DE | FR | IT

Was die Deutschen ärgert, freut die Schweiz

24.03.2014 |  Von  |  Beitrag

Jahr für Jahr verlassen tausende deutscher Wissenschaftler ihr Land. Damit geht den deutschen Nachbarn nicht nur ein riesiges Potential an Wissen, Kompetenz und Erfahrung verloren.

Auch die eingebüsste Wissensinvestition in die Zukunft, erworben durch eine gute Schulausbildung und oftmals vom Staat finanzierte Studiengänge machen das Minus an Wissenschaftlern schmerzhaft.

Die Schweiz hingegen erfreute sich auch im letzten Jahr einer weiteren Zuwanderung von hochqualifizierten Forschern und Entwicklern, unter anderem auch aus Deutschland. Warum gehen immer mehr Wissenschaftler Deutschland aus dem Weg und suchen ihr Glück in der Schweiz? Die Antworten auf diese Frage fallen recht vielfältig aus.

Deutsche Wissenschaftler sind Spitze aber nicht motiviert

Sie sind jung, bestens ausgebildet, vielseitig und unzufrieden. Die Wissenschaftler in Deutschland fühlen sich im eigenen Land nicht mehr wohl. Zwar konnten sie hier eine umfassende Allgemeinbildung und eine hochkarätige Spezialbildung erfahren, müssen dann aber schon bei der Arbeitsplatzsuche erleben, wie wenig innovativ ihr Land wirklich ist. Viele grosse deutsche Firmen verzichten auf einen eigenen Stamm an Forschern und kaufen sich Neuentwicklungen lieber aus dem Ausland. Auch ausländische Wissenschaftler sind in Deutschland gern gesehen, lassen sie sich doch oftmals auch mit einem Bruchteil dessen abspeisen, was der gleichwertige deutsche Kollege verdienen würde. In den Universitäten, Hoch- und Fachschulen, in Forschungsanstalten der Wirtschaft und in den Kliniken spricht man mittlerweile ausser Deutsch auch Russisch, Polnisch, Tschechisch, Indisch, Türkisch oder Chinesisch.

Besonders im Gesundheitswesen fällt dieser Trend auch den Patienten auf, die sich zunehmend schwieriger mit ihrem Arzt verständigen können. Deutsche Wissenschaftler hingegen klagen über eine eher schlechte Bezahlung und darüber hinaus über eine mangelhafte Motivation. Das Land der Dichter und Denker scheint von seinem wissenschaftlichen Nachwuchs nicht mehr viel erwarten zu wollen. Nicht nur die finanzielle Lage der Wissenschaftler ist miserabel. Auch die Nachfrage nach echtem Wissen in Wirtschaft, Verwaltung und Politik macht einen Bogen um die eigenen Spezialisten. Neben finanziellen Erwägungen bleiben die Ursachen für eine solch demotivierende Wissenschaftspolitik im Verborgenen. Offenbar hat Deutschland nichts mehr zu erforschen. Ganz anders in der Schweiz. Hier werden hochdotierte und junge Wissenschaftler aus aller Welt mit offenen Armen empfangen. Besonders dann, wenn sie Deutsch oder zumindest Französisch und Englisch sprechen.

Schweiz bietet bessere Grundlagen für die Forschung

Gemeinsam mit den Amerikanern schöpft die Schweiz insgesamt 50 Prozent der deutschstämmigen Wissenschaftler ab, die im Ausland aktiv sind. Eine berauschende Bilanz, von der Deutschland selbst nur träumen kann. Offenbar hat man dort aber mit dem Träumen längst abgeschlossen und gibt sich anderen Beweggründen für eine weitere Entwicklungsarbeit hin. Bundeskanzlerin Merkel ist bereits davon unterrichtet, dass 4000 Wissensexperten in jedem Jahr der deutschen Gesellschaft verloren gehen. Eine öffentlich vernehmbare Stellungnahme dazu bleibt indes aus. Offensichtlich ist dieses Faktum der deutschen Politik genauso egal wie die fehlende Motivation der Forscher und Entwickler, die noch im Land sind. Da helfen die Millionenbeträge für das Zurückgewinnen einmal gegangener Wissenschaftler recht wenig.

Im Vergleich zu Deutschland sind die Bedingungen für wissenschaftliches Arbeiten in der Schweiz und in den USA ungleich günstiger. Angefangen bei den Salären bis hin zur wirklichen Freiheit der Forschung bietet die Schweiz ihren wissenschaftlich tätigen Neubürgern deutlich bessere Chancen und Möglichkeiten. Das bestätigen nicht nur die Zahlen, sondern auch Aussagen deutschstämmiger Wissenschaftler in der Schweiz.

Die Eidgenossen freuen sich über eine Entwicklung, die den Deutschen nach und nach schmerzhaft bewusst wird. Eine überdurchschnittlich gute universitäre Ausbildung und das hohe Engagement der deutschen Wissenschaftler machen eben auch den Schweizern Spass. Neben der besseren finanziellen und sachlichen Bedingungen in der Schweiz ist es aber auch die politische Offenheit für Neues, was die Schweiz zum attraktiven Wissenschaftsstandort macht. Alte verkrustete Strukturen in Deutschland, eine schleichend zunehmende politische Reglementierung der Forschung und wenig Verständnis für schöpferische Arbeit machen Deutschland deutlich weniger attraktiv.

Änderung nicht in Sicht

Bleibt die deutsche Grundhaltung zu Wissenschaft und Forschung so wie sie derzeit ist, werden sich die Schweizer auch weiterhin über den wissenschaftlichen Nachwuchs aus Deutschland freuen dürfen. Eine durchgreifende Änderung ist jedenfalls nicht in Sicht. Unternehmen sparen zugunsten schneller Profite oder einer überfälligen Konsolidierung gern auch am wissenschaftlichen Know-how, die Landesregierungen und die Bundesregierung bewegen sich hier nicht wirklich. Im Gegenteil: Zwar wird ständig beteuert, wie wichtig Bildung, Forschung und Entwicklung seien, wahre Fortschritte gibt es jedoch nicht. Viele für Bildung eingeplante Mittel werden einseitig für die schulische Integration schlecht vorgebildeter Ausländer und deren Kinder investiert – mit mässigem Erfolg. Unter anderem diese Mittel fehlen letztlich der Förderung des Wissenschaftsstandortes Deutschland. Kein Wunder, wenn auch in einigen Wissensbilanzen in der Wirtschaft und bei den regelmässigen PISA-Studien Deutschland eher mässig abschneidet.

Für die Schweiz ist die Trägheit der deutschen Wissenschaftspolitik ein echter Zugewinn. Auch wenn der eine oder andere deutsche Wissenschaftler die Rückkehr in das eigene Land erwägt, bleiben stetig mehr deutsche Forscher in der Schweiz. Und das nicht nur wegen der besseren Gehälter. Vor allem ist es wohl die sehr offene wissenshungrige Atmosphäre im Alpenstaat, die neben den ohnehin recht guten Lebensbedingungen die klügsten Köpfe Deutschlands in der Schweiz hält.

 

Oberstes Bild: © bikeriderlondon – Shutterstock

[xcatlist name="beitrag" numberposts=24 thumbnail=yes]