Wahlalter auf 16 herabsetzen?
von Olaf Hoffmann
Der erste Urnengang schon nach dem 16. Geburtstag? Darüber denkt zumindest Bundespräsident Didier Burkhalter mittlerweile auch laut nach. Gestärkt werden soll damit die demokratische Basis, die dann auf eine breitere und eben auch jüngere Ebene gestellt werden.
Allerdings spricht Burkhalter dabei auch über die Berücksichtigung regionaler Gegebenheiten. Welche Chancen eine Herabsetzung des Wahlalters hat und warum eine regionale Differenzierung schwierig sein könnte, erfasst dieser Beitrag.
Wann kann wer welche Entscheidungen treffen?
Grundsätzlich kann jeder Mensch eine eigenverantwortliche Entscheidung dann treffen, wenn er die Tragweite seiner Entscheidung überblicken kann. Dazu gehört eine gewisse geistige, aber auch soziale Reife, die als Grundlage für selbst getroffene Entscheidungen gilt. Ebenso ist ein zumindest grundlegendes Wissen um die Wirkungen einer Entscheidung erforderlich. Dieses Wissen wiederum resultiert aus einem guten Grad an Informiertheit über die wesentlichen Zusammenhänge.
Wer Entscheidungen trifft, die ausschliesslich seinen eigenen Lebensbereich betreffen, der muss letztlich auch selbst mit den Folgen seiner Entscheidung leben. Ab und an sind von solchen Entscheidungen auch die Mitmenschen im näheren Umfeld betroffen, allerdings meist nur in überschaubarem Masse. Dann, wenn solche Entscheidungen aber über den privaten Kreis weit hinausgehen, wie etwa bei Wahlen, sollten die Entscheider auch über ein höheres Mass an menschlicher und geistiger Reife verfügen. So sind beispielsweise Wahlen keine Spassveranstaltungen, die man vielleicht auch über Facebook abwickeln könnte, sondern demokratische Prozesse mit allen Chancen und Risiken, die jeweils einen grossen Personenkreis und das gesamte Staatswesen betreffen.
Eine Wahlentscheidung ist demnach eine Entscheidung, die weit über das persönliche Umfeld hinausreicht und ein hohes Mass an Informiertheit und Verantwortungsbewusstsein erfordert. Ab welchem Alter aber sind Menschen reif für solche umfassend wirkenden Entscheidungen?
Reife ist keine Frage des Alters
Die persönliche Reife eines Menschen entscheidet sich nicht unbedingt nur nach seinem Alter. So sind scheinbar Erwachsene nicht selten verspielter und unüberlegter als noch Minderjährige. Das betrifft auch die Wahl der jeweils vermeintlich besten Entscheidung, wenn unterschiedliche Varianten des Verhaltens zur Auswahl stehen. Danach kann eine entsprechende Reife sicherlich nicht statisch auf das Alter der Volljährigkeit gelegt werden. Andererseits sollte man sich aber auch davor hüten, mit einem herabgesetzten Wahlalter die Anzahl der wählenden Personen künstlich nach oben zu korrigieren.
Warum regionale Beschränkungen?
Burkhalter betont bei seinen Gedanken zur Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre, regionalen Bedürfnissen gerecht werden zu wollen. So sollen unter Umständen die Kantone selbst entscheiden dürfen, ob und wann 16-Jährige an Wahlen teilnehmen können. Eine solche regionale Freiheit in der Umsetzung erscheint mir doch sehr fragwürdig.
Dabei drängt sich mir hier der Verdacht auf, dass besonders Kantone mit traditionell schwacher Beteiligung an den Urnengängen dann die jungen Leute als Puffer zum Erreichen besserer Ergebnisse missbrauchen könnten. Ein Wahlgesetz sollte in einem Staat einheitlich und nicht regional auslegbar sein.
Wählen soll nur, wer auch wählbar ist
Bezüglich der Altersfreigabe der Wahlen auch für 16-Jährige gebe ich zu bedenken, dass eine Demokratie nicht nur das Wählen-Dürfen, sondern auch das Gewählt-werden-Können impliziert. Selbstverständlich wird die Möglichkeit, selbst in öffentliche Ämter gewählt zu werden, den 16-Jährigen vorenthalten werden. Eine solche Verfahrensweise gibt die allgemeine Gesetzgebung gar nicht her. Damit werden die jugendlichen Wähler allerdings zum einfachen Stimmvolk degradiert.
Ausserdem ist zu hinterfragen, ob die Wahlentscheidung so junger Leute bereits mit dem erforderlichen Mass an Information, Weitsicht und Wissen unterlegt sein wird. Dabei soll der Jugend keineswegs das Recht auf Mitsprache abgesprochen werden. Viele junge Menschen sind sehr stark interessiert an der Entwicklung der Demokratie in ihrem Land. Das täuscht aber nicht darüber hinweg, dass mindestens ebenso viele Jugendliche den Entwicklungen eher gleichgültig gegenüberstehen.
Was eine Demokratie ausmacht
Entscheidend für eine Demokratie ist es nicht, wie jung Wähler sein dürfen. Deutlich massgeblicher ist hier der Umstand einer bewussten, gezielten und informierten Einflussnahme auf Entscheidungen, die dem gesamten Volk eines Staates oder einer Region zur Entscheidung vorgelegt werden. Dabei wird das Absenken des Wahlalters nicht automatisch zu einer höheren Wahlbeteiligung in absoluten Zahlen führen.
Schaut man sich die demografische Zusammensetzung des Wahlvolkes an, dann werden die jetzt Wahlberechtigten immer älter und immer mehr davon machen von ihrem Wahlrecht keinen Gebrauch. Das lässt sich auch mit der künstlichen Verjüngung des Wahlvolkes nicht korrigieren.
Wesentlicher erscheint mir da, wie die Jugend überhaupt in das Leben der Demokratie einbezogen wird, welche Lebenschancen geboten werden und wie Jugendliche tatsächlich auf die Entwicklung ihres Landes Einfluss nehmen können. Diese wichtigen Fragen lassen sich nicht mit einem Wahlrecht ab 16 kaschieren. Eine solche Veränderung in der Wahlgesetzgebung erscheint mir da eher als ein kosmetischer Eingriff, der nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass auch in der Schweiz die Jugend als Bevölkerungsanteil zum einen kleiner und zum anderen politisch desinteressierter wird.
Wähler an Wahlen interessieren
Da erscheint es mir wichtig, die jetzt Wahlberechtigten in einem höheren Masse für wichtige Entscheidungen zu interessieren und deutlich zu machen, wie hoch der Einfluss von Wahlen auf die Entwicklung des Landes wirklich ist. Allein die Diskussionen um die Begrenzung der Masseneinwanderung haben gezeigt, dass der wahlberechtigte Bürger zwar Entscheidungen treffen kann, auf der anderen Seite dann aber in der Umsetzung Wege gesucht werden, diese Entscheidung auszuhebeln oder politisch opportun zu machen. So funktioniert das Prinzip Wahl allerdings nicht. Selbst dann nicht, wenn das Wahlalter herabgesetzt werden sollte.
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