Ladenöffnungszeiten auf dem Prüfstand
Das Thema ist nicht wirklich neu, bewegt aber immer wieder aufs Neue die Gemüter. Erst in den vergangenen Tagen ist die Debatte um verlängerte Ladenöffnungszeiten in der Schweiz wieder neu entflammt.
Die altbekannten Parteien Handel und Gewerkschaften haben ihre Stellungen bezogen und sowohl das Wahlvolk als auch die Politik mischen kräftig mit.
Was die neuerliche Diskussion um verlängerte Ladenöffnungszeiten letztlich an Ergebnissen bringt, bleibt offener als so mancher Detailhändler. Im Beitrag möchte ich versuchen, die Haltungen der Beteiligten in ihrer jeweiligen Zielstellung diskussionsoffen darzulegen.
Der Handel will mehr Zeit für mehr Umsatz
Detailhändler leben von der Kauflaune der umsatzstarken Bevölkerungsgruppen. Besonders im hochwertigen Segment, etwa in Boutiquen, Elektronikfachmärkten oder im Design-Möbelhandel, brummt das Geschäft nur dann, wenn zahlungskräftige Kunden über ausreichend Zeit und Gelegenheit verfügen, ihre Shoppingwünsche zu erfüllen. Allerdings ist es genau dieses Klientel, das sein gutes Geld zumeist über Tag verdient.
Also meist in genau der Zeit, in der auch geshoppt werden könnte. In der Endkonsequenz greifen diese solventen Kunden besonders in den grenznahen Kantonen auf die längeren Ladenöffnungszeiten im Ausland zurück oder bestellen zunehmend mehr im Online Handel. Das schwächt die Basis genau derer, die sich auf das besonders solvente Klientel der Besserverdienenden eingeschossen haben.
Aber auch Discounter leben von der Kundschaft, die eben nur dann einkaufen kann, wenn sie nicht gerade beruflich beschäftigt ist. Dementsprechend ist der Wunsch der Detailhändler nach längeren Ladenöffnungszeiten nicht nur verständlich, sondern geradezu logisch. Ob die angepeilte Kernöffnungszeit von 6 Uhr am Morgen bis 20 Uhr am Abend, samstags nur bis 19 Uhr, hier wirklich den Kern der Sache trifft, bleibt offen.
Nach der Gesetzesvorlage dürfen die Kantone dann auch längere Öffnungszeiten erlauben, können die vorgeschlagenen Ladenöffnungszeiten ausser an landesweiten und kantonalen Feiertagen aber nicht einschränken. Sonntage bleiben von der beabsichtigten Neuregelung ausgenommen. Grundsätzlich kommt eine Verlängerung der Öffnungszeiten dem Handel entgegen. Das haben auch die Erfahrungen aus Deutschland bestätigt.
Gewerkschaften laufen Sturm
Wie immer, wenn sich ein Plus an Arbeitszeiten oder ungünstige Verteilungen der Arbeitszeit anbahnen, laufen die Gewerkschaften Sturm. Getrieben von der Befürchtung, dass dann Verkäufer und Verkaufsstellenleiter im Detailhandel noch mehr arbeiten müssen, stellen sich die Arbeitnehmervertreter fast schon vehement gegen eine Neuregelung der Ladenöffnungszeiten. Auch hier sind die Bedenken nicht unbegründet.
Spätestens dann, wenn die Händler versuchen, mit der gleichen Anzahl an Beschäftigten längere Öffnungszeiten zu stemmen, sind die Konflikte vorprogrammiert. Die Inhaber der Geschäfte sind verständlicherweise nicht unbedingt daran interessiert, mehr Arbeitskräfte mit den entsprechenden Kosten einzustellen. Im Zweifelsfall müssten sie das aber, was natürlich auch dem Arbeitsmarkt wieder zugute käme. Mit der offensichtlichen Anti-Haltung der Gewerkschaften stellen diese sich auch gegen eine Harmonisierungsempfehlung des Europäischen Parlaments. Dieses hatte eine Überprüfung der Anpassung der nationalen Regelungen angestossen.
Auch Kantone sind sich uneins
Nicht nur die Detailhändler und die Gewerkschaften stehen auf unterschiedlichen Seiten in ein und derselben Sache. Auch zwischen den Kantonen selbst herrscht Uneinigkeit. Diese wollen sich letztlich nicht in ihre souveräne Entscheidungsgewalt hineinreden lassen. Weder von den Detailhändlern, noch von der Europäischen Union. Schon aus dieser Sicht wird der neuerliche Sturm auf die bislang geltenden Ladenöffnungszeiten schwierig werden. Wie schwierig, hat schon die ausgiebige Debatte im vergangenen Jahr gezeigt. Diese wird nun wohl neu aufgelegt werden müssen. Ob damit auch neue Argumente in den Streit um die Öffnungszeiten eingebracht werden, bleibt fraglich.
Was sagt das Wahlvolk
Der Schweizer an sich ist ein gemütlicher Zeitgenosse. Solange ihm keiner ans Leder geht. Momentan lässt sich abschätzen, dass wie im vergangenen Jahr auch, die Mehrheit der Schweizer einer Verlängerung der Ladenöffnungszeiten skeptisch bis ablehnend gegenüberstehen wird. Das verwundert zwar den Detailhandel, nicht aber die Verbraucher selbst. Irgendwo will der Schweizer dann doch am Abend seine Ruhe haben und gönnt die auch den Beschäftigten im Handel. Die EU schert das wenig.
Schweizer, die weiterdenken, zeigen sich allerdings auch besorgt darüber, dass starre Ladenöffnungszeiten sowohl die touristische Attraktivität der Schweiz als auch das Inlandsgeschäft weiter verderben könnten. So werden schon jetzt Jahr für Jahr Millionen Schweizer Franken in benachbarte Länder geschleppt und dort in Euro eingetauscht ausgegeben. Ein wirtschaftliches Faktum, das nicht zu vernachlässigen ist. Ebensowenig ist das Bedürfnis vieler Schweizbesucher vernachlässigenswert, auch zu recht früher oder eben sehr später Stunden shoppen zu wollen. Dann wird nämlich auch der Schweizurlaub in Sachen Einkauf attraktiver und angenehmer.
Eine Lösung muss her
Es ist egal, wie sich Gewerkschaften, Händler, Politiker und Wahlvolk winden – eine Lösung muss über kurz oder lang her. Zumindest dann, wenn sich die Schweiz nicht noch mehr von Europa entfremden will. Wie diese Lösung aussehen kann, ist noch offen. Feststeht jedoch, dass Mehrbelastungen der Beschäftigten im Handel durch angepasste Pausen- und Arbeitszeiten ausgeglichen werden müssen. Vielleicht ist da ein ganz altes Modell eine gute Lösung: Geschäfte öffnen früh am Morgen, machen dann eine generelle Mittagspause und öffnen dann wieder bis in der späten Abend hinein. Eine Lösung die es ermöglicht, Arbeitszeiten gerecht und sinnvoll zu verteilen, die allerdings bei denen auf taube Ohren stossen wird, die rund um die Uhr ein- oder verkaufen wollen.
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