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Grossbritannien vernetzt das Gesundheitswesen

18.04.2014 |  Von  |  Beitrag

[vc_row][vc_column width=“1/1″][vc_column_text]Die britische Regierung hat beschlossen, das eigene Gesundheitswesen zu vernetzen. Das Big-Data-Projekt stösst aber nicht nur auf Zustimmung, denn die Vernetzung erfolgt gänzlich ohne Zustimmung der Patienten. Dadurch droht eine eigentlich gute Idee für die britische Regierung zum Desaster zu werden. Selbst offizielle Organisationen haben Zweifel an der Umsetzung.

NHS reformiert Gesundheitswesen

NHS steht für National Health Service und ist eine aus Steuern finanzierte Organisation, die in Grossbritannien das komplette Gesundheitssystem reguliert. Da neben England auch noch Nordirland, Schottland und Wales betreut werden, setzt es sich aus insgesamt vier eigenständigen Organisationen zusammen, die unter dem Begriff NHS zusammengefasst wurden. Gegründet wurde die Organisation kurz nach dem Zweiten Weltkrieg im Jahr 1948. Sie soll jedem Bürger in Grossbritannien eine finanzierbare Gesundheitsversorgung ermöglichen, sowohl über Primärärzte (Hausärzte) als auch über Sekundärärzte (Spezialisten). Durch den NHS haben selbst Reisende aus der EU einen Anspruch auf kostenlose medizinische Versorgung.

Während der NHS selber eine gute Sache ist, da er die medizinische Versorgung jedes Bürgers unabhängig von Einkommen oder wirtschaftlicher Stellung erlaubt, könnte seine Reputation aufgrund des Big-Data-Projektes nun ins Gegenteil kippen. Die konservative Regierung unter Premier David Cameron beschloss die Umsetzung des Projektes ohne Zustimmung der Bürger, welche nun fürchten, dass ihre medizinische Historie entweder in die Hände Fremder gelangen oder die Vernetzung einen medizinischen „gläsernen Bürger“ mit sich bringen könnte.

Gute Idee mit schlechter Organisation

Bereits seit mehr als zwei Jahrzehnten sammeln Krankenhäuser in Grossbritannien anonymisiert Patientendaten, welche dann zusammen mit den Daten der Hausärzte in das care.data-Projekt eingelesen werden sollen. Premierminister David Cameron möchte mit dem Projekt einen Grundstein für die ultramoderne Vernetzung medizinischer Daten legen, welche nicht nur umfangreiche Studien ermöglichen, sondern komplett anonymisiert auch den Pharmakonzernen zur Verfügung gestellt werden.[/vc_column_text][vc_separator color=“grey“][vc_column_text]

Bereits seit mehr als zwei Jahrzehnten sammeln Krankenhäuser in Grossbritannien anonymisiert Patientendaten. (Bild: phipatbig / Shutterstock.com)

Bereits seit mehr als zwei Jahrzehnten sammeln Krankenhäuser in Grossbritannien anonymisiert Patientendaten. (Bild: phