Illegale Leihmutterschaft in der Schweiz – für einige Paare die letzte Hoffnung

Das Thema Leihmutterschaft spaltet die Schweiz in zwei Lager. Für die einen ist sie ein unumstössliches Tabu, für die anderen die letzte Möglichkeit, eine eigene Familie zu gründen. Obwohl es hierzulande illegal ist, nehmen auch Schweizer Paare die Hilfe von Leihmüttern in Anspruch, um sich den Wunsch vom eigenen Kind zu erfüllen. Dieses Vorgehen führt allerdings immer wieder zu vertrackten Situationen für alle Beteiligten.

Ein Ehepaar aus Zürich etwa erfüllte sich seinen Kinderwunsch, indem es in den USA eine Leihmutter suchte. Dieser wurde die Eizelle einer unbekannten, dritten Frau implantiert, die mit dem Sperma des Ehemannes befruchtet worden war. Nach der Geburt trat die Leihmutter alle Rechte auf das Kind ab, und ein Gericht in Ohio sprach dem Schweizer Paar das Sorgerecht zu. Probleme bereiteten nur die Schweizer Behörden, da diese das vom amerikanischen Gericht zugesprochene Sorgerecht nicht anerkannten und stattdessen einen Vormund für das Kind ernannten.

Kritisiert wird das Konzept der Leihmutterschaft vor allem aus zwei Gründen. Erstens kann dem Kind das Recht darauf, seine Abstammung zu kennen, nicht zugesichert werden, da die nötigen Regelungen zwischen den betroffenen Staaten fehlen. Zweitens sind die Kritiker der Überzeugung, dass viele Leihmütter aus einer wirtschaftlichen Not heraus handeln und nicht aus Überzeugung und gutem Willen. Da diese Art der Dienstleistung mit vielfältigen Risiken behaftet ist, wird hier von vielen ein gravierendes Problem gesehen.

Genaue Zahlen sind nicht bekannt

Wie viele Schweizer Paare sich trotzdem für den Weg der Leihmutterschaft entscheiden, ist unklar. Laut einem aktuellen Bericht des Bundesrates vom November 2013 sind rund zehn Fälle aktenkundig. Die Dunkelziffer dürfte weitaus höher liegen, denn alleine ukrainische Vermittlungsstellen gaben zu Protokoll, dass sie mindestens 50 Schweizer Paare betreut hätten. Ähnliche Zahlen dürften auch für Indien, die USA oder Russland gelten.

Illegale Leihmutterschaften führen für die Behörden häufig zu paradoxen Situationen. So wird der Vater meistens vor dem Gesetz als solcher anerkannt, da er genetisch mit dem Kind verwandt ist. Seine Partnerin, die sogenannte Wunschmutter, hat nach dem schweizerischen Zivilgesetzbuch allerdings keine Möglichkeit, das Kind als ihr eigenes anzuerkennen. Dort ist nämlich geregelt, dass nur durch die Geburt das Kindsverhältnis zur Mutter begründet werden kann. Die genetische Verwandtschaft ist bei Frauen somit vollkommen unerheblich. Selbst wenn das Kind aus der eigenen Eizelle der Wunschmutter entstanden ist, müsste es also von dieser adoptiert werden.

Das verfassungsmässige Verbot einer Leihmutterschaft führt somit laut dem Bericht des Bundesrates zu einem „schwer erträglichen“ Widerspruch, da die Behörden im Allgemeinen bemüht sein dürften, im Sinne des Kindeswohls zu entscheiden. So werden sie in der Regel bestrebt sein, die Elternschaft trotzdem anzuerkennen, und das Kind nur dann aus der Obhut der Eltern wegzunehmen, wenn es dort gefährdet wäre.

Das Bundesgericht soll entscheiden

Ob diese Praxis noch lange Bestand haben wird, ist aktuell offener als je zuvor. Wenn es nach den Plänen der Winterthurer Rechtsanwältin Karin Hochl geht, soll sich das Bundesgericht bald mit dieser Frage befassen. Hochl kämpft dafür, dass Schweizer Behörden die rechtliche Elternschaft von Wunscheltern anerkennen. Ihrer Meinung nach verlangt diese Frage ein Urteil des höchsten Gerichts, da nicht nur bei den Betroffenen, sondern auch bei den Behörden derzeit eine grosse Rechtsunsicherheit bestünde.

Auch laut einem Papier des Eidgenössischen Amtes für das Zivilstandswesen vom April dieses Jahres scheint die aktuelle Praxis im Umbruch zu sein. So schreiben die Autoren, dass eine Entwicklung im Gang wäre, die nicht mehr rückgängig zu machen sei. Schliesslich würden Leihmutterschaften trotz des Verbots durchgeführt. Aus diesem Grund könne man annehmen, dass ein Leihmutterschaftsentscheid aus dem Ausland auch bald in der Schweiz Gültigkeit haben wird, so die Autoren. Dies würde dazu führen, dass die Wunscheltern nicht den Umweg über eine Adoption oder eine Vaterschaftsanerkennung nehmen müssten.


Im veröffentlichten Bericht kam die NEK zu der Auffassung, dass der grundsätzlichen Zulassung der Leihmutterschaft keine ethischen Bedenken im Wege stünden. (Bild: Kiselev Andrey Valerevich / Shutterstock.com)
Im veröffentlichten Bericht kam die NEK zu der Auffassung, dass der grundsätzlichen Zulassung der Leihmutterschaft keine ethischen Bedenken im Wege stünden. (Bild: Kiselev Andrey Valerevich / Shutterstock.com)


Leihmutterschaft grundsätzlich zulässig

Für viel Wirbel sorgte auch die Nationale Ethikkommission (NEK) mit ihrem im Februar dieses Jahres veröffentlichten Bericht. In diesem kam die NEK zu der Auffassung, dass der grundsätzlichen Zulassung der Leihmutterschaft keine ethischen Bedenken im Wege stünden. Allerdings zweifelte die Kommission daran, ob die Risiken von Missbräuchen und einer Kommerzialisierung kontrollierbar wären. Auch wenn die Schaffung von tauglichen Rahmenbedingungen von der NEK kaum für möglich gehalten wird, so fordert sie dennoch die Einrichtung eines Registers für die betreffenden Kinder.

Vom Basler Appell gegen Gentechnologie wurde dieser Bericht aufs Schärfste kritisiert und als der Stein angesehen, der eine ethische Legitimation für den Paradigmenwechsel in der Fortpflanzungsmedizin ins Rollen bringen werde. Denn nach Meinung des Basler Appells würde mit einer Legalisierung der Leihmutterschaft auch das letzte Tabu in der Fortpflanzungsmedizin fallen.

Das Eidgenössische Amt für das Zivilstandswesen versucht in seinem Bericht den Brückenschlag zwischen diesen beiden Extremen. So soll der Leser zum Nachdenken bewegt werden, indem angeregt wird, ein Rechtssystem zu schaffen, in dem beide Elternteile das Kind anerkennen müssen, um ein rechtliches Kindesverhältnis – auch unabhängig der biologisch-genetischen Herkunft des Kindes – zu ermöglichen.

 

Oberstes Bild: © PhotographyByMK – Shutterstock.com

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