Hohe Konzentration von Kokain bei Fischen
Eine Studie der Eawag und der Universität Zürich konnte belegen, dass sich Kokain in den Augen von Zebrafischen anreichert. Mit einem neuen bildgebenden Verfahren konnte gezeigt werden, dass Schadstoffe und unter ihnen vor allem psychoaktive Substanzen im Wasser andere Reaktionen zeitigen als in „trockenen“ Labortests. Das bedeutet auch, dass die Wirkung von Kokain auf Fische weder einfach auf Säugetiere noch auf den Menschen übertragen werden kann.
Wenige Tage alte Zebrafische werden in vielen Toxikologie-Tests eingesetzt, um Versuche mit Säugetieren zu vermeiden. So auch, um die Wirkung von Drogen auf das Verhalten zu untersuchen. Forschende der Eawag haben nun zusammen mit Forschenden der Universität Zürich am Beispiel von Kokain gezeigt, dass Aufnahme, Verteilung und Wirkung von Kokain bei Zebrafischen in vielen Punkten nach anderen Mustern abläuft als bei Säugern.
Erstmals wurde dafür ein komplexes, bildgebendes Verfahren (Maldi MSI) eingesetzt, das es erlaubt zu lokalisieren, wo das Kokain im Fisch akkumuliert wird. Während acht Stunden wurden die Fischlarven dazu einer definierten Konzentration der Droge ausgesetzt. Danach wurden sie getötet, tiefgefroren und in Scheiben von wenigen Mikrometern Dicke mit Laser gescannt.
Die Bilder und Gewebeproben zeigen, dass die höchste Akkumulation von Kokain nicht im Gehirn, sondern in den Augen der Fische erfolgt: Bis über 1.500 mg/kg massen die Forschenden dort – gegenüber rund 300-400 mg/kg in Körper und Gehirn. Das ist überraschend.
Andere Studien haben zwar pauschal erhöhte Konzentrationen im Fischkopf gemessen, sind aber ohne genauere Messungen davon ausgegangen, die Anreicherung würde sich auf das Gehirn konzentrieren. Ausserdem sind die Werte verglichen mit Säugetieren sehr hoch. Bei Mäusen führen in der Regel schon 100-mal, beim Menschen 1.000-mal geringere Konzentrationen zum Tod.
Umwelttoxikologin Kristin Schirmer, die das Projekt zusammen mit Thomas Kraemer vom Institut für Rechtsmedizin der UZH geleitet hat, kann diesen Befund noch nicht schlüssig erklären. Klar ist, dass die Fischlarven das Kokain sehr schnell und kontinuierlich aufnehmen und in diesem frühen Stadium auch noch über keine vollständige Blut-Hirn-Barriere verfügen.
Schirmer und ihr Team fanden noch weitere, gewichtige Unterschiede zwischen den Fischtests und von Säugetieren bekannten Mustern: Während bei Säugern das Kokain im Hirn stimulierend wirkt und zu Hyperaktivität führt, wirkt es bei den Zebrafischen lähmend. Die Wirkung auf das periphere Nervensystem scheint – bedingt durch die schnelle Aufnahme des Kokains über die Haut und die Kiemen – eine allfällige Wirkung auf das Gehirn zu überlagern.
Und wie Säuger versuchen auch die Zebrafische das Kokain aus dem Körper zu eliminieren. Doch verlangsamt die Akkumulation in den Fischaugen den Prozess stark: Nach acht Stunden in sauberem Wasser fanden die Wissenschaftler in den Fischen immer noch 50 % des Kokains, und selbst nach 48 Stunden noch 30 %.
Für Kristin Schirmer zeigen die neuen Resultate, dass die Fischtests unbedingt noch verfeinert werden müssen, falls Aussagen auf Säuger übertragen oder zur Beurteilung der Gewässerqualität genutzt werden sollen. „Wenn wir bessere Kenntnisse über die Wirkung solcher Schadstoffe im Ökosystem haben wollen, müssen wir die Prozesse der Aufnahme über das Wasser noch genauer verstehen“, sagt Schirmer, „diese verlaufen ganz anders als wenn Drogen inhaliert oder gespritzt werden.“
Artikel von: Eawag: Wasserforschungs-Institut des ETH-Bereichs
Artikelbild: © Mirko_Rosenau / iStock