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Spielsucht auf hohem Niveau

14.04.2014 |  Von  |  Beitrag

Deutlich über 120’000 Schweizer sind spielsüchtig. Alle paar Jahre wird eine entsprechende Statistik aufgelegt, die jedoch ausser Zahlen keine wirklichen Hintergründe liefert.

Die Masse der registrierten Spielsüchtigen sind die, welche in Kasinos, über Online-Wetten oder auf ähnliche Weise ihr Geld verzocken. Und manchmal auch ihre Existenz.

Eine Spielsucht auf hohem Niveau zeigen etwa 6’000 Börsenhändler, die auch hier Kopf und Kragen riskieren. Besonders deshalb, weil die Mechanismen an der Börse anders funktionieren als am Spielautomaten.

50’000 Börsendeals am Tag

Nein, dies ist nicht die Summe all derer Transaktionen, die täglich aus der Schweiz heraus an der Börse platziert werden. Uli Hoeness ist Inhaber dieses zweifelhaften Spitzenwertes. Der deutsche Fussballmanager, verurteilter Steuerhinterzieher und Finanzjongleur setzte nicht selten allein 50’000 Deals an nur einem Tag. Hier wurde mit Millionen gezockt. Deshalb gehört Hoeness sicherlich zur Gruppe der Spielsüchtigen auf hohem Niveau.

Schon im Gerichtsprozess wegen Steuerhinterziehung wurde klar, dass ein solches Verhalten nicht nur rechtlich problematisch ist, sondern ganz deutliche Züge einer krankhaften Spielsucht zeigt. Davon betroffen sind die Börsenspieler mit hohem Portfolio genauso wie die ungezählten kleinen Anleger, die im Daytrading ihr grosses Glück suchen, dabei aber meist nur den Ruin finden.

Was macht die Börse für Spieler so anders?

Wer in ein Kasino geht und dort fleissig die Geldspielautomaten füttert, weiss, dass hier eigentlich nur das Kasino selbst der Gewinner ist. Dasselbe trifft auch auf die zahlreichen Online-Casinos zu, die nicht selten mit Millionen-Jackpots locken. Der einzelne Spieler geht natürlich davon aus, dass er selbst der Gewinner unter Tausenden von Verlierern ist. Gelegentliche Gewinne stärken diese Selbstsicht und erhöhen dann natürlich auch die Wahrscheinlichkeit, spielsüchtig zu werden. Verluste können scheinbar mit Gewinnen wieder ausgeglichen werden. Das glauben zumindest Spielsüchtige, die vom Automaten oder Spieltisch nicht loslassen können.



Etwas anders funktionieren die Mechanismen an der Börse. Vor allem im Daytrading, also im taggleichen Handel mit Wertpapieren, Rohstoffderivaten oder Optionen, werden tagtäglich Milliarden weltweit umgesetzt. Hier folgen kurzfristige Gewinne oftmals ebenso schnell den entsprechenden Verlusten. Nach einer Reihe erfolgreicher Trades kommen die einen oder anderen falsch gesetzten Optionen und schnell verliert man den Überblick über die tatsächlichen Gewinne oder Verluste. Letzten Endes wird hier nicht mit Bargeld gespielt, was das Gefühl für Gewinn oder Verlust auf eine andere Ebene transferiert. Übrigens bleiben die Gewinne ohnehin länger im Gedächtnis als die Verluste.

Das eigenartige Denken der Trader

Anders als im Kasino glauben Trader stets gut informiert zu sein. Sie verfolgen Charts und Wirtschaftsnews, beobachten den Markt, suchen nach todischeren Tipps und verfügen selbstredend über ein grosses Selbstbewusstsein. Oft im Minutentakt werden die unterschiedlichsten Optionen ausgereizt, Gewinne und Verluste generiert. Was früher eigentlich nur mit persönlicher Präsenz ging, funktioniert heute auch am heimischen PC. Dem Zocken um Millionen sind also kaum Grenzen gesetzt. Dabei gehören 90 % der Daytrader zu den letztlichen Verlierern.

Dabei denken die meisten süchtigen Trader, dass sie in der Endkonsequenz unangreifbar wären. Selbst bei grossen Verlusten können die Börsensüchtigen Argumente für diese Entwicklung vortragen und sind sich sicher, mit dem nächsten Deal wieder auf der Gewinnerseite zu sein. Das funktioniert oftmals tatsächlich und kurbelt die Suchtspirale so richtig an.


Ganz genauso wie bei anderen angenehmen Erlebnissen, wird beim Gewinn an der Börse vom Gehirn Erfolg signalisiert.

Ganz genauso wie bei anderen angenehmen Erlebnissen, wird beim Gewinn an der Börse vom Gehirn Erfolg signalisiert. (Bild: stocksolutions / Shutterstock.com)


Was süchtige Börsendealer fühlen

Ganz genauso wie bei anderen angenehmen Erlebnissen, wird beim Gewinn an der Börse vom Gehirn Erfolg signalisiert. Eine höhere Ausschüttung von Glückshormonen verführt schnell wieder zum nächsten Kick. Mündet der in Verluste, wird das mit einem Schulterzucken und einem vermeintlich ausgleichenden Deal beantwortet. Wirklich wach werden die meisten süchtigen Börsenspieler erst im totalen Bankrott. Dann allerdings ist es zu spät.

Auch erfolgreiche Börsenhändler sind von der Spielsucht nicht ausgenommen. Diese bewegen sich allerdings eher auf der Seite der wenigen Gewinner. Aber auch hier drohen mit zunehmenden Gewinnen ebenso größere Gefahren. Die Chancen und Möglichkeiten werden zunehmend falsch eingeschätzt, Verluste werden nicht wirklich registriert und nicht selten wird dann mit noch höheren Summen gepokert. Hier besteht wirklich eine Spielsucht auf hohem Niveau.

Den Kreislauf beenden

Auch wenn in diesem Segment mit mehrstelligen Beträgen gehandelt wird und scheinbar endlos Geld zur Verfügung steht, brauchen auch die spielsüchtigen Börsendealer dringend Hilfe. Allerdings muss sich dafür erst ein eigenes Erkenntnismodell entwickeln. Schwierig wird das dann, wenn einzelne Daytrader gewissermassen vom Börsenhandel leben. Dann wird die Schmerzgrenze schon ausserhalb der finanziellen Möglichkeiten angesetzt. Kredite müssen die Spielsucht weiter befriedigen, anstatt einer seriösen Beschäftigung nachzugehen. Therapiefähig sind auch die hochkarätigen Spielsüchtigen erst dann, wenn der Leidensdruck gross genug geworden ist. Dann allerdings ist es für viele bereits zu spät

Folgt man den Statistiken der entsprechenden Organisationen, dann sorgt letztlich auch die weitere Globalisierung für eine Zunahme der Spielsüchtigen an der Börse. Immerhin kann sich jeder mit nur wenigen Klicks beispielsweise am Handel mit Optionen beteiligen, selbst dann, wenn die Mechanismen, Chancen und Risiken an der Börse gar nicht verstanden worden sind. Hier bedürfen im Gegensatz zu den Kasinos besonders auch finanzstarke und selbstbewusste Suchtgefährdete einer professionellen Unterstützung und gegebenenfalls auch psychologischer und therapeutischer Hilfe.

 

Oberstes Bild: © casino-stocksolutions-Shutterstock

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