Gegenläufige Tendenzen auf dem Arbeitsmarkt der Schweiz

Auf dem Arbeitsmarkt der Schweiz zeigen sich derzeit gegenläufige Tendenzen. Das anhaltende Franken-Hoch könnte in grösserem Umfang zu einem Stellenabbau führen.

Gleichzeitig rechnen Bund und Arbeitgeber jedoch damit, dass sich der Fachkräftemangel in absehbarer Zeit deutlich stärker auswirkt.

Bisher konnte sich die Mehrzahl der Schweizer Arbeitnehmer darauf verlassen, dass sich die Suche nach einer neuen Stelle unkompliziert gestaltet. Die offizielle Arbeitslosenquote der Schweiz liegt derzeit bei 3,1 %. Im Juni 2015 waren in der Schweiz 133´256 Personen erwerbslos, im Vergleich zum Vorjahr ist ihre Zahl allerdings um 6´624 Personen oder 5,2 % gestiegen. Trotzdem bedeuten solche Werte im internationalen Vergleich de facto Vollbeschäftigung. Auch von der Finanz- und Wirtschaftskrise wurde der Arbeitsmarkt der Schweiz nicht besonders hart getroffen, selbst auf dem Höhepunkt der Krise in den Jahren 2009 und 2010 lag die Arbeitslosenquote in der Eidgenossenschaft unter 4 %.

Gehen dem Arbeitsmarkt der Schweiz durch das Franken-Hoch bis zu 50´000 Jobs verloren?

Aktuell geben die Wirtschaftsforscher und die Unternehmen für den Arbeitsmarkt der Schweiz allerdings etwas gedämpfte Prognosen ab. Durch den Wegfall des Mindestwechselkurses könnten in Schweizer Firmen zwischen 30´000 und 40´000 Jobs abgebaut werden. Die Zahl der offenen Stellen hat in den letzten Monaten bereits spürbar abgenommen. Von den Auswirkungen des Franken-Schocks sind exportorientierte Branchen – vor allem die Elektro-, Maschinenbau- und Metallindustrie, aber auch die Schweizer Uhrenindustrie – besonders stark betroffen. Neue Arbeitsplätze entstehen derzeit vor allem im öffentlichen Sektor, im Gesundheitswesen und im Finanzbereich.

Schon aufgrund von zum Teil völlig unterschiedlichen Jobprofilen werden sie den prognostizierten Stellenabbau in anderen Bereichen jedoch kaum kompensieren können. Bisher profitiert der Arbeitsmarkt auch noch von stabilisierenden Saisoneffekten, die in den kommenden Monaten sukzessive schwächer werden. Bis zum Jahreswechsel rechnet das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) mit deutlich mehr als 150´000 erwerbslosen Personen. Im Gesamtjahr 2016 wird sich die Arbeitslosenquote voraussichtlich auf 3,5 % belaufen.


Die Statistik zeigt die Arbeitslosenquote in der Schweiz von Juni 2014 bis Juni 2015. (Bild: © Statista 2015)

Die Arbeitsmärkte vieler OECD-Länder stecken in der Krise

Den Arbeitsmarkt der Schweiz als eine „Insel der Seligen“ zu bezeichnen, traf zwar auch in der wirtschaftlichen Boom-Phase der letzten Jahre nicht den Kern der Sache – im Vergleich zu den OECD-Staaten oder zur Europäischen Union hat die Eidgenossenschaft jedoch auch angesichts des sich verschlechternden wirtschaftlichen Umfelds bisher wenig Grund zur Klage. Der aktuelle OECD-Arbeitsmarktbericht bescheinigt den 34 Mitgliedsländern, dass ihre Arbeitsmärkte mehrheitlich in der Krise stecken.

Viele Länder haben die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise auch im Abstand von fünf Jahren nicht völlig überwunden. Selbst Ländern mit vergleichsweise guter Konjunktur gelingt es oft nicht, ihre Arbeitslosenzahlen in grösserem Umfang zu vermindern. Problematisch sind vielerorts ein überregulierter Arbeitsmarkt sowie verkrustete Strukturen.

Strukturelle Arbeitslosigkeit – oft trotz guter Konjunktur

Insgesamt waren im Mai 2015 in den OECD-Ländern 42 Millionen Menschen arbeitslos – zehn Millionen Menschen mehr als vor der Krise. Nach einer erfolglosen Stellensuche von mehr als einem Jahr gilt über ein Drittel von ihnen als langzeitarbeitslos. Die durchschnittliche Arbeitslosenquote aller OECD-Staaten liegt derzeit bei 6,9 %, bis Ende 2016 soll sie auf 6,6 % gefallen sein. In Ländern wie Spanien oder Griechenland dürfte sie allerdings auch danach auf Werten oberhalb der 20-%-Marke verharren.

Ein weiteres Problem vieler OECD-Länder ist die hohe Jugendarbeitslosigkeit, die langfristige Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt und in den individuellen Berufsbiografien nach sich zieht – die OECD-Ökonomen gehen davon aus, dass die ersten zehn Arbeitsjahre fast immer über den langfristigen Karriereverlauf entscheiden. Vor dem Hintergrund einer hohen Zahl von Langzeitarbeitslosen und Jugendlichen ohne Job hat sich vielerorts eine mehr oder weniger ausgeprägte strukturelle Arbeitslosigkeit entwickelt, die auch in Zeiten guter Konjunktur erhalten bleibt.


Insgesamt waren im Mai 2015 in den OECD-Ländern 42 Millionen Menschen arbeitslos (Bild: © PlusONE – shutterstock.com)

Aus Sicht der OECD sind – im Übrigen trotz der Kritik an den wenig flexiblen Strukturen vieler Arbeitsmärkte – vor allem öffentliche Institutionen wie die Arbeitsämter in der Pflicht, die Arbeitsmarktfähigkeit und die Motivation der Arbeitslosen zu erhöhen. Als Anreize für eine Beschäftigungsaufnahme nennen die Studienautoren ausserdem Mindestlöhne in moderater Höhe sowie steuerliche Erleichterungen oder reduzierte Sozialabgaben, um Arbeitnehmer mit niedrigen Einkommen zu unterstützen.

Anstieg der Langzeitarbeitslosigkeit – derzeit auch in der Schweiz ein Thema

In den meisten OECD-Ländern geht es bisher hauptsächlich darum, die temporären oder dauerhaften Verlierer auf dem Arbeitsmarkt wieder in Lohn und Brot zu bringen. In der Schweiz trifft dies dagegen nur auf eine Minderheit der Arbeitslosen zu. Nach einer Kündigung treten Schweizer Arbeitnehmer im Schnitt nach maximal 6,5 Monaten ihre nächste Stelle an. Allerdings ist 2014 auch in der Eidgenossenschaft der Anteil der Langzeitarbeitslosen an der Gesamtzahl der Erwerbslosen im Vorjahresvergleich um 0,9 Prozentpunkte auf 16,2 % gestiegen. Die Erwerbslosenquote junger Arbeitnehmer in der Altersgruppe zwischen 15 und 24 Jahren lag im vergangenen Jahr bei nur 3 % und damit auf dem gleichen Niveau wie die nationale Arbeitslosenquote.

Der Arbeitsmarkt der Schweiz ist auf qualifizierte Arbeitsmigranten angewiesen

In den vergangenen Jahren reichte das Arbeitskräftereservoir der Schweiz zu keinem Zeitpunkt aus, um den Bedarf an Mitarbeitern vorwiegend aus inländischen Ressourcen abzudecken. Der aktuelle OECD-Migrationsbericht weist aus, dass die Eidgenossenschaft im Vergleich zu ihrer Gesamtbevölkerung mehr Einwanderer aufnimmt als alle anderen Mitgliedsländer. Im Jahr 2012 betrug der Anteil der dauerhaften Immigranten im Vergleich zur Gesamtbevölkerung 1,6 % – insgesamt waren es 125.600 Menschen. Zum Vergleich: In Deutschland lag dieser Wert im gleichen Jahr bei 0,5 %, in den USA sogar nur bei 0,3 %.


Diese Statistik zeigt die Anzahl der Ausländer in den Berufshauptgruppen in der Schweiz im Jahr 2014. (Bild: © Statista 2015)

Die weitaus meisten Zuwanderer in die Schweiz sind Arbeitsmigranten aus der Europäischen Union, grössere Zuwandererkontingente stellen auch die USA und Indien. Neben ausländischen Arbeitnehmern, die in der Eidgenossenschaft einen festen Wohnsitz nehmen, fällt auf dem Arbeitsmarkt der Schweiz auch der hohe Anteil von Grenzgängern ins Gewicht. Ende 2014 waren in Schweizer Unternehmen rund 287´000 Pendler aus den Grenzregionen der Nachbarländer tätig, seit 2009 ist ihre Zahl um knapp 30 % gestiegen. Der Arbeitsmarkt der Schweiz ist auf qualifizierte Zuwanderer – und keineswegs nur auf ausländische Arbeitskräfte mit akademischen Abschlüssen – in hohem Masse angewiesen.

Zuwanderungsinitiative und demografischer Wandel limitieren das Arbeitskräftereservoir

Bisher befanden sich die Schweizer Arbeitgeber in dieser Hinsicht in einer komfortablen Lage. Aufgrund der Vereinbarungen mit der EU zur Personenfreizügigkeit ist die Rekrutierung von qualifiziertem Personal in den Nachbarländern bisher denkbar einfach. Bis zur Annahme der Masseneinwanderungsinitiative galt der auch in dieser Dimension sehr offene und flexible Arbeitsmarkt der Schweiz als ein immenser Standortvorteil.

Für den Zuzug ausländischer Arbeitskräfte könnten jedoch in Zukunft weitaus striktere Regeln gelten. Zwar gibt es bei der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative noch viele offene Punkte, ebenso wenig ist geklärt, ob im Zuge der Etablierung der neuen Regelungen die EU-Personenfreizügigkeit tatsächlich aufgegeben wird. Trotzdem ist absehbar, dass Schweizer Unternehmen unter dem bereits heute manifesten Fachkräftemangel bald deutlich stärker leiden werden als bisher. Neben dem Wegfall der Zuwanderung in den Grössenordnungen der letzten Jahre fällt hier auch der demografische Wandel ins Gewicht.


Für den Zuzug ausländischer Arbeitskräfte könnten jedoch in Zukunft weitaus striktere Regeln gelten. (Bild: © Creativa Images – shutterstock.com)

Fehlen dem Arbeitsmarkt der Schweiz im Jahr 2020 bereits 430´000 Arbeitskräfte?

Die Unternehmensberater der Boston Consulting Group haben im Rahmen einer internationalen Studie ausgerechnet, dass der Schweizer Wirtschaft bis zum Jahr 2020 rund 430´000 Arbeitskräfte fehlen, zehn Jahre später könnten es bereits 900´000 Mitarbeiter sein. Wenn es den Unternehmen und vor allem der Politik nicht gelingt, diesen Trend zu stoppen, resultieren für die Schweiz daraus massive wirtschaftliche und soziale Folgen. Auf die öffentlichen Haushalte kämen massive Sparprogramme zu. Das prognostizierte Minus von 430´000 Arbeitskräften würde bereits in fünf Jahren Steuerausfälle von über acht Milliarden Franken nach sich ziehen.

Die Fachkräfteinitiative soll inländische Arbeitskräftepotentiale aktivieren

Ob sich der Arbeitskräftemangel tatsächlich schon in wenigen Jahren in diesen Ausmassen bemerkbar macht, sei einmal dahingestellt. Auf jeden Fall arbeiten Bund und Arbeitgeber schon seit längerer Zeit daran, bisher ungenutzte inländische Arbeitskräftepotenziale zu aktivieren. Bereits 2011 wurde durch den Bundesrat die Fachkräfteinitiative auf den Weg gebracht, seit der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative gilt ein erweitertes Programm, das einen Katalog von insgesamt 30 Einzelmassnahmen umfasst.

Das Spektrum reicht von einem Masterplan für die Ausbildung von Pflegepersonal über Massnahmen der Hochschulförderung bis zu Verbesserungen bei der Kinderbetreuung oder der Abschaffung der steuerlichen „Heiratsstrafe“. Das anvisierte Ziel, künftig 95 % der Schulabgänger mit einem Zeugnis der Sekundarstufe II – also der Matura oder einer beruflichen Grundbildung – ins Arbeitsleben zu entlassen, wurde bereits im Jahr 2012 mit einer Quote von 94,7 % nahezu erreicht. In Zukunft will der Bund ausserdem die höhere Berufsbildung intensiver fördern.

Modellprojekt der Metropolitankonferenz Zürich: MINT-Bildungsoffensive und Frauenförderung

Die Metropolitankonferenz Zürich – ein überregionales Gremium mit Vertretern der Kantone Zürich und Luzern sowie von insgesamt 120 Gemeinden – hat im Juni 2015 eine eigene Studie zur Aktivierung des inländischen Fachkräftepotenzials vorgelegt, die auf den Erfahrungen aus einem entsprechenden Modellprojekt beruht. Das Projekt unter dem Titel „Stärkung des Produktionsstandorts durch inländische Fachkräfte“ ist bereits 2014 angelaufen. Sein Ziel besteht darin, die Fachkräfteinitiative in den beiden Boom-Kantonen so schnell wie möglich umzusetzen. Dringender Handlungsbedarf ist dort auf jeden Fall gegeben – vor allem in technischen und mathematischen Berufen, aber auch im Gesundheitssektor wird es immer schwerer, für Schlüsselpositionen geeignetes Personal zu finden. Die besten Ideen der Konferenz und des Projektes sollen anderen Kantonen und Gemeinden als Arbeitsvorlagen dienen.



Im Fokus der Initiative stehen Frauen, Arbeitnehmer der Altersgruppe 45+ sowie Kinder. Bei letzteren geht es darum, das Interesse an den sogenannten MINT-Berufen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) möglichst schon im frühen Schulalter zu wecken, da der Nachwuchsmangel in diesen Bereichen besonders gross ist. Im Hinblick auf die Aktivierung von Frauen für den Arbeitsmarkt der Schweiz halten die Projektverantwortlichen das Modell „Flexwork“ der Versicherungsgesellschaft Axa Winterthur für richtungweisend, das neben der generellen Vereinbarkeit von Beruf und Familie auch die Teilzeitarbeit von Frauen in Führungspositionen fördert.

Langfristige Personalentwicklung – schwierig für die meisten KMUs

Welche Resultate das ehrgeizige und im Übrigen auch kostenintensive Programm am Ende wirklich zeitigt, ist bisher eine offene Frage. Die Probleme fangen in den Schulen an, in denen technik-affine Lehrkräfte als Motivatoren für die MINT-Berufe rar gesät sind. Zudem stammen die meisten Best-Practice-Beispiele der Studie entweder aus dem öffentlichen Sektor sowie aus Grosskonzernen, die über genügend Ressourcen für die Förderung von Frauen oder die Einrichtung von betrieblichen Kinderbetreuungseinrichtungen verfügen – an den Möglichkeiten der meisten KMUs gehen sie indessen weit vorbei. An dieser Stelle schliesst sich auch der Kreis zu den wirtschaftlichen Folgen des Franken-Höhenflugs. Die meisten Firmen haben derzeit andere Sorgen als Teilzeitmodelle oder eine langfristige Nachwuchsplanung.


Die meisten Firmen haben derzeit andere Sorgen als Teilzeitmodelle oder eine langfristige Nachwuchsplanung. (Bild: © Minerva Studio – shutterstock.com)

Import von Fachkräften trotz Arbeitslosigkeit im Inland – ein Widerspruch?

Eine weitere Problematik wird in den Debatten zum Fachkräftemangel oft vergessen: Einerseits holen die Unternehmen ausländisches Fachpersonal ins Land, andererseits gibt es durchaus arbeitslose Fachkräfte in der Eidgenossenschaft. Von diesem Widerspruch ist häufig ein- und dieselbe Berufsgruppe betroffen. Beispielsweise sind im Hotel- und Gastgewerbe sehr viele ausländische Arbeitskräfte tätig, gleichzeitig liegt die Erwerbslosenquote der Branche dauerhaft bei etwa 8 %. Im „oberen“ Arbeitsmarktsegment sind Informatiker besonders stark davon betroffen.

Der Arbeitsmarkt der Schweiz hat einen permanent hohen Bedarf an IT-Experten, pro Jahr werden – mit kontinuierlich steigender Tendenz – zwischen 2´000 und 3´000 von ihnen im Ausland rekrutiert. Gleichzeitig sind mehr als 3´000 inländische Informatiker arbeitslos gemeldet. Vor allem nach der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative sind solche Diskrepanzen der breiten Öffentlichkeit nicht immer einfach zu vermitteln.

Knapp 3 % der IT-Fachkräfte in der Schweiz sind arbeitslos

Die Ökonomen gehen davon aus, dass rund 2 % der Schweizer Erwerbslosigkeit als „Sucharbeitslosigkeit“ betrachtet werden können. Laut Angaben des Seco wechseln pro Jahr rund 500´000 Arbeitnehmer ihre Stelle. Bis zur Neubesetzung der hierdurch entstehenden Vakanzen gehen im Schnitt zwei Monate ins Land, woraus permanent etwa 80´000 Stellensuchende resultieren. Speziell bei den angeblich so gefragten Informatikern zeigt sich jedoch, dass im Hinblick auf ihre Arbeitslosenquote Erklärungsbedarf besteht. Ihre Arbeitslosenquote lag in den Jahren 2010 bis 2012 mit 2,7 % zwar unter dem Schweizer Durchschnitt, dürfte inzwischen jedoch etwas höher liegen. Der relevante Punkt ist, dass sich dieser Wert trotz der „verzweifelten Suche“ nach IT-Fachkräften über mehrere Jahre kaum verändert hat.


Speziell bei den Informatikern zeigt sich, dass im Hinblick auf ihre Arbeitslosenquote Erklärungsbedarf besteht. (Bild: © Jack Frog – shutterstock.com)

Die Probleme: Veraltete Expertisen, zu enge Spezialisierung, fehlender formaler Abschluss

Den Hauptgrund sehen Branchenkenner darin, dass die angebotenen und nachgefragten Qualifikationen häufig nicht identisch sind. Eine Rolle spielt dabei, dass es für Informatiker kein einheitliches Berufsbild gibt und dass sich die Technologien oft extrem schnell verändern. Spezialisten für ältere Programmiersprachen oder Betriebssysteme haben auf dem Arbeitsmarkt der Schweiz zumindest ohne permanente Weiterbildung kaum noch eine Chance. Auch Informatiker, deren Expertise in ihrem Fachgebiet auf dem jeweils aktuellsten Stand ist, können ohne Fachhochschulabschluss schnell in Schwierigkeiten kommen: Viele Kunden von IT-Dienstleistern legen vertraglich fest, dass in ihren Projekten nur Experten mit einer akademischen Ausbildung zum Einsatz kommen dürfen. Im Extremfall bedeutet das für die IT-Firmen, einen Teil ihres Personals auszuwechseln – und zwar auch dann, wenn solche Vorgaben völlig sinnlos sind, da die betreffenden Mitarbeiter in der Lage sind, die geforderten Leistungen ohne Abstriche zu erbringen.

Ältere IT-Experten tragen ein besonders hohes Risiko, arbeitslos zu werden

Zwar sind in den Unternehmen auch ältere Informatiker gefragt, sofern sie die aktuellsten Technologien beherrschen, trotzdem tragen sie im Vergleich zu allen anderen Berufsgruppen in ihrer Altersklasse ein besonders hohes Risiko, arbeitslos zu werden. Ebenso wie viele andere Unternehmen bevorzugen die IT-Firmen bei Neueinstellungen Kandidaten zwischen 25 und 45 Jahren. Hier wirken sich Vorurteile der Arbeitgeber, ein eventuell erforderlicher Weiterbildungsaufwand, aber auch hohe Lohnerwartungen und Sozialabgaben aus. Hinzu kommt, dass frischgebackene Uni- oder Fachhochschulabsolventen auch frisches Wissen in die Unternehmen bringen.

Integration Älterer in den Arbeitsmarkt – kommt das heraufgesetzte Rentenalter?

Durch den permanenten technologischen Wandel ist die Notwendigkeit lebenslanger Weiterbildung für Informatiker besonders ausgeprägt – das Gleiche gilt jedoch auch für alle anderen Branchen. Auch in diesem Bereich sind künftig die Unternehmen stärker in der Pflicht – auf lange Sicht werden sie es sich nicht mehr leisten können, auf die Expertise Älterer zu verzichten. Aus Sicht vieler Politiker steht inzwischen eine generelle Erhöhung der Lebensarbeitszeit auf der Tagesordnung – allerdings geht es dabei nicht nur um Strategien gegen den Arbeitskräftemangel, sondern auch um die Entlastung der Sozialsysteme.

Ob das heraufgesetzte Rentenalter im Zuge der für 2020 geplanten Rentenreform tatsächlich kommt, ist bisher eine offene Frage – seitens der Wähler sind hier vermutlich massive Widerstände zu erwarten. Ebenso fraglich ist, in welchem Masse die Unternehmen daran interessiert sind, ihre älteren Mitarbeiter so lange wie möglich im Beruf zu halten. Auch hier liegen die Unsicherheiten weniger bei den grossen Firmen, sondern bei den KMUs, die allerdings für über 90 der Schweizer Wirtschaft stehen.

Die Abschottung des Schweizer Arbeitsmarktes kann keine Dauerlösung sein

Ebenso unsicher ist, ob der Arbeitsmarkt der Schweiz durch die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative tatsächlich vor einem Teil der Zuwanderung „geschützt“ wird. Letztlich war das – ohnehin sehr knappe – Resultat des Votums nicht nur ein Indikator kultureller Ängste, sondern auch dafür, dass sich ein grösserer Teil der Eidgenossen wünscht, die ausländische Konkurrenz um Arbeitsplätze möglichst klein zu halten.



Nicht umsonst stimmten vor allem Ältere, die auch in der Schweiz überdurchschnittlich stark von Arbeitslosigkeit betroffen sind, für die Annahme der Initiative. Allerdings würde eine dauerhafte Abschottung des Schweizer Arbeitsmarktes die Wettbewerbsfähigkeit des Landes in entscheidenden Bereichen senken. So oder so steht die Eidgenossenschaft im Hinblick auf ihren Arbeitsmarkt an einem Scheideweg. Ob und wie sie die anstehenden Probleme in den Griff bekommt, wird sich in den nächsten Jahren zeigen.

 

Oberstes Bild: © Sfio Cracho – shutterstock.com

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