Reederei der „Costa Concordia“ gerät unter Druck
von Agentur belmedia
Neben der massiven Kritik am Kapitän der havarierten „Costa Concordia“ gerät nun die Reederei „Costa Crociere“ zunehmend unter Druck.
So wurde bekannt, dass der Kreuzfahrtriese bereits schon einmal fast exakt die gleiche Route wie am Unglückstag fuhr – und das in Absprache mit dem Unternehmen. Dabei kam der Kreuzfahrtriese der Insel Giglio sogar näher als bei der Havarie. Dies berichtet das Schifffahrtsmagazin „Lloyd’s List“. Ausserdem gibt es Spekulationen, dass die Kreuzfahrtgesellschaft die Evakuierung bewusst verzögerte.
Nur 230 Meter fuhr das Schiff am 14. August 2011 an der Insel vorbei – das ist dichter als am 13. Januar 2012. Vom Havariepunkt – es handelt sich um einen Felsen der Felsengruppe „Le Scole“ südlich des Hafens Giglio Porto – war die „Costa Concordia“ damals sogar lediglich 200 Meter entfernt. Diese für den See-Koloss geringe Distanz entschied über die Katastrophe.
Zwar hat die Reederei das Manöver vom August bereits am Montag zugegeben. Der Vorstandsvorsitzende der Gesellschaft, Pier Luigi Foschi, behauptete allerdings, das Schiff sei der Insel nie näher als die vorgeschriebenen 500 Meter gekommen. Jetzt zeigt sich: Entweder er log oder er kannte die Karte nicht.
Die Route vom 14. August 2011 sei von der lokalen Schiffsbehörde genehmigt worden, so Foschi. Anlass für den Sonderkurs sei damals das Inselfest „La Notte di San Lorenzo“ gewesen. Nicht regelkonforme Routen – um der besonderen Attraktion willen – hatten bei der „Costa Concordia“ offenbar System. Laut der Zeitung „La Repubblica“ soll der Luxusliner 50 solche Regelverstösse pro Jahr begangen haben.
Was wusste die Reederei?
Am Tag der Katastrophe soll Kapitän Francesco Schettino den riskanten Sonderkurs allerdings eigenmächtig und ohne Wissen der Reederei gewählt haben. So stellt es das Unternehmen jedenfalls dar, das weiterhin die Schuld an der Havarie dem Kapitän zuschiebt.
Dass das fatale Manöver vor der Insel Giglio keine einmalige Dummheit war, hat der Kapitän in der Vernehmung am Mittwoch zugegeben. „Ich fuhr auf Sicht, weil ich den Meeresgrund gut kannte, ich habe dieses Manöver drei oder vier Mal durchgeführt“, sagte er laut Berichten. „Aber dieses Mal habe ich die Wende zu spät befohlen, das Schiff geriet in zu flaches Wasser. Ich weiss nicht, wie das passieren konnte.“ Das Manöver sei ausserdem bereits im Hafen von Civitavecchia beschlossen worden.
Neben dem unter Hausarrest gestellten Kapitän ist inzwischen auch der Erste Offizier, Ciro Ambrosio, ins Visier der Staatsanwaltschaft geraten. Laut italienischen Medien dürfte ausserdem gegen den Zweiten und Dritten Offizier ermittelt werden.
Klar ist: Die Kreuzfahrtgesellschaft „Costa Crociere“ kann nicht so einfach Schuld und Verantwortung allein auf ihren Kapitän abwälzen. Vielmehr besteht der schwerwiegende Verdacht, dass das Unternehmen das Leben Tausender Passagiere um eines werbewirksamen Spektakels willen aufs Spiel setzte. Laut neuen Vorwürfen soll die Reederei auch bei der Evakuierung versagt haben. So spekuliert der „Corriere della Sera“, dass der Kapitän auf Anweisung der Reederei mit der Evakuierung des Schiffes extra zuwartete, um dem Unternehmen einen Imageschaden zu ersparen.
Auf das Unternehmen kommt nun ein Gesamtschaden von 500 Millionen bis einer Milliarde Dollar zu (Versicherungssumme: 500 Millionen). Ausserdem wird eine Vielzahl von Klagen gegen die Reederei vorbereitet.
Titelbild: Rvongher / Wikimedia / CC