Kantonspolizei Graubünden: Handyortung bei Vermissten – was wirklich möglich ist
In den Unterhaltungsmedien wird oft ein Bild vermittelt, welches mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt. Die Polizei kann in vielen Filmen oder Serien einfach per Knopfdruck das Mobiltelefon einer Person orten sowie dessen Inhalt abrufen.
In der realen Welt funktioniert das leider nicht so. Was ist überhaupt möglich?
Eine reelle Geschichte
Ein Mann, wir nennen ihn Max, geht im Frühjahr alleine auf eine Wandertour und verabschiedet sich am Morgen von seiner Frau. Bis am Nachmittag will er wieder zurück sein. Kurz nach dem Mittag sendet Max noch eine WhatsApp mit einem Selfie-Bild auf einem Gipfel. Der Nachmittag verstreicht und die Abenddämmerung kündigt die kommende Nacht an. Der wanderlustige Max ist jedoch noch nicht zurückgekehrt. Seine Frau macht sich langsam Sorgen und versuchte mehrmals auf das Mobiltelefon anzurufen.
Nach fünfmaligem Klingeln kommt die Combox. Nachrichten per WhatsApp werden wohl mit zwei grauen Häkchen als erfolgreich übermittelt gekennzeichnet. Eine Lesebestätigung bleibt jedoch aus. Auch eine Nachricht auf die Combox löst keine Reaktion von Max aus. Die Sorgen der Frau werden immer grösser und sie wählt gegen 20 Uhr den Polizeinotruf. „Können sie das Mobiltelefon von meinem Mann bitte orten?“ So der verzweifelte Wunsch der Frau an die Polizei.
Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, dass die Polizei ein Mobiltelefon orten darf?
Gemäss Artikel 1 Absatz 1 und Artikel 35 Absatz 1 des Bundesgesetzes betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs darf im Rahmen der Suche nach vermissten Personen ihr Mobiltelefon geortet werden. Als vermisst gilt eine Person, wenn deren Aufenthalt unbekannt oder unverhältnismässig schwer zu ermitteln ist und bei welcher begründete Anhaltspunkte für eine schwere Gefährdung ihrer Gesundheit oder ihres Lebens bestehen. Beim fiktiven Beispiel ist der Aufenthaltsort aufgrund des zugestellten Fotos nur vage einzugrenzen. Zudem ist die Gesundheit aufgrund der Witterungsverhältnisse im Frühjahr bedroht. Die Voraussetzungen für eine Notsuche sind also gegeben.
Das Mobiltelefon muss nicht zwingend am Netz sein. Es ist aber von Vorteil. Auch die Polizei überprüft den Zustand des gesuchten Mobiltelefons. Nach fünfmaligem Klingeln spricht die Einsatzleitung auf die Combox: „Hier ist die Kantonspolizei Graubünden, sie werden vermisst, bitte melden sie sich unter 117.“ Dieselbe Nachricht wird auch via SMS auf das Mobiltelefon der vermissten Person zugestellt. Bei dieser Nachricht ist auch ein Link mit dem sogenannten Smart Locator angefügt. Wenn nun Max in der Lage wäre, den Link anzuklicken und sein Telefon Netzempfang hätte, würden automatisch die Standortkoordinaten seines Mobiltelefons an die polizeiliche Einsatzzentrale gesendet werden. Im vorliegenden Fall gibt es jedoch keine Reaktion.
App der Rega – mögliche Alternative
Die App der Rega kann auch eine Ortung vornehmen, falls sie installiert und entsprechend eingerichtet ist. Entweder einmalig bei der Alarmierung selbst oder live für eine bestimmte Zeit während einer Aktivität wie zum Beispiel bei einer Wanderung. Diese Live-Aktivierung muss vom Benutzer individuell eingestellt werden. Nur dann sendet die App permanent den Standort des Mobiltelefons an die Rega. Die Standorte von einer Liveübertragung werden nach Beendigung/Deaktivierung wieder gelöscht.
Diese Alternative wird bei einem Vermisstenfall in Zusammenarbeit mit der Rega auch durch die Polizei geprüft. In unserem Fall wird die Rega App jedoch nicht von Max benutzt. Somit muss die Ortung ohne GPS Standort gemacht werden und erfolgt mit der Lokalisierung über diejenigen Mobilfunkantennen, auf welchen das Mobiltelefon zuletzt eingeloggt war oder gerade aktuell eingeloggt ist. Jede Mobilfunkantenne versorgt ein bestimmtes Gebiet, welches je nach Topografie in der Stadt eher klein und auf dem Land sehr gross sein kann. Insbesondere in den Bergen ist es nicht unüblich, dass eine Antenne ein ganzes Tal versorgt. Funkwellenreflexionen an Berghängen und Felsformationen sind ziemlich trügerisch, was das tatsächliche Einzugsgebiet des Signalempfangs betrifft. Für die Rettungskräfte eine enorme Herausforderung, da das Gelände in der Regel auch noch schwer zugänglich ist.
