Kapo St.Gallen: Cyber-Strafverfolgung effizienter gestalten – so funktionierts!
Cyberkriminalität ist längst nicht mehr das Randthema von gestern – sie ist heute eine der grössten Herausforderungen für die Strafverfolgung.
Auch im Kanton St.Gallen spitzt sich die Lage zu und die steigenden Fallzahlen fordern neue Wege in der Ermittlungsarbeit. Gemeinsam setzen die Kantonspolizei St.Gallen und die Staatsanwaltschaft des Kantons St.Gallen auf gezielte Priorisierung und smarte Prozessoptimierung, um der digitalen Kriminalität wirkungsvoll zu begegnen.
Die Anzahl der Cyberdelikte (sogenannte digitale Kriminalität) hat in den letzten Jahren nicht nur im Kanton St.Gallen kontinuierlich zugenommen, sondern belastet die Strafverfolgungsbehörden in der ganzen Schweiz mehr oder weniger stark.
Im Kanton St.Gallen hat die Gesamtzahl der Cyberdelikte im Jahr 2023 gegenüber dem Vorjahr mit 2’575 Fällen um insgesamt 16 Prozent zugenommen. Die aktuelle Einschätzung dieser Entwicklungen zeigt auch in den kommenden Jahren weiterhin einen kontinuierlichen Aufwärtstrend. Deshalb erstaunt es nicht, dass sich für das Jahr 2024 ein neuer Höchststand abzeichnet, welcher die bisherigen Entwicklungstendenzen stark übertrifft.
Die zahlenmässige Entwicklung der Cyberdelikte beansprucht die begrenzten Ressourcen innerhalb der Regional- und Kriminalpolizei sowie der Staatsanwaltschaft gleichermassen. Die föderale Struktur der Schweiz stellt im digitalen Zeitalter und der damit einhergehenden Massenkriminalität verschiedene Herausforderungen dar. Zudem bestehen auch innerhalb der Kantone vermehrt Schwierigkeiten, den steigenden Fallzahlen mit geeigneten Massnahmen sinnvoll, effizient und effektiv entgegenzuwirken (Fokusbericht vom 31. Dezember 2022: Herausforderung Cybercrime). Letztlich ist die Strafverfolgung als Verbundaufgabe zwischen Kantonspolizei und Staatsanwaltschaft zu verstehen, weshalb die auftretenden Herausforderungen nur mit gegenseitiger Unterstützung und Koordination angegangen werden können. Aus diesen Gründen haben die Kantonspolizei St.Gallen und die Staatsanwaltschaft des Kantons St.Gallen im Herbst 2022 entschieden, gemeinsam das Projekt „Triage und Bearbeitung Cyberdelikte“ zu lancieren.
Das interdisziplinär zusammengesetzte Projektteam aus Vertretenden der regionalen und kantonalen Staatsanwaltschaft sowie Mitarbeitenden verschiedener Abteilungen der Kantonspolizei St.Gallen erarbeitete in mehreren Workshops die notwendigen Grundlagen. Dabei stellte sich heraus, dass für die zukünftige Bearbeitung und allfällige nachfolgende Ermittlung bei Cyberdelikten zwangsläufig eine Fall-Triage und damit eine Priorisierung notwendig ist. Mit der Triage wird der Fokus besonders auf jene Delikte gerichtet, bei welchen der potenzielle Ermittlungserfolg am grössten eingeschätzt wird oder serielle Zusammenhänge erkannt werden können. Zudem wird den Mitarbeitenden mit einer zielgerichteten Befähigung Rechnung getragen, sodass der Umgang mit der noch relativ jungen, aber sich sehr rasch entwickelnden Disziplin der digitalen Kriminalität keine Unsicherheiten mehr auslöst.
Der bestehende Prozessablauf von der Anzeigenentgegennahme über die Datenerfassung im polizeilichen Rapportierungssystem bis zur weiteren Ermittlung wurde grundlegend überdacht und datenorientiert gestaltet. Dies bedeutet, dass bei der Entgegennahme einer Anzeige der Schwerpunkt auf die durch die Täterschaft verwendeten digitalen Tatmittel wie E-Mail-Adressen, Rufnummern, Bankverbindungen (IBAN), IP-Adressen sowie weitere digitale Spuren gelegt wird. Die Mitarbeitenden der Kantonspolizei St.Gallen werden bei der Rapportierung der Fälle unterstützt, indem der Erfassungsvorgang vereinfacht wurde. Dies geschieht beispielsweise durch den Verzicht auf unnötige und ausschweifende Texte. Des Weiteren werden die Geschädigten bei der Anzeigeerstattung auf eine Erfassungsmaske, den sogenannten Online-Fragenkatalog, verwiesen. Darauf werden die anzeigeerstattenden Personen zur Erfassung von weiterführenden Fallinformationen motiviert. Im Gegenzug erhalten die betroffenen Personen ein Merkblatt der Kantonspolizei St.Gallen mit Handlungsempfehlungen und Präventionstipps. Diese Handlungsempfehlungen sollen die Geschädigten dabei unterstützen, die richtigen Massnahmen in ihrer Zuständigkeit aufzugleisen, um einen finanziellen Schaden möglichst zu vermeiden. Dies kann beispielsweise durch eine umgehende Information an die Hausbank geschehen, sodass inkriminierte Überweisungsvorgänge zeitnah gestoppt werden können.
Anfang März 2024 wurde die sechsmonatige Pilotphase gestartet, die bereits nach kurzer Zeit positive Entwicklungen zeigte. Auch wenn sich die neuen Abläufe zu Beginn noch einspielen mussten, konnte die Arbeitslast bei den Sachbearbeitenden durch die vereinfachte Rapportierung spürbar reduziert werden. Die Anzahl der Cyberdelikte im Kanton St.Gallen hat sich in den ersten sieben Monaten des Jahres 2024 gegenüber der gleichen Vorjahresperiode zwar mehr als verdoppelt, aber dennoch lässt sich dies in der Arbeitslast der Mitarbeitenden nicht feststellen.
Fazit
Mit der zentralen Triage von Cyberdelikten wurden ineffiziente Abläufe beseitigt und die weiteren Ermittlungshandlungen anhand serieller Zusammenhänge sowie erfolgsversprechender Ermittlungsansätze koordiniert. Dieses Vorgehen stärkt die erkenntnisbasierte Polizeiarbeit (Fokusbericht vom 31. Dezember 2022: Die Entwicklung der Polizei hin zu Intelligence-led Policing) massgeblich, wobei die Staatsanwaltschaft dabei ein wichtiger und zentraler Partner ist.
Das Projekt zeigt eindrücklich auf, dass eine effiziente und effektive Cyber-Strafverfolgung möglich ist, ohne Abstriche in der geforderten Qualität der polizeilichen Ermittlungen und staatsanwaltschaftlichen Untersuchung hinnehmen zu müssen. Die Entflechtung schwerfälliger Abläufe und die Zentralisierung entsprechender Fachkompetenzen sind nebst einer datenorientierten Ermittlung beziehungsweise Untersuchung essenziell, um den steigenden Fallzahlen wirkungsvoll entgegentreten zu können.
Zentrale Erfolgsfaktoren in der Cyber-Strafverfolgung sind die enge Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft sowie die Fallbetrachtung über einen flächenmässig grösstmöglichen Kriminalitätsraum. Dies ist gerade in der föderalistischen Schweiz enorm wichtig.
Quelle: Kantonspolizei St.Gallen
Titelbild: Symbolbild © Kantonspolizei St.Gallen