St.Gallen: Brandermittler, Forensiker, Spürhunde – die Jagd auf Feuerteufel
„Ratlos stehen sie da, die Ermittler“, denkt sich der Brandstifter, der sich unter die Schaulustigen gemischt hat und auf den Stockzähnen grinst. Doch weit gefehlt! Die Ermittler wissen genau, was folgen muss – das volle Programm! Nur so können sie den unscheinbaren Brillenträger mit Seitenscheitel, die junge Joggerin mit auffällig desinteressierter Miene oder den eifrigen Brandplatz-Helfer als Verdächtige in den Fokus nehmen. Und wer weiss, vielleicht war es ja sogar der engagierte Feuerwehrmann selbst, der das Gebäude Minuten zuvor in Flammen gesetzt hat.
Wie in einem Krimi könnte es auch der Gärtner, die Lehrerin oder die Chefin eines Logistikunternehmens gewesen sein. Die Ermittlerinnen und Ermittler der Kantonspolizei St.Gallen lassen sich jedoch nicht so leicht täuschen.
Ein Gebäude brennt! Sofort sind die Mitarbeitenden zahlreicher Abteilungen und Sonderfunktionen der Kantonspolizei St.Gallen gefordert. Es beginnt bei den uniformierten Polizistinnen und Polizisten, welche die anfangs kaum überschaubare Lage in den Griff bekommen und erste Beobachtungen festhalten. Die Führungsunterstützung fährt mit dem Einsatzleitfahrzeug vor, richtet den Führungsstandort ein und hält mit den Entscheidungsträgern Lagebesprechungen ab. Dann kommen die Forensiker ins Spiel, die akribisch nach Spuren und Hinweisen auf die Brandursache suchen. Währenddessen hilft die Ermittlungsunterstützung mit ihrer analytischen Herangehensweise auf der Suche nach der „Nadel im Heuhaufen“. Aber am Ende sind es die Ermittlerinnen und Ermittler des Spezialdienstes, die das Puzzle aus vielen kleinen Indizien zusammensetzen müssen, um ein schlüssiges, gerichtsverwertbares Bild zu zeichnen. Eines ist klar: Wenn wichtige Puzzleteile fehlen, werden sie scheitern.
Herkömmliche Ermittlungen – Handarbeit, die zählt
Schon bei Wagners „Ring des Nibelungen“ starb Brünhilde in den Flammen, die sie selbst entzündet hatte. Brandstiftung ist für die Täterschaft oft nicht minder gefährlich und nicht selten tragen sie frische Brandspuren davon. Doch gerade im Zeitalter der Digitalisierung darf klassische Ermittlungsarbeit, wie das Beobachten oder Befragen von Zeugen, nicht vernachlässigt werden. „Soll ich wirklich über den Ricken fahren oder warte ich erstmal die Berichte ab? Ich kann den Brandort doch auch auf Google Maps sehen“, könnte man sich denken. Aber Google Maps beantwortet keine Fragen – die aufmerksame Kioskfrau hingegen schon. Vielleicht hat sie eine Person gesehen, die sich verdächtig verhalten hat. Vielleicht hat aber auch der Hauswart Feststellungen gemacht, die für die weiteren Ermittlungen von Bedeutung sein könnten. Es gilt: Man muss die Leute fragen.
Die Abteilung Brand und Spezialfälle (BSF) – Experten für knifflige Fälle
Eine zentrale Rolle bei der Brandermittlung spielt auch die Abteilung Brand und Spezialfälle (BSF) des Kompetenzzentrums Forensik der Kantonspolizei St.Gallen. Deren Einsatz beginnt oft mit einem kurzen, aber entscheidenden Funkspruch: „Bitte BSF aufbieten.“ Am Brandort angekommen, analysieren diese Spezialistinnen und Spezialisten sofort die Lage, prüfen das verfügbare Bildmaterial und versuchen, den Brandausbruchsort zu lokalisieren. Vor allem bei Grossbränden ist es entscheidend, frühzeitig zu klären, welche Gebäudeteile erhalten werden müssen und welche bei Bedarf abgebrochen werden können. Die Feinarbeit beginnt, sobald der Brandausbruchsort eingegrenzt ist: Welche Spuren stammen vom Feuer, welche vom Löschvorgang? Fehlt etwas oder lässt sich etwas finden, das auf eine Brandstiftung hindeutet?
Vom Grossen ins Kleine – akribische Spurensuche
Für die Arbeit im BSF ist es unabdingbar, über das nötige Fachwissen zu den vorhandenen Installationen, Geräten und Gegenständen im Brandobjekt zu verfügen, damit mögliche Ursachen ins Auge springen. Technisches Wissen und die praktische Erfahrung aus rund 130 bis 150 Bränden pro Jahr helfen ihnen dabei. Brandursachen werden häufig nach dem Ausschlussverfahren ermittelt: Zu Beginn kommen alle möglichen Ursachen in Frage, die dann Schritt für Schritt entweder ausgeschlossen oder weiterverfolgt werden.
Manchmal müssen Geräte oder Teile davon ins Labor gebracht werden, um mittels Zerlegung oder gar einer Röntgenuntersuchung verborgene Schäden oder Ursachen zu finden. Auch Brandschutt wird sichergestellt, wobei die Unterstützung der Brandmittelspürhunde der Kantonspolizei St.Gallen eine grosse Hilfe ist. Sie können selbst in verkohltem Material noch Rückstände von Brandbeschleunigern finden.
Die feine Nase der Brandmittelspürhunde
Für uns Menschen riechen Brandbeschleuniger unangenehm, doch die Brandmittelspürhunde der Kantonspolizei St.Gallen lieben diesen Geruch – aus gutem Grund. Die Hunde lernen, dass es die grösste Freude ist, diese Stoffe zu finden und dafür belohnt zu werden. Sie zeigen punktgenau an, wo Spuren von Brandbeschleunigern zu finden sind, selbst wenn diese verbrannt sind. Die Schwierigkeit besteht darin, dass sie ähnliche Gerüche wie die von Plastik oder Dämmstoffen ignorieren müssen, die für die Ermittlungen irrelevant sind.
Befundbewertung – Spuren deuten
Zurück zur Forensik: Nach der Spurensicherung erfolgt die Bewertung der Befunde. Vielleicht zeigt eine unsachgemässe elektrische Installation, warum ein Brand ausbrach. Vielleicht kann der BSF eine laienhaft ausgeführte Installation im Bereich einer Abzweigdose nachweisen. Steht somit fest, dass der Brand durch diese unsachgemäss ausgeführte Elektroinstallation ausgebrochen ist? Nein, ganz so einfach ist es nicht. Es ist ein Teil der Aufgabe, diese Befunde zu bewerten, also zu beurteilen, ob die gefundenen Spuren ein schlüssiges und widerspruchsfreies Bild ergeben. Tatsächlich bleibt am Ende oftmals mehr als eine mögliche Brandursache übrig.
Noch ein Brand – oder reicht es für den Zugriff?
Stellen wir uns eine Krimi-Szene vor: In einem beschaulichen Wohnviertel brennt es innerhalb einer Woche zum dritten Mal. Die Ermittlung steht vor der Herausforderung, den nächsten Brand zu verhindern und zugleich den Feuerteufel zu fassen, damit keine weiteren Brände mehr gelegt werden. Bei solchen Brandserien werden Ermittlerinnen und Ermittler manchmal dazu gezwungen, Geduld walten zu lassen, bis der Täter oder die Täterin den entscheidenden Fehler macht. Dieses Abwarten widerstrebt aber jedem Ermittler und jeder Ermittlerin, da die Abwehr der Brandgefahr und somit der Schutz von Leib, Leben und Güter immer im Zentrum steht.
Auch dann, wenn damit zu rechnen ist, den Brandstifter vielleicht nie fassen zu können. Das Hauptziel bei Brandermittlungen ist es, aus den gesammelten Mosaiksteinchen ein gerichtsverwertbares Gesamtbild zu erstellen, so dass es für den Brandstifter Zeit wird, sich auf einen längeren Aufenthalt im „Hotel Gitterblick“ einzustellen. Als Reisebüro für diese ungeplante Auszeit fungieren gemeinsam die Ermittlerinnen und Ermittler, die Forensik und die Hundeführer mit ihren Brandmittelspürhunden.
Ebenfalls ein wichtiger Teil des erfolgreichen Ensembles ist die Uniformpolizei, welche bei einem Brandausbruch jeweils rasch vor Ort ist und unzählige entscheidende Puzzleteile sichert. Hinzu kommen die Zivilfahnder, welche wochenlang diskrete Abklärungen getätigt haben, die Interventionseinheit, welche letztendlich für die Festnahme beigezogen wurde sowie all die vielen weiteren Akteure im Zusammenspiel der polizeilichen Disziplinen.
Quelle: Kantonspolizei St.Gallen
Bildquellen: Bild 1: => Symbolbild © Kantonspolizei St.Gallen; sonstige Bilder: => siehe Bildlegenden