Wetter: Geheimnisvolle Locken im Winterwald
Heute gehen wir einem spannenden Phänomen im winterlichen Wald auf den Grund, dem Haareis. Wir schauen uns an, wann und warum es entsteht.
Wobei das Geheimnis noch nicht vollständig gelüftet ist.
Es ist immer wieder eindrücklich, im winterlichen Wald auf Haareis zu stossen. Erstaunlich ist, dass viele Waldbesucher das Phänomen übersehen und daran vorbeilaufen. Das ist natürlich schade.
Es lohnt sich nämlich, bei geeigneten Bedingungen gezielt nach Haareis zu suchen. Die Erfolgsquote ist nach ein paar Versuchen erstaunlich hoch. Doch wann herrschen ideale Bedingungen?
Voraussetzungen im Wald
Zunächst zur Auswahl des idealen Waldstücks. Diesbezüglich ist die Auswahl einfach, man sollte einen Laub- oder Mischwald aufsuchen. Ideal ist, wenn der Wald nicht «aufgeräumt» ist und viel Totholz am Boden liegt (Äste mit einem Durchmesser von ganz klein bis etwa 10 Zentimeter). Auf dem Waldboden sollte zudem kein oder nur sehr wenig Schnee liegen.
Eine wichtige Voraussetzung zur Entstehung von Haareis ist genügend Feuchtigkeit im Totholz, also sollten feuchte Stellen im Wald aufgesucht werden.
Haben wir ein ideales Waldstück identifiziert, müssen wir nur noch die richtigen Witterungsverhältnisse abwarten.
Meteorologische Bedingungen
Hier ist Regen an den Vortagen die erste gute Voraussetzung. Folgt darauf eine klare und kalte Nacht mit Temperaturen von -1 bis -5 Grad, lässt das schon erste Glückgefühle aufkommen.
Zu kalt sollte es nicht werden, das Wasser im Totholz darf nämlich nicht vollständig gefrieren. Ideal ist es auch, wenn der Wind nur schwach weht und die Luft nicht allzu trocken ist. Ansonsten sublimiert das Haareis, es geht also direkt vom festen in den gasförmigen Zustand über.
Sind alle Bedingungen erfüllt, lohnt es sich, keine Zeit zu verlieren und bei Sonnenaufgang im Wald zu sein. Mit den ersten Sonnenstrahlen wird das Haareis schön in Szene gesetzt. Die filigranen Haare schmelzen bei direkter Sonneneinstrahlung auch rasch wieder ab.
Anfang Woche waren die Bedingungen zur Entstehung von Haareis optimal. Am Dienstagmorgen (7. Februar 2023) hat der Autor im Sihlwald bei Langnau am Albis wunderschöne Exemplare entdeckt.
Mittlerweile dürfte es in vielen Wäldern bereits zu trocken für die Bildung von Haareis sein. Mit etwas Glück lassen sich an besonders feuchten Stellen oder entlang von Bächen noch einige Exemplare finden.
Warum bildet sich Haareis?
Zeitraffer von wachsendem Haareis.
Quelle: Erich Albisser/Gletschergarten Luzern (www.gletschergarten.ch/), Lizenz CC BY-NC-SA
Nun aber noch zur schwierigen Frage, warum Haareis überhaupt entsteht. Beschrieben wurde es bereits im Jahr 1918 von Alfred Wegner. Mittlerweile ist bekannt, dass es nur auf Totholz entsteht, auf dem ein Winterpilz (Exidiopsis effusa) aktiv ist. Warum das so ist, ist noch nicht abschliessend geklärt (siehe dazu auch Interview mit C. Mätzler unten).
Das Flüssigwasser in den Holzporen weist eine geringere Oberflächenspannung und einen tieferen Schmelzpunkt auf, als freies Wasser. Gefriert nun das unterkühlte Wasser aus dem Holz an der Oberfläche, wird weiteres Wasser aus dem Holz nachgesaugt und das filigrane Haar wächst in die Länge.
Quellenangaben und Literatur
- Interview mit dem Haareisforscher Christian Mätzler (ab S. 5)
- „Die faszinierende Physik von Haareis„, Artikel aus Spektrum.de
- Originalpublikation “Evidence for biological shaping of hair ice” aus Biogeosciences
Quelle: Bundesamt für Meteorologie MeteoSchweiz / Geheimnisvolle Locken im Winterwald – MeteoSchweiz (admin.ch)
Titelbild: D. Gerstgrasser