mit anderen Fachabteilungen. Entscheidend ist, dass Gefahren und Risiken möglichst frühzeitig erkannt werden und schwere Gewalttaten verhindert werden. Bei der Kapo St. Gallen gibt es das BRM bereits seit 2018, inzwischen kümmern sich sieben Mitarbeitende um die Gewaltprävention.

Privatpersonen haben nicht die Möglichkeit, sich direkt an die Fachabteilung zu wenden. Vielmehr dient die Polizeistation als Anlaufstelle. Die Mitarbeitenden ziehen das BRM hinzu, sofern das notwendig erscheint.

 

Titelbild: HTWE – shutterstock.com

Für St.Gallen

Publireportagen

Empfehlungen

MEHR LESEN