newsbloggers-Wochenrückblick: Haben die Schweizer die Frankenstärke mitverursacht?

Die Schweizer Wirtschaftsnachrichten werden nach wie vor vom starken Franken und den Negativzinsen beherrscht. Zudem bewerten viele Schweizer Firmen ihre Geschäftsaussichten wegen der Euro-Krise nicht mehr optimistisch. Der Vizepräsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB), Jean-Pierre Danthine, ist der Ansicht, dass die Schweizer das Franken-Hoch mitverursacht haben.

Aus Sicht des Notenbankers soll der Negativzins der SNB unter anderem die Auslandsinvestitionen von Schweizer Unternehmen treiben und damit die Nachfrage nach der Schweizer Währung limitieren. Verschiedene Top-Banker in der Schweiz gehen davon aus, dass sich an niedrigen bis negativen Zinsen auch international bis auf weiteres nichts ändern wird. Die wichtigsten aussenpolitischen Themen der vergangenen Woche waren die Wahlen in Grossbritannien und die Zukunft Griechenlands, das über seine Finanzpolitik nun möglicherweise eine Volksabstimmung initiiert.

Wenig Optimismus bei Schweizer Unternehmen laut einer KOF-Umfrage

Die April-Umfrage der Konjunkturforschungsstelle an der ETH Zürich (KOF) weist aus, dass die Schweizer Wirtschaft so wenig optimistisch in die Zukunft blickt wie seit drei Jahren nicht. Viele der über 4’500 befragten Firmen beurteilen ihre Geschäftslage im Vergleich zum Jahresbeginn als deutlich schlechter. Allerdings überwiegt in fast allen Schweizer Regionen bisher die Anzahl jener Unternehmen, deren Geschäftstätigkeit erfolgreich weiterläuft. Probleme gibt es vor allem im Tessin und in der Genfersee-Region – die Mehrzahl der dort ansässigen Firmen meldet, dass sich ihre Geschäfte negativ entwickeln.

Die KOF-Ökonomen schreiben jedoch auch, dass der negative Ausblick im April durch die Angaben der lediglich quartalsweise befragten Grosshändler sowie des Gastgewerbes beeinflusst wird, die ihre Geschäftslage zum ersten Mal seit der Aufgabe des Mindestwechselkurses bewertet hatten. Anhand der monatlichen Befragungen des Detailhandels und des verarbeitenden Gewerbes bietet sich ein positiveres Bild. Die Geschäftslage der meisten Firmen dieser Branchen ist im Vergleich zum Vormonat stabil geblieben oder hat sich sogar leicht verbessert. Auch eine starke Reduktion ursprünglich geplanter Investitionen sei aus der Befragung – anders als aus den vorläufigen Ergebnissen einer KOF-Investitionsstudie – nicht ersichtlich. Die Publikation der kompletten Investitionsstudie wird für Ende Mai erwartet.

Frankenstärke: Sind die Schweizer selbst schuld?

SNB-Vizepräsident Jean-Pierre Danthine meint, dass die Schweizer an der Frankenstärke auch selber schuld sind. Auf einer Tagung in Lausanne führte er aus, das die Aufwertung der Schweizer Währung seit der Finanz- und Wirtschaftskrise nicht nur der Flucht der Investoren in den sicheren Hafen des Franken, sondern auch der Zurückhaltung von Schweizer Investoren im Ausland geschuldet sei. Die Schweizer Handelsbilanz verzeichnet traditionell einen deutlichen Exportüberschuss, vor der Krise investierten Schweizer Firmen und Investoren diese Überschüsse in hohem Masse auch im Ausland.
Seit 2008 – dem Höhepunkt der Krise und dem Zusammenbruch der New Yorker Investmentbank Lehman Brothers – gebe es dieses Gleichgewicht nicht mehr. Schweizer Investoren lassen ihre Gelder mehrheitlich zu Hause, den Kapitalexport habe aus diesem Grund die SNB in Form massiver ausländischer Devisenkäufe übernehmen müssen. In einem Kommentar zum Thema in der Westschweizer Zeitung „Les Temps“ schreibt Maxime Botteron, Analyst bei Credit Suisse, dass die Schweizer nicht nur ihre Auslandsinvestitionen deutlich zurückgefahren hätten, sondern sich auch zunehmend von ausländischen Werten trennen, womit sie auf den Devisenmärkten eine zusätzliche Nachfrage nach Franken schaffen.

Negativzins soll zu Auslandsinvestitionen bewegen

Gleichzeitig verteidigte Danthine den Negativzins der SNB. Unter anderem solle der Strafzins Schweizer Investoren zu Auslandsinvestitionen animieren und müsse dafür etwas niedriger sein als in der Europäischen Union. Zu den Negativzinsen meldeten sich in der vergangenen Woche auch einige andere Top-Banker der Schweiz zu Wort. UBS-Verwaltungsratschef Axel Weber stellte einen glänzenden Quartalsabschluss seines Hauses vor, mahnte für den Standort Schweiz politische „Sicherheit und Berechenbarkeit“ sowie die Stärkung der liberalen Wirtschaftsordnung an – in diesem Kontext prophezeite er, dass die negativen Zinsen die Schweizer noch für längere Zeit begleiten würden. Der Anlagechef der Züricher Privatbank Julius Bär, Burkhard Varnholt, hält die Debatte um höhere Zinsen für „reine Rhetorik“, mit der die Notenbanken ihre Unabhängigkeit demonstrieren wollen – übrigens auch in den USA, in denen er die ökonomischen Voraussetzungen für eine Zinserhöhung noch lange nicht gegeben sieht. Aus seiner Sicht sind die niedrigen Zinsen ein Treiber für einen „beispiellosen Börsenboom“. An den wichtigsten Börsen erwartet er in den nächsten fünf Jahren eine Verdopplung ihrer Indizes – unter anderem könne der Swiss Market Index (SMI) bis 2020 auf 20.000 Zähler steigen.


