Nach Putschversuch in der Türkei: Menschenrechte wahren
Nach dem verhinderten Putsch einiger Kreise des Militärs von Freitagnacht herrschen in der Türkei Chaos und Unsicherheit. Laut den türkischen Behörden sind mindestens 290 Menschen getötet worden. Mehr als 6000 Menschen wurden nach Angaben der Regierung festgenommen, darunter rund 3000 Militärangehörige, denen vorgeworfen wird, sich an dem Umsturzversuch beteiligt zu haben.
Im Laufe des Wochenendes wurden zudem mehrere Tausend Justizangehörige – darunter Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte – abgesetzt und mehrere Hundert von ihnen festgenommen. In Ankara, wo das Parlamentsgebäude aus der Luft bombardiert wurde, und Istanbul, der grössten Stadt der Türkei, war die Gewalt besonders heftig. Unter der Zivilbevölkerung soll es Tote gegeben haben, als sich Menschen den bewaffneten Soldaten entgegenstellten.
In der Türkei hat es in der Vergangenheit bereits mehrere Militärputsche gegeben, die verheerende Folgen für die Menschenrechte hatten. Die Menschen in der Türkei leiden bis heute unter den Folgen des Militärputsches vom 12. September 1980. Während der folgenden drei Jahre einer repressiven Militärherrschaft wurden Hundertausende willkürlich in Haft genommen, viele wurden gefoltert und aussergerichtlich hingerichtet. Auch Todesurteile wurden verhängt und 50 Menschen exekutiert.
Die türkischen Behörden haben die Gefahr abgewendet, dass sich eine solche Tragödie wiederholt. Einen grossen Anteil daran hatte die Zivilbevölkerung, die sich dem Putschversuch entgegenstellte, indem sie auf den Strassen demonstrierte. Die genauen Umstände des Umsturzversuchs und der Gewalt, die darauf folgte, müssen nun umfassend und wirksam untersucht werden, die Verantwortlichen ermittelt und in fairen Verfahren vor Gericht gestellt werden.
„Der Schutz des Rechtsstaates ist die primäre Aufgabe einer jeden demokratischen Regierung. Die Putschisten in der Türkei hatten das vergessen. Umso wichtiger ist es nun, dass sich Präsident Erdogan und die türkischen Behörden daran erinnern“, sagt John Dalhuisen, Europa-Direktor von Amnesty International.
Einige Regierungsvertreterinnen und -vertreter sowie Mitglieder der Regierungspartei haben sich dafür ausgesprochen, die Todesstrafe wieder einzuführen, die auch unter den früheren Militärregierungen Anwendung fand. Amnesty International spricht sich in allen Fällen gegen die Todesstrafe aus. Sowohl die Wiedereinführung der Todesstrafe als auch die weitere Unterdrückung abweichender Meinungen in der Türkei müssen unbedingt verhindert werden.
Stattdessen sollten sich die türkischen Behörden darauf konzentrieren, die Beachtung der rechtsstaatlichen Prinzipien und der Menschenrechte zu stärken. Dafür ist es unerlässlich, die Unabhängigkeit und Wirksamkeit der Justiz und anderer Institutionen zu fördern.
Artikel von: Amnesty International, Schweizer Sektion
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