Gewaltbetroffene Mädchen und junge Frauen: Der Bundesrat verabschiedet Bericht zu Bedarf an Schutzplätzen
Die Zahl der Mädchen und jungen Frauen, die von Gewalt betroffen sind, hat in den letzten Jahren zugenommen. Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 29. Juni 2022 einen Postulatsbericht zur „Statistik über gewaltbetroffene Mädchen und junge Frauen und Bedarf an Schutzplätzen“ verabschiedet.
Die zugrundeliegende Studie empfiehlt, die Zahl der Schutzunterkünfte für Mädchen und junge Frauen zu erhöhen.
Wie stark sind Mädchen und junge Frauen zuhause oder in ihrem Umfeld von physischer, psychischer und sexueller Gewalt betroffen? Und wie viele Schutzunterkünfte braucht es, um diesen Betroffenen in Notsituationen Unterschlupf zu bieten? Diesen Fragen geht eine externe Studie nach, die dem Bericht des Bundesrats in Erfüllung des Postulats Wasserfallen (19.4064) zugrunde liegt. Dazu wurden einerseits bestehende Statistiken analysiert und andererseits Interviews mit Fachpersonen und Betroffenen sowie Organisationsbefragungen durchgeführt.
Zwischen 2009 und 2012 hat die Zahl der Gewaltstraftaten an Mädchen und jungen Frauen unter 18 Jahren von 1775 auf 1469 abgenommen, danach bis 2020 um fast einen Viertel auf 1819 zugenommen. Davon waren 190 Mädchen (10,5 Prozent) von schwerer Gewalt betroffen, was einer Zunahme von 82,7 Prozent gegenüber 2012 entspricht. Das zeigen die Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik. Gegenüber den Studienautorinnen und -autoren gaben Organisationen wie Opferberatungsstellen, Polizei, Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) oder Kinder- und Jugendberatungsstellen an, im Jahr 2020 mit mehr als 1000 gewaltbetroffenen Mädchen und jungen Frauen Kontakt gehabt zu haben. Von ihnen wurden rund 500 einer Not- oder Schutzunterkunft zugewiesen.
Begrenztes Angebot an Schutzunterkünften
Die Studie identifiziert für das Jahr 2020 schweizweit rund 30 Not- und Schutzunterkünfte, in denen gewaltbetroffene Mädchen und junge Frauen untergebracht wurden. Allein im Mädchenhaus Zürich fanden 55 junge Frauen im Alter von 14 bis 20 Jahren Schutz, wobei sich die Anzahl Kurzunterbringungen (4 bis 14 Tage) im Vergleich zu den Vorjahren mehr als verdoppelte. Als Gründe für eine Unterbringung nennt die Studie physische, sexuelle oder psychische Gewalt, die insbesondere durch Eltern und weitere Familienmitglieder, aber auch in Partnerschaften erlebt werden. Zwei Drittel der befragten Fachpersonen und Organisationen beurteilen das Angebot insgesamt als zu klein oder nicht passend. Laut der Studie fehlen bis zu 36 zusätzliche Schutzplätze, um den steigenden Bedarf in den nächsten fünf Jahren zu decken.
Angebotslücken in den Kantonen schliessen
Die Bereitstellung von Schutzunterkünften liegt in der Kompetenz der Kantone. Für den Bundesrat steht fest, dass das Angebot an Schutzunterkünften für gewaltbetroffene Mädchen und junge Frauen ausreichend und an ihren spezifischen Bedürfnissen ausgerichtet sein muss. Der Bundesrat begrüsst vor diesem Hintergrund insbesondere, dass die Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK) das Angebot für gewaltbetroffene Mädchen und junge Frauen überprüft und Vorschläge machen will, wie Angebotslücken geschlossen werden können. Dies gerade auch in Regionen wie der West- und Zentralschweiz sowie im Tessin, wo angemessene Schutzangebote noch fehlen. Diese Prüfung ist Teil des am 22. Juni 2022 veröffentlichten Nationalen Aktionsplans zur Umsetzung der Istanbul-Konvention (NAP IK). Mehrere darin enthaltene Massnahmen tragen den Empfehlungen der vorliegenden Studie Rechnung.
So sind etwa Massnahmen zur Weiterbildung von Fachpersonen und ehrenamtlich Tätigen im Umgang mit Gewaltbetroffenen vorgesehen, und Projekte zu Gewaltlosigkeit an Schulen sowie für Eltern sollen gefördert werden. Im Rahmen der Gleichstellungsstrategie 2030 wird zudem die Durchführung einer Bevölkerungsbefragung zu verschiedenen Formen von Gewalt geprüft, um so die allgemeine Datengrundlage zur Problematik zu verbessern.
Quelle: Der Bundesrat
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