Washabich.de: Medizinstudenten übersetzen Ärzte-Fachchinesisch

Oft halten Patienten einen medizinischen Befund in den Händen und verstehen nur Bahnhof. Zwar ist die Diagnose nach dem Besuch beim Arzt schwarz auf weiss zu lesen – nur leider im schönsten medizinischen Fachchinesisch. Ja, und was habe ich nun tatsächlich, fragt sich der Patient verunsichert. Und wie schlimm steht es um mich? Zum Nachfragen blieb leider keine Zeit – oder der Patient hat sich dazu nicht getraut.

Abhilfe verschafft jetzt ein zündendes junges Internet-Projekt: Washabich.de – ein Service für Patienten. Auf dem Portal erklären Medizinstudenten und Ärzte medizinische Befunde in verständlichem Deutsch. Und das kostenlos. Die Initiative trifft offenbar einen Nerv, der Anklang ist enorm.

Gegründet wurde das Projekt vor einem Jahr von der Dresdener Medizinstudentin Anja Kersten. „Es fing damit an, dass ich von einer Freundin eine E-Mail bekommen habe. Sie hatte einen Befund von ihrer Mutter – der Arzt hatte sich aber nicht klar ausgedrückt. Sie wollte nun wissen, was in dem Befund steht. Da habe ich ihr ihn schriftlich übersetzt“, erzählte Anja Kersten in der NDR-Talksendung „Tietjen und Hirschhausen“ (20. Januar 2012).

Zündende Projektidee: Arztdiagnosen verständlich erklären

Abends im Bett habe sie dann gedacht: „Das geht eigentlich ganz vielen Patienten so, die nicht wissen, an wen sie sich wenden sollen, wenn sie einen Befund mal nicht verstehen.“ Schon am nächsten Tag erzählte sie einem internetaffinen Kommilitonen von ihrer Idee, und die beiden beschlossen, noch einen Informatiker zu suchen, der zum Mitmachen bereit war. Innerhalb von vier Tagen war das Projekt online.

Doch warum hat es einen derartigen Service vorher noch nicht gegeben? „Wir hatten nicht nur die Idee, sondern auch die Ressourcen, um die Idee umzusetzen – also Zeit und die richtigen Leute“, erläutert Anja Kersten.

Warum Ärzte so kompliziert schreiben, erklärt die angehende Ärztin so: „Die Fachsprache ermöglicht es, in kurzer Zeit möglichst viel Wissen präzise unterzubringen.“ Um sich verständlich zu machen, müssten Ärzte die Diagnose viel ausführlicher erläutern. „Wenn uns Patienten eine Befund-Seite zuschicken, erhalten sie manchmal zehn übersetzte Seiten zurück. Das kann ein Arzt nicht leisten.“

Aber selbst wenn Ärzte die Diagnose genauer erklären, könnten sich viele Patienten dies in der kurzen Zeit oft nicht merken. Ausserdem seien viele Patienten beim Gespräch mit dem Arzt aufgeregt oder trauten sich nicht, nachzufragen.

Wie zeitintensiv das Übersetzen des Medizinervokabulars ist, macht Anja Kersten deutlich. So könne die Bearbeitung einer Patientenanfrage via Internet drei bis vier Tage dauern. Drei Stunden pro Seite könne das Übersetzen eines Befundes in Anspruch nehmen.

Internet revolutioniert Arzt-Patienten-Verhältnis

Ausdrücklich weist Anja Kersten darauf hin, dass keine Therapie-Empfehlungen oder Ferndiagnosen übers Internet gegeben werden. „Verdachtsdiagnosen stellen wir nicht.“ Das Projekt wolle den behandelnden Arzt nicht ersetzen, betont die Initiatorin. Ziel sei vielmehr der mündige Patient, der bei der Therapie mitreden kann. Zugleich sollen Ärzte geschult werden, sich gegenüber den Patienten verständlich auszudrücken.

Somit ist das Projekt für die mitwirkenden Studenten und Ärzte auch ein Kommunikationstraining. Letztlich läuft dies auf eine Revolutionierung des Arzt-Patienten-Verhältnisses hinaus: Das Internet macht es möglich.

Und wie reagierten Ärztekammer und Fachärzte auf die Initiative? „Am Anfang waren wir da skeptisch. Doch das Projekt ist bei der Ärztekammer und bei den Ärzten sehr gut angekommen. Die Landesärztekammer Sachsen unterstützt uns auch.“

Projekt auf Wachstumskurs

400 Mitarbeiter konnte das Projektteam innerhalb nur eines Jahres gewinnen, darunter sind 60 Ärzte. Sie stehen den Medizinstudenten bei Übersetzungsfragen zur Verfügung. Freuen dürfen sich die Patienten darüber, dass sie den Service kostenlos nutzen können. Wer möchte, kann den bearbeitenden Studenten eine Spende zukommen lassen.

Das einzige Problem derzeit: Offenbar übersteigt die Flut der Anfragen die Ressourcen der Initiative. So müssen Patienten, die den Service nutzen wollen, vorerst in einem virtuellen Wartezimmer Platz nehmen. „Wir wollen nächstes Jahr bei der Mitarbeiterzahl die 4000 schaffen“, berichtet Anja Kersten. Ausserdem soll das Projekt künftig ausgeweitet werden, um auch Patienten ohne Internet zu erreichen. Derzeit sucht das Projekt noch Sponsoren. Anja Kersten: „Kleine Sponsoren haben wir bereits, die grossen fehlen uns noch.“

Link zur Seite: www.washabich.de

 

Titelbild: Andrea Damm / pixelio.de

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