Ein Notsucheoperator grenzt aufgrund der Mobilfunkantennen das Suchgebiet ein.
Aus diesem Grund wird nach der Eingrenzung des Suchgebiets über die Mobilfunkzellen eine genauere Ortung mit dem sogenannten LifeSeeker eingeleitet. Das bedingt aber, dass das gesuchte Mobiltelefon noch über genügend Akku verfügt und eingeschaltet ist. Es muss nicht zwingend Netzempfang haben, jedoch ist Strom unbedingt notwendig.
Notsuche eingeleitet
Gemäss Polizeigesetz Graubünden ist die Kantonspolizei für eine Notsuche einer vermissten Person zuständig. Der Pikett-Offizier der Kantonspolizei Graubünden bewilligt eine solche Notsuche und bietet den dafür zuständigen Notsucheoperator bei der Polizei auf.
All diese Vorbereitungen und Abklärungen haben bereits mehrere Stunden in Anspruch genommen – es ist schon Mitternacht. Währendem Bergretter des SAC bereits terrestrisch mit Hunden nach Max suchen, startet ein Rettungshelikopter mit dem LifeSeeker-Ortungsgerät einen Suchflug. Der Helikopter zieht seine Bahnen über das Gelände. Nach 15 Minuten leuchtet plötzlich ein Hinweis auf dem Monitor des Ortungsgerätes auf. Das Handy von Max hat sich mit der gesuchten und programmierten IMSI-Nummer der SIM-Karte auf dem LifeSeeker gemeldet. Weitere Flugbahnen orten das Signal immer genauer und schlussendlich kann Max, weit ab von einem Wanderweg, ganz unten am Fusse eines schmalen Tales im Kegel des Suchscheinwerfers erkannt werden. Mit der Winde wird der Notarzt zu Max abgeseilt. Kurz darauf wird er unterkühlt, mit einem gebrochenen Bein, geborgen und aus dem Tal ohne Netzempfang ins nächste Spital geflogen.
Präventive Massnahmen vor einer Tour
Mit geeigneten Massnahmen und Vorbereitungen könnte eine mögliche, kostenaufwändige Notsuche verhindert werden. Was ganz generell helfen kann, ist die Verständigung Familienangehöriger und von Freunden vor einer Tour. Dabei ist die Route und das Vorhaben einer Wander- oder Skitour dem Umfeld bekannt zu geben. So kann das Gebiet für die Suchaktion bereits besser eingegrenzt werden. Regelmässiger Kontakt zu Freunden oder Familienangehörigen bietet ebenfalls ein gewisses Sicherheitsgefühl. Ausserdem besteht die Möglichkeit, Partnern oder Familienangehörigen mit Apps, wie zum Beispiel „Standort teilen“, den Standort des Mobiltelefons bekannt zu geben. Dies ist unter anderem auch ganz praktisch, sollte das Telefon verloren gehen oder gestohlen werden. Dies muss aber ähnlich wie bei der Rega App vorgängig eingerichtet werden.
Zur Vorbereitung einer Gebirgs- oder Skitour gehören eben nicht nur das Konsultieren der Wetterprognosen sowie Mitführen einer witterungsangepassten Ausrüstung, sondern auch Gedanken zu: „Was wäre, wenn ich während der Tour verunfalle, nicht mehr reagieren kann und es langsam Nacht wird“. Dazu kommt ein vollgeladener Akku. Eine Ortung via Mobilfunk ist nur möglich, wenn das Gerät noch über genügend Strom verfügt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Standortfreigabe viel Strom braucht und Suchaktionen sehr viel Zeit benötigen.
Terrestrische Suchen sind, um die Suchmannschaft nicht zusätzlich zu gefährden, in der Nacht bzw. bei schlechter Witterung (Schneefall, Nebel, etc.) nicht immer möglich. Selbst wenn die ungefähre Position bekannt ist. Das würde dann bedeuten, dass eine mögliche eisig kalte Nacht im Freien überstanden werden müsste. Sich darauf zu verlassen, dass die moderne Polizei von heute mit ihren Einsatzmitteln die vermisste Person auf jeden Fall findet, ist keine Option!
Quelle: Kantonspolizei Graubünden
Bildquelle: Kantonspolizei Graubünden