Kapo St.Gallen: Wie Phantombilder entstehen – modernes Werkzeug mit alter Methode
von Polizei.news Redaktion +Instagram-CH Blaulicht-Branchennews Öffentlichkeitsarbeit Polizeinews Regionen Schweiz St. Gallen Stadt Altstätten Stadt Goldach Stadt Gossau SG Stadt Rapperswil-Jona Stadt Rorschach Stadt St.Gallen Stadt Wattwil Stadt Wil
Was ist ein Phantombild und wie wird es erstellt?
Entsteht ein solches Bild auf Grundlage reiner Fantasie oder liegt dem Ganzen ein wissenschaftliches Vorgehen zugrunde? Können Phantombilder tatsächlich zum Erfolg bei der Täterermittlung beitragen oder handelt es sich lediglich um ein unrealistisches Mittel aus dem Fernsehen?
Was ist ein Phantombild?
Ein Phantombild ist eine aus der Erinnerung eines Zeugen oder einer Zeugin entworfene Illustration, die individuellen Wiedererkennungswert besitzt. Anders als ein Foto bildet es nicht das tatsächliche Aussehen einer verdächtigen Person ab. Vielmehr stellt es eine typgleiche, kreative Rekonstruktion dar, welche der visuellen Fahndungsunterstützung dient. Bereits vor der Erfindung der Fotografie wurden auf diese Weise Hinweise gesammelt – eine Methode, die heute dank moderner Technik und kognitiver Verfahren weiter verfeinert wird.
Wie wird ein Phantombild erstellt?
«Ich kann mich nicht mehr daran erinnern» oder «Ich weiss es nicht mehr so genau». Solche Sätze hören die Phantombildzeichnenden der Kantonspolizei St.Gallen oft von Augenzeugen, welche angespannt bei ihnen im Büro sitzen. Die Erstellung eines Phantombilds beginnt meist mit einem sensiblen Gespräch.
Besonders bei belastenden Ereignissen wie Sexual- oder Gewaltdelikten ist es wichtig, den Zeugen das Gefühl von Kontrolle zu vermitteln und den Druck zu nehmen, dass „perfekte“ Erinnerungen abgerufen werden müssen.
Es ist wichtig klarzustellen, dass die Erinnerung gut, zögerlich oder auch gar nicht kommen könnte und dies normal und in Ordnung ist. Um den Zeugen zu helfen, ihre Erinnerung zu aktivieren, wird das sogenannte kognitive Interview verwendet. Das bedeutet, dass nicht nur zentrale und relevante Informationen zum Fall von Interesse sind, sondern auch Kontextinformationen und interne Prozesse des Zeugen.
Mögliche Fragen und damit einhergehende Erinnerungen könnten etwa sein:
- „Haben Sie etwas gerochen?“ – „Der Täter roch nach Schweiss und Alkohol.“
- „Haben Sie etwas gefühlt?“ – „Der Waldboden war nass und kalt.“
- „Haben Sie etwas Spezielles am Täter gesehen?“ – „Er hatte ungepflegte Hände.“
Das kognitive Interview hilft dabei, die Synapsen im Gehirn, die zum Zeitpunkt der Tat aktiv waren, erneut zu aktivieren und so Erinnerungen hervorzurufen. Je aktiver das neuronale Netzwerk zum Zeitpunkt der Tat war (das heisst, je gestresster die Person war), umso stärker werden sich die Zeugen an Details erinnern können.
In diesem Beispiel wurde ein Phantombild des langjährigen Polizeisprechers Hanspeter Krüsi der Kantonspolizei St.Gallen angefertigt. Dazu wurden verschiedene Bildvorlagen miteinander kombiniert und so das entsprechende Gesicht modelliert.
Nach dem Gespräch beginnt die Erstellung des Phantombilds. Dabei wird mit Bildvorlagen gearbeitet. Dies aus dem Grund, weil es für Zeugen und ihren Erinnerungsprozess anhand von Vorlagen einfacher zu erklären ist, was sie gesehen haben und beschreiben möchten. Die Datenbank beinhaltet einen Basisbildbestand aus generierten Gesichtsbildern, welche keine Rückschlüsse auf real existierende Personen zulassen.
Das Erstellen des Phantombilds ist ein kreativer und gestalterischer Prozess. Nach der Zusammenstellung des Grundbilds wird auf Anweisung der Zeugen das Gesicht weiter modelliert, bis es den Vorstellungen gerecht wird. Dabei handelt es sich um einen fortschreitenden Gestaltungsprozess, in welchem Merkmale aufgrund der Angaben der Auskunftsperson wiederholt angepasst werden können.
Was passiert mit dem erstellten Phantombild?
Das fertig erstellte Phantombild wird dem Sachbearbeitenden und der Kriminalanalyse weitergeleitet. Nun liegt es an der Sachbearbeiterin oder dem Sachbearbeiter, mit dem Phantombild zu fahnden. Je nach Kontext gibt es verschiedene Fahndungsmöglichkeiten:
- Im Umfeld der Täterschaft
- Bei örtlichen Polizeikräften
- In Geschäften oder sozialen Einrichtungen
- Polizeiintern
Phantombilder dürfen nicht von unbefugten Dritten fotografiert oder in sozialen Medien veröffentlicht werden, um Ermittlungen und die gerichtliche Verwertbarkeit nicht zu gefährden. Eine Öffentlichkeitsfahndung erfolgt ausschliesslich auf Anordnung der Staatsanwaltschaft.
Bei welchen Delikten kommen Phantombilder zum Einsatz?
Grundsätzlich können Phantombilder bei jedem Delikt erstellt werden. Das Kompetenzzentrum Forensik erstellt sie vor allem bei schweren Delikten wie Sexualdelikten (auch bei Exhibitionismus oder dem Ansprechen von Kindern), Tötungsdelikten, schweren Körperverletzungen, Raub, Erpressung oder Seriendelikten. Ebenfalls gehören Delikte mit hohem Sachschaden oder teurem Deliktsgut dazu.
Ist eine Phantombilderstellung auch Wochen nach der Tat möglich?
Dies ist grundsätzlich möglich, jedoch wäre der optimale Zeitpunkt ein Tag nach der Tat, damit die Person eine Nacht darüber schlafen kann. Im Schlaf trennen sich wichtige von unwichtigen Informationen. In der Realität ist es so, dass die Erstellung meist innerhalb von ein bis zwei Wochen nach der Tat stattfindet. Wichtig ist, vor der Phantombilderstellung keine Fotowahlkonfrontation durchzuführen, da die Zeugin oder der Zeuge aus den Fotos ein neues Tätergesicht rekonstruieren könnte.
Altbewährt, bis heute wichtig
Phantombilder sind somit ein wertvolles Hilfsmittel in der kriminalistischen Arbeit. Dank modernen Technologien und wissenschaftlich fundierten Methoden können sie trotz der subjektiven Natur von Erinnerungen ein wichtiges Werkzeug sein. Entscheidend für den Erfolg ist jedoch nicht nur die Zeichnung selbst, sondern auch der sensible Umgang mit Zeugen sowie der richtige Einsatz der Bilder in den Ermittlungen. Ein altbewährtes Mittel, das bis heute zu Recht seine Gültigkeit hat.
Quelle: Kantonspolizei St.Gallen
Bildquelle: Kantonspolizei St.Gallen