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Cannabis – verbieten oder freigeben?

28.03.2014 |  Von  |  Beitrag

Zu den als weich bezeichneten Drogen gehört Cannabis. Der berauschende Stoff aus der Hanfpflanze ist in der Schweiz verboten.

Allerdings sprechen sich immer mehr Spezialisten für eine Öffnung des Marktes aus. Begründet wird ein solches Ansinnen damit, dass der Konsum von Cannabis kaum solche Folgen zeige wie etwa der von Heroin oder künstlichen Drogen wie Ecstasy oder Crystal Meth.

Andere Experten wiederum warnen vor der Freigabe von Cannabis, weil sie hier einen legalisierten Einstieg in eine Drogenkarriere sehen. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass THC – der Wirkstoff der Cannabispflanze – doch nicht so harmlos ist wie oft propagiert.

Was nicht verboten ist, reizt weniger

Besonders junge Menschen fühlen sich von fast allem angezogen, das verboten ist. Eine solche Entwicklung ist in der pubertären Phase völlig normal und spiegelt das Streben nach eigenen Lebenswegen, Erfahrungen und Lösungen wider. Erfahrene Eltern wissen, dass sie besonders in diesem Alter mit Verboten oftmals genau das Gegenteil erreichen. Dennoch kann natürlich nicht auf klare Regeln verzichtet werden. Das betrifft auch den Umgang mit weichen Drogen wie Alkohol, Nikotin und Cannabis.

Kann ein Fallen des Cannabis-Verbots den Reiz der Droge herabsetzen? Einige in der Drogenhilfe aktive Experten sagen, dass die Anreize, die derzeit mit Verboten gesetzt werden, deutlich niedriger seien, wenn die Verbote fallen. Wer rauche schon heimlich und freiwillig die erste Zigarette, wenn der Tabakkonsum bis zu einem gewissen Alter nicht verboten wäre? Schnell kommen, so die Theorie, Probierer dahinter, dass Tabakrauchen an sich nicht anders schmeckt als der Qualm einer angebrannten Zeitung. Wir klären unsere Kinder und Jugendlichen über die Gefahren des Rauchens auf, und so entscheiden sich viele junge Leute mit Wissen gegen den Nikotinkonsum. 

Viele – aber lange nicht alle. Denn der „Reiz des Verbotenen“ ist nicht die einzige Komponente beim Konsum von Rauschmitteln. Um auf die Zigarette zurückzukommen: Sie bietet schnelle Beruhigung in Stresssituationen und einen kurzen Rausch. Deswegen bleiben Kettenraucher darauf hängen. Unstrittig ist freilich, dass Aufklärung in jedem Fall ein unabdingbarer Bestandteil wirksamer Drogenprävention ist.

Aufklärung hilft bei der individuellen Standortbestimmung

Wer bewusst mit gefährlichen Stoffen umgehen will, braucht dafür eine passende Aufklärung. Verbote allein können diese nicht leisten. Diese Einsicht begleitet die Aktivitäten derer, die Cannabis legal in der Abgabe und im Gebrauch machen wollen. Mit ihren Forderungen schiessen sie allerdings über das Ziel hinaus.

Die grösste Wirkung der Entkriminalisierung und öffentlichen Freigabe sei im Bereich der Drogenkriminalität zu sehen, so die Legalisierungs-Befürworter. Das betreffe die Beschaffungskriminalität genauso wie die versteckten und verbotenen Handelswege. Weit gefehlt, wie ein Experiment der Stadt Basel bewies: Die Toleranz der Behörden gegenüber „Hasch-Läden“ endete in mafiösen Strukturen unter den Cannabis-Verkäufern. 2002 und 2003 musste die Polizei durch grossangelegte Razzien den legalisierten Drogenhändlern wieder den Garaus machen.

Wahrscheinlich werden aufgrund dieser Vorfälle heute eher Apotheken als Abgabestellen favorisiert. Stellt sich nur die Frage, welcher gestandene Apotheker sich als Dienstleister für zumeist jugendliche Kiffer instrumentalisieren lassen möchte.

Eine individuelle Standortbestimmung zu Drogen funktioniert immer nur dann, wenn sie von Aufklärung begleitet wird. So sind beispielsweise die Niederländer und die Amerikaner deutlich besser über Cannabis und seine Wirkungen und Risiken aufgeklärt als die Schweizer. Mit der Freigabe des Handels von Cannabis in den Niederlanden mag dort der Umsatz der weichen Droge zu keiner Zeit angestiegen, sondern stetig gesunken sein – muss man die Legalisierung deswegen unbedingt mitmachen? Was oft vergessen wird: Auch in Holland gibt es nach wie vor sehr restriktive Rahmenbedingungen für den Cannabisbesitz und -konsum, z.B. ist keine Werbung gegenüber Jugendlichen erlaubt, auch Touristen dürfen in Holland kein Cannabis mehr legal erwerben.

Cannabisverkauf unter staatlicher Obhut?

Ein zunächst logisch erscheinendes Argument für die Cannabis-Legalisierung entpuppt sich auf den zweiten Blick als absurd: die Freigabe von Cannabis ermögliche eine staatliche Beteiligung am Markt. So können die Produkte besteuert werden und gesetzlich mit der Auflage zur Deklaration der Inhaltsstoffe belegt werden. Damit ziehe der Staat mehr Steuern ein, der Verbraucher hingegen wüsste, was in seinem Cannabis wirklich drin ist. Hasch mit „Staatlich geprüft“-Siegel!? 

Es stimmt: Im Bereich des illegalen Drogenhandels wird gepanscht und vermischt, was das Zeug hält, und nicht einmal bei Cannabis aus der Hanfpflanze ist letztlich klar, was wirklich drin ist. Sicherlich könnte eine staatliche Überwachung gefährliche Verunreinigungen aus den Produkten heraushalten. Es erscheint jedoch grotesk, dass der Staat einerseits Anti-Drogen-Kampagnen fährt, andererseits an einem „Reinheitsgebot“ für eine psychoaktive Droge mitwirkt.

Cannabis und Alkohol – ein hinkender Vergleich

Natürlich wird an dieser Stelle sofort eingewendet: „Aber der Staat überwacht doch auch den Alkoholmarkt und profitiert über Steuern davon. Ist denn Alkohol eine weniger gefährliche Droge als Cannabis?“

Selbstverständlich ist auch Alkohol ein Rauschmittel, das Menschen – und leider nicht zu wenige – zugrunde richten kann. Eine Bagatellisierung von übermässigem Alkoholkonsum ist dementsprechend absolut unangebracht. Dennoch: Viele alkoholische Getränke haben Kulturcharakter und werden von den allermeisten Konsumenten als reines Genussmittel mit sozialisierendem Impetus betrachtet. Die Wirkung von Alkohol ist zudem gut berechenbar.

Ganz anders Cannabis: Stinkende Joints passen weder zu Hochzeiten noch zu Empfängen oder gemütlichen Kaminabenden; wer jedoch einmal an einer Kifferparty teilgenommen hat, weiss was leeres Geschwätz, törichtes Gekicher und extensives Zeit-Totschlagen bedeutet. Ebenfalls zu wenig öffentlich diskutiert wird die hinterhältige und unberechenbare Wirkung von THC im Körper. Manche vertragen Joints und Kekse en masse, andere werden schnell psychotisch und können im Extremfall ihre gesamte Existenz verlieren.


Glaubt man unterschiedlichen Befragungen, dann stellt sich das Schweizer Wahlvolk selbst nicht mehr hinter das strikte Verbot.

Glaubt man unterschiedlichen Befragungen, dann stellt sich das Schweizer Wahlvolk selbst nicht mehr hinter das strikte Verbot. (Bild: issumbosi / Shutterstock.com)


Wo steht das Wahlvolk?

Der Wandel in der öffentlichen Meinungsbildung trägt indes bereits Früchte. In einigen Kommunen ist das Kiffen mittlerweile fast legal, der Besitz von unter zehn Gramm Cannabis ist nicht mehr strafbewehrt. Damit gehen die Entscheider selbst kleine Schritte hin zur Liberalisierung des Cannabis-Gebrauchs in der Schweiz.

Glaubt man unterschiedlichen Befragungen, dann stellt sich das Schweizer Wahlvolk selbst nicht mehr hinter das strikte Verbot. Das hat sicherlich auch damit zu tun, dass sich die Bevölkerungsstruktur verändert hat und die Generation der 68er jetzt hier zum Grossteil des Wahlvolkes gehört. Daran ändern auch Meldungen aus Deutschland nichts, nach denen im letzten Jahr drei Tote aufgrund von Cannabis-Missbrauch zu verzeichnen waren. Aufklärung wäre das Gebot der Stunde – echte Aufklärung, nicht grüne pseudopädagogische Augenwischerei. Dann erst können die Menschen in der Schweiz vernünftig entscheiden, ob sie wirklich legales Cannabis wollen oder nicht.

 

Oberstes Bild: © Nikita Starichenko / Shutterstock

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