Schutz & Rettung Zürich: Schlussübung Omnes Vigiles - Panik im Fussballstadion

Man stelle sich folgendes Szenario vor: Wegen Terminverschiebungen aufgrund von Corona finden die Endspiele der Fussball-Amateurliga Ende Herbst statt. Es ist ein kalter Tag im November, und für den FC Höngg steht das wichtigste Spiel der Saison an.

Womit zu diesem Zeitpunkt niemand rechnet: Die Veranstaltung endet in einem sanitätsdienstlichen Grossereignis.

Zwanzig Minuten vor dem Anpfiff des Spiels ist die Tribüne schon gut gefüllt. Vor dem Eingang stehen noch immer Besuchende und versuchen, ohne Ticket aufs Areal zu gelangen. Das Spiel beginnt. Etwa fünf Minuten nach Anpfiff ist die Stimmung auf den Zuschauerrängen zwar ausgelassen, aber friedlich. Immer mehr Jugendliche drängen auf die Tribüne, die Platzverhältnisse sind eng. Plötzlich gibt eine Stütze der Last nach, worauf die Tribüne auf einer Seite einstürzt: Es bricht eine Massenpanik aus. Die Zuschauer/innen stürmen Richtung Ausgang, die Situation ist unübersichtlich, und mehrere Jugendliche werden verletzt – so beginnt die Schlussübung „Finalissima“.

Ungeplantes sanitätsdienstliches Grossereignis

Für die Bewältigung von Grossereignissen mit vielen verletzten Personen existieren bei SRZ Richtlinien und Leitfäden. Marco Sgorlon ist verantwortlich für die sanitätsdienstliche Führung bei Grossereignissen und hat die Übung zusammen mit Michael Spaltenstein, Kommandant der Sanitätskompanie der Milizfeuerwehr Zürich (San-Kp), konzipiert: „Die Einsatzkräfte werden heute mit einem Ereignis mit grossem Patientenanfall konfrontiert. Um das Szenario möglichst realistisch zu gestalten, haben wir ungefähr 50 Figurant/innen organisiert. Viele von ihnen sind in der Jugendfeuerwehr aktiv und haben einen Bezug zu SRZ.“ Beübt werden die San-Kp, der Rettungsdienst (RD) und der Verlegungsdienst (VD) von SRZ beziehungsweise die Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Partnern auf dem Schadenplatz.

Der VD ist neu im Konzept des MANV 11+ (Massenanfall mit vielen verletzten Personen) integriert und unterstützt die San-Kp beim Aufstellen und bei der Inbetriebnahme der Sanitätshilfsstelle (San Hist). Marco Sgorlon ergänzt: „Die Rettungskräfte des VD und die Angehörigen der San-Kp (San-Kp AdF) bauen zum ersten Mal gemeinsam die San Hist auf. Dabei werden wir genau hinschauen, wie diese Zusammenarbeit funktioniert. Ziel ist, dass die San-Kp AdF den Lead übernehmen. Für den Aufbau der San Hist braucht es ungefähr 25 Personen, die zeitliche Vorgabe beträgt rund 15 Minuten.“

Leistungsauftrag der San-Kp


Die San-Kp unterstützt die Einsatzkräfte von der Sanität und Berufsfeuerwehr bei lang anhaltenden Einsätzen. Bei dieser Übung wurde der Leistungsauftrag – das Aufstellen und Betreiben der San Hist – überprüft.

Die San-Kp ist ein eigenständiger Teil von SRZ und zählt rund 50 Einsatzkräfte. Diese werden aus der Bevölkerung rekrutiert und vom Kader innerhalb der Kompanie an zwölf Übungen pro Jahr aus- und weitergebildet. „Wir greifen den Einsatzkräften von Miliz- und Berufsfeuerwehr bei langandauernden Einsätzen und Übungen unter die Arme und helfen bei der medizinischen Versorgung. Ausserdem unterstützen wir den RD sowohl bei ungeplanten Grossereignissen wie Katastrophen und bei Massenanfällen von Verletzten oder Erkrankten als auch bei Grossanlässen wie dem Züri Fäscht“, erklärt Michael Spaltenstein. „Heute geht es darum, unseren Leistungsauftrag – das Aufstellen und Betreiben der San Hist sowie die Unterstützung des RD – zu festigen.