David Cameron feiert einen der wichtigsten Erfolge seiner Karriere. (Bild: © Frederic Legrand – COMEO – shutterstock.com)

GB-Wahl: David Cameron und Tories könnten allein regieren

Die wichtigste aussenpolitische Nachricht dieser Woche war zweifellos das Ergebnis der Parlamentswahlen in Grossbritannien. Der britische Premierminister David Cameron und seine Konservativen erreichten im britischen Unterhaus eine solide Mehrheit und können möglicherweise sogar allein regieren. An der Börse und bei den Banken sorgte das Wahlergebnis für Begeisterung, auf die Euphorie könnten jedoch in absehbarer Zeit Turbulenzen folgen. Zwei Schlüsselthemen der kommenden fünf Jahre sind das Verhältnis Grossbritanniens zur Europäischen Union sowie die Perspektiven Schottlands innerhalb des Vereinigten Königreichs. Spätestens 2017 werden die Briten in einem Referendum über ihre EU-Mitgliedschaft entscheiden.

Auch für die Schweiz könnte der Wahlausgang in London Folgen haben. Am Freitag haben die Wechselkurse des Euros, des US-Dollars und des Franken gegenüber dem Britischen Pfund nachgegeben, die britische Währung befindet sich auf einem Höhenflug. Exportorientierte Schweizer Firmen könnten kurzfristig davon profitieren, müssen allerdings auch mit einem weiteren Kursverfall des Euro rechnen. Auf der Gewinnerseite dürften auch Schweizer Grossbanken wie UBS und Credit Suisse sein, eine Labour-Regierung hätte den britischen Bankensektor sehr wahrscheinlich stärker reguliert. Andererseits wird die Angst vor einem „Brexit“ – dem EU-Austritt Grossbritanniens – bis 2017 zur Belastung für die Finanzmärkte, die Börse und auch die Realwirtschaft werden. Falls Investoren deshalb verstärkt in den Franken flüchten, könnte sich dies für die Schweiz als ein immenser wirtschaftlicher Pferdefuss erweisen.

Spannend wird auch, ob und inwiefern das „Schweizer Modell“ am Ende zu einem Vorbild für die Briten wird – und ob die Verhandlungen der Schweiz mit der EU darunter leiden. Beobachter meinen bereits jetzt, dass jegliches Zugeständnis der Europäischen Union im Hinblick auf die bilateralen Verträge mit der Schweiz zu entsprechenden Forderungen aus London führen würde. Europäische Politiker betonten zuletzt sehr deutlich, dass die Personenfreizügigkeit in der EU nicht zur Debatte stehe und der Verbleib Grossbritanniens in der EU nicht um diesen Preis erfolgen werde.

Neue Zitterpartie für Griechenland

Für Griechenland ist der kommende Montag ein wichtiger Termin. Morgen diskutieren die EU-Finanzminister ein weiteres Mal die Zukunft Griechenlands. Konkret geht es um die Bewertung des bisher vorgelegten griechischen Reformpaketes. Falls dieses von den Finanzministern der Euro-Zone abgesegnet wird, können die Griechen mit der Zahlung der letzten Tranche des aktuellen Hilfsprogramms in Höhe von 7,2 Milliarden Euro rechnen. Unter anderem erwägt Athen offenbar Reformen im Bereich der Renten- und Steuerpolitik. Mit dem Beibehalten einer umstrittenen Immobiliensteuer, die allein in diesem Jahr 2,5 Milliarden Euro in die leeren Kassen spülen könnte, würde Premierminister Alexis Tsipras allerdings zum ersten Mal offen eines seiner Wahlversprechen brechen. Auch die Touristen könnten zur Sanierung des griechischen Haushalts in die Pflicht genommen werden – auf 22 Ägäis-Inseln ist eine Sondersteuer von bis zu fünf Euro pro Übernachtung angedacht.

Der frühere sozialistische Premierminister Giorgios Papandreu forderte in der vergangenen Woche eine Volksabstimmung zum Verbleib Griechenlands in der Euro-Zone. Ein solches Referendum hätte er gern bereits 2010 – also während seiner Amtszeit – auf den Weg gebracht, das Vorhaben scheiterte seinerzeit am massiven Widerstand Deutschlands und Frankreichs. Durch die Abstimmung hätte die griechische Gesellschaft eine Chance gehabt, analog zu Portugal und Irland einen Konsens über die Notwendigkeit von Strukturreformen herzustellen. Möglicherweise erlebt sein Projekt in nächster Zeit eine Neuauflage, allerdings geht es dabei sehr wahrscheinlich nicht um eine Grundsatzentscheidung zur Euro-Mitgliedschaft der Griechen, sondern um die Haltung der Bevölkerung zu weiteren harten Sparmassnahmen. Der griechische Staatsminister für Regierungskoordination, Alekos Flambouraris, schloss diesen Weg in einem Interview mit dem griechischen TV-Sender SKAI nicht aus, falls die Syriza-Regierung nach einer Einigung mit ihren Gläubigern keine Mehrheit für ein entsprechendes Gesetz erhalte. Das Referendum fände mit dem Einverständnis der Partner in der Euro-Zone statt.

 

Oberstes Bild: © Valeri Potapova – shutterstock.com

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