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Sauberes Trinkwasser: Wer soll es bezahlen?

28.03.2014 |  Von  |  Beitrag

Im weltweiten Vergleich gesehen hat die Schweiz durchaus das sauberste Trinkwasser. Dieses liegt qualitativ oftmals weit über einem guten Mineralwasser.

Dennoch tun sich Fragen auf. Besonders dann, wenn es um die Reinigung von Brauchwasser bezüglich mikroskopisch kleiner Mikrobestandteile geht, die in einem guten Trinkwasser nichts zu suchen haben.

Dabei geht diese Frage nicht nur in Richtung Reinheit, sondern vor allem auch in Richtung der Bezahlbarkeit sauberen Trinkwassers. Hier herrschen unterschiedlichste Meinungen, die es sorgfältig abzuwägen gilt.

Da sprudelt der Bergquell direkt aus der Wand

Nicht nur die Schweizer selbst loben gern ihr meist quellklares Trinkwasser. Auch viele Reisende und Touristen sind begeistert und ziehen den Schluck aus der Wasserleitung oftmals gern einem Mineralwasser aus der Flasche vor. So weit, so gut. Auch wenn im weltweiten Vergleich die Schweizer Trinkwasserqualität ganz weit oben steht, mehren sich die Bedenken.

Vor allem Mikropartikel aus im Abwasser vorhandenen Chemikalien, Hormonen und Medikamenten sorgen für Verunsicherung. Während auf der einen Seite die Chemikalienbelastung mit konventionellen Filtriersystemen gut zu beherrschen ist, stellen auf der anderen Seite Belastungen durch Hormone und Medikamente im Abwasser die weitaus grössere Herausforderung dar. Diese Mikropartikel gefährden zunehmend die Reinheit des Schweizer Trinkwassers.

Woher die Mikropartikel kommen

Die Herkunft von Hormonen und unterschiedlichsten Medikamenten im Trinkwasser hat unterschiedliche Quellen. Ein gewisser Teil der Verunreinigungen durch Medikamente kommt ohne Frage aus den privaten Haushalten. Bedenkenlos in die Toilette oder in das Spülbecken gegebene Medikamentenreste lösen sich auf und gelangen so über das Abwasser in die Klärwerke. Dort lassen sich bestimmte Bestandteile nur schwer ausfiltern, zumal die Bandbreite der Wirkstoffe in den Medikamenten immer breiter wird.

Aber auch aus der Pharmaindustrie selbst stammt ein grosser Anteil der Verunreinigungen mit Mikropartikeln aus Medikamenten. Hier befindet sich auch die Quelle der eingespülten Hormone, die vor allem in zwei Bereichen eingesetzt werden. Einmal in der medizinischen und kosmetischen Behandlung von Menschen und zu einem weitaus grösseren Teil aus der hormonellen Beeinflussung in der Tier- und Pflanzenzucht. Schon in relativ geringen Mengen von nur weniger Mikrogramm pro Liter stellen Medikamentenreste und Hormone im Trinkwasser eine deutliche Gefährdung für Mensch und Tier dar. Hier müssen die Abwasserbehandlungsanlagen deutlich und konsequent reagieren.


Abwasser-Will-Rodrigues-Shutterstock.com

Grenzwerte bestimmen und Klärwerke modernisieren. (Bild: Will Rodrigues / Shutterstock.com)


Grenzwerte bestimmen und Klärwerke modernisieren

In den letzten Jahren wurden die Grenzwerte für Mikropartikel im Trinkwasser deutlich korrigiert. Dabei geht es darum, die Trinkwasserqualität zumindest zu stabilisieren, aber besser noch zu verbessern. Das Mass der Dinge ist dabei die Gesunderhaltung der Bevölkerung. Dass dabei vor allem die Mikropartikel aus Medikamenten und Hormonen ein grosses Problem darstellen, versteht sich bei genauerer Betrachtung von selbst.

Befinden sich beispielsweise messbare Spuren von Antibiotika im Trinkwasser, dann hat das Auswirkungen auf alle Menschen, die irgendwann einmal auf die Gabe von Antibiotika angewiesen sind. Die ständige Bombardierung des Körpers mit im Trinkwasser vorhandenen Antibiotika führt bei den zu bekämpfenden Keimen zu einer gewissen Resistenz. Dadurch wird die verordnete Gabe von Antibiotika wirkungslos und Krankheitserreger können sich weiter ungehindert ausbreiten.

Hier und bei der Ausfilterung hormoneller Bestandteile im Trinkwasser sind die Klärwerke gefragt. Anfang März 2014 hat der Nationalrat sein Ja zu Änderung des Gewässerschutzgesetzes gegeben. Damit kommen auf die Klärwerke oftmals teure Aufrüstungen der bestehenden Anlagen zu. Etwa 100 der bestehenden 700 Abwasserreinigungsanlagen müssen entsprechend modernisiert werden. Ein Kostenaufwand von cirka 1,2 Milliarden Franken, der in maximal 20 Jahren zu stemmen ist.

Infolge einer teureren Abwasserbehandlung werden zweifelsfrei auch die Trinkwasserpreise steigen müssen, um die gewohnte Quellqualität des Schweizer Trinkwassers erhalten zu können. Ein Viertel dieser Kosten sollen die Betreiber der Abwasserreinigungsanlagen tragen, auf den restlichen Kosten bleiben letztlich die Verbraucher sitzen. Das bedeutet in etwa eine Abgabe von 9 Franken jährlich für jeden Einwohner, verteilt auf den vorgesehenen Zeitraum von 20 Jahren, also etwa 180 Franken pro Kopf der Bevölkerung an zusätzlichen Kosten für Wasser.

Hier sieht die SVP einen Verstoss gegen die Verteilungstransparenz. Letztlich würden nicht die Verursacher des eigentlichen Problems die Kosten tragen, sondern die breite Masse der Verbraucher. Die industriellen Verursacher der Verunreinigungen wären sauber aus dem Schneider raus.

Wer soll nun bezahlen?

Bezahlen wird die Modernisierung der Klärwerke letztlich wohl doch der Verbraucher. Ein Verursacherprinzip konsequent durchzusetzen, sei nach Meinung vieler Bundesräte eher nicht zu machen. Hier stinkt es schon sehr nach Lobbyismus in der politischen Entscheidung zum Gewässerschutz und zur Trinkwasserqualität. Was bitteschön ist schwierig daran, den Verursachern der Mikropartikelbelastung mit Hormonen und Medikamentenbestandteilen etwas tiefer in die Tasche zu greifen?

Hersteller beispielsweise von Medikamenten oder Kosmetika müssten dann eben für ihre Produkte eine entsprechende Abgabe leisten. Offensichtlich steht dann aber hier der Schutz der Grossindustrie doch weiter oben an, als der Schutz von Umwelt und Bevölkerung. Zumindest was die Kosten betrifft.

Nachdem die Gesetzesnovelle den Nationalrat passiert hat, gehen die Änderungen im Gewässerschutzgesetz nun in die Schlussabstimmung. Die wird wohl wie zuvor schon gegen den Widerstand der SVP zugunsten der Kostenumlage auf die Klärwerke und auf die Verbraucher ausfallen. Kein schönes Signal, wenn der Lobbyismus wieder einmal zulasten der Bevölkerung gewinnt. Aber immerhin ein gutes Zeichen dafür, dass auch künftig Schweizer Trinkwasser in der Qualität Weltspitze bleibt.

 

Oberstes Bild: © NOBUHIRO ASADA / Shutterstock

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