Gleichzeitig prüfen wir, ob wir das richtige Versorgungsmaterial dabeihaben.“ Ernste Einsätze, die den kompletten Aufbau der San Hist nach sich ziehen, kommen zum Glück sehr selten vor. Allenfalls wird bei einem Ereignis mit mehreren verletzten Personen ein Zelt oder ein Modul der San Hist auf den Schadenplatz gebracht. Wenn immer möglich nutzen die aufgebotenen San-Kp AdF eine Infrastruktur vor Ort. „Wenn wir Glück haben, sind solche Unterschlupfe geheizt – im Winter ist das für die betroffenen Personen einiges angenehmer, als wenn wir unsere Zelte aufbauen müssten“, so Michael Spaltenstein.

„Bei einem Grossereignis arbeiten die Rettungskräfte der Sanität und der Sanitätskompanie Hand in Hand.“

Allen ihr Aufgabengebiet


Eine Notärztin von SRZ triagiert die verletzten Personen und übergibt die Patient/innen der San-Kp zur weiteren Behandlung im Zelt.

Da der Fokus der Übung auf den Mitarbeitenden des VD und der San-Kp liegt, ist die Mehrheit der Figurant/innen nur leicht verletzt. Gemäss Patientenleitsystem (PLS) werden sie deshalb der Kategorie grün zugewiesen. Einige Personen tragen stärkere Verletzungen davon (Kategorie gelb), ganz wenige sind vital bedroht (Kategorie rot), und eine Person stirbt noch vor Ort. Das erste Team vom RD trifft auf der Hardturmbrache ein, und die Rettungssanitäter/innen besetzen die Führungsfunktionen EL San und Chef Front – eine Premiere für sie. Kurze Zeit später fahren die San-Kp AdF und die Mitarbeitenden des VD vor und beginnen mit dem Aufbau der San Hist.

Die Rettungssanitäter/innen pretriagieren bereits die verletzten Personen und übergeben die medizinische Versorgung der leicht verletzten Personen an die Mitarbeitenden des VD und an die San-Kp AdF. Unterdessen treffen auch der leitende Notarzt und die aufgebotenen Notärzt/innen von SRZ sowie der Bereichsleiter der Sanität (BL San) ein, der die Führung des EL San übernimmt: Die wichtigsten Chargen sind besetzt, die Übung ist in vollem Gang. Trotz des strömenden Regens und der kalten Temperaturen arbeiten die rund 100 Teilnehmenden – davon ca. 45 Einsatzkräfte – das Szenario engagiert ab. Obwohl zu Beginn des Ereignisses eine relativ lange Chaosphase herrscht, werden die schwerstverletzten Personen rasch geborgen und medizinisch erstversorgt. Folglich ziehen die Übungsverantwortlichen ein positives Fazit: „Aus Sicht Sanität ist dies eines der obersten Ziele bei der Bewältigung eines Grossereignisses“, erklärt Marco Sgorlon. „Die Zusammenarbeit von RD, VD und San-Kp verlief zu Beginn etwas unkoordiniert, die Abläufe spielten sich aber schnell ein. Das Besetzen von Führungsfunktionen stellt die dipl. Rettungssanitäter/innen immer wieder vor Herausforderungen.

In diesen müssen sie innerhalb weniger Minuten massgebende Entscheidungen treffen und Führungsbefehle erteilen. Eine wichtige Erkenntnis ist, dass man als Führungsperson auf Platz mehr Ressourcen zur Verfügung hat, wenn man − falls möglich − eine Assistenzperson als Unterstützung zur Seite hat.“ Flavia Bütler, Abteilungsleiterin Bildung Sanität, ergänzt: „Die Übung ist aus unserer Sicht gelungen, denn es hat sich gezeigt, dass die Prozesse bei der Ereignisbewältigung gut funktionieren. Wir haben die Schwachstellen erkannt und sind bereits daran, Verbesserungen umzusetzen.“




 

Quelle: Schutz & Rettung Zürich
Bildquelle: Schutz & Rettung Zürich

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