Kapo Wallis: Zentralisieren oder dezentralisieren der Sicherheitskräfte

Der Föderalismus wird in unserem Land oft in Frage gestellt. Einige sehen darin ein völlig veraltetes System, das zur Bewältigung der zahlreichen Herausforderungen einer modernen Gesellschaft und der Kriminalitätsentwicklung ungeeignet ist.

Für die Gegner des Föderalismus ist es eine Täuschung zu glauben, dass eine dezentrale Organisation der Ordnungskräfte zu einer effektiven Verbrechensbekämpfung beiträgt. Nur eine konsequente Zentralisierung der Ressourcen und der Befehlskette würde den Erfolg garantieren.

In der Schweiz wird immer wieder über die Zentralisierung und Dezentralisierung der Sicherheitskräfte debattiert, vor allem dann, wenn ein wichtiges Ereignis nicht optimal bewältigt wurde. Wie bei jeder menschlichen Aktivität gibt es aber auch im Bereich der Sicherheit keine ideale Organisation. Wenn wir das effektivste Sicherheitssystem für ein Land festlegen wollen, müssen wir uns meiner Meinung nach auf Pragmatismus konzentrieren und die kulturellen und historischen Gegebenheiten berücksichtigen.

Die Zentralisierung erfordert die Konzentration der Befugnisse in den Händen einer hochhierarchischen Befehlskette mit wenig Delegation. Einige grosse Nachbarstaaten haben sich für diese Funktionsweise entschieden. Der Hauptvorteil eines solchen Systems liegt darin, dass alle verfügbaren Einsatzkräfte auf Entscheid einer einzigen Behörde rasch eingesetzt werden können.

Diese Konzentration von Ressourcen kann die Reaktionsfähigkeit auf schwerwiegende Ereignisse zweifellos verbessern. Der Nachteil eines solchen Sicherheitskonzeptes liegt jedoch darin, dass die Entscheidungsbefugnis oft weit weg vom Ort des Geschehens und seinen Bedürfnissen ist. Die strategische Leitung der Operationen trifft ihre Entscheidungen auf der Grundlage von Berichten oder Informationen, die ihr übermittelt werden und die zuvor von verschiedenen zentralen Stellen geprüft wurden. Es besteht dann die grosse Gefahr, dass eine schlechte Einschätzung der Situation zu einem unverhältnismässigen oder den Umständen unangemessenen Einsatz führt.

Eine dezentral verwaltete Sicherheit, wie wir sie in der Schweiz kennen, ist das Gegenteil von diesem Konzept. Bürgernähe bedeutet, dass die Polizeikräfte in der Bevölkerung arbeiten, indem sie auf ihre Anliegen eingehen. Dies ist die aktuelle Realität der Schweizer Polizeikorps, die die innere Sicherheit des Landes gewährleisten. Wie in jeder Organisation gibt es aber auch hier Schwachstellen. Die Hauptschwäche des dezentralen Systems liegt in der Schwierigkeit, Ereignisse von grosser Bedeutung zu bewältigen, die die Kräfte des oder der betroffenen Kantone ausschöpfen. Diese Einsätze erfordern ein hohes Mass an Koordination mit besonders grossen Polizeikräften, die derzeit oft fehlen.

Ich meinerseits habe die Wahl zwischen einem zentralen oder dezentralen Sicherheitsansatz für unser Land getroffen. Zweifellos ist der zweite zu bevorzugen. Er allein garantiert eine echte bürgernahe Polizei und ermöglicht, Polizeikräfte zu haben, die den Bürgern zuhören und jeden Winkel des Gebiets kennen, in dem sie handeln.

Sicherlich kann die Verteilung der Kräfte zu Doppelspurigkeiten führen, aber was sind diese Nachteile im Hinblick auf das privilegierte Band, das Polizeibeamte heute mit ihren Mitbürgerinnen und Mitbürgern verbindet?

Ausserdem haben die Polizeikräfte der verschiedenen Kantone seit mehreren Jahren besonders effektive interkantonale Abkommen entwickelt, die wichtige Synergien im Bereich der Ausbildung und des Einsatzes fördern. Die Interoperabilität zwischen den verschiedenen Schweizer Polizeikorps wurde dadurch stark verbessert. Denken wir nur an die interkantonalen Einsätze im Bereich des Ordnungsdienstes oder auf gerichtspolizeilicher Ebene. Sicherlich wird die Entwicklung der Kriminalität und unserer Gesellschaft uns immer wieder zwingen, uns an neue Herausforderungen anzupassen. Eine dezentrale Organisation wird aber gerade diese Reaktionsfähigkeit stets ermöglichen.

Abschliessend lässt sich sagen, dass der Föderalismus die Stärke unseres Landes insbesondere im Bereich der inneren Sicherheit ausgemacht hat. In Zukunft wird man sicherlich dynamischer darüber nachdenken müssen, aber das Wesentliche darf nicht in Frage gestellt werden. Anstatt die Polizeikräfte zu zentralisieren, wird es notwendig sein, ihre Interoperabilität weiter zu stärken. Dieser pragmatische Ansatz entspricht sehr wohl am besten unserer Sicherheitskultur und den Erwartungen der Schweizer Bevölkerung an ihre Ordnungskräfte.


Christian Varone / Kommandant der Kantonspolizei Wallis

 

Quelle: Kantonspolizei Wallis
Bildquelle: Kantonspolizei Wallis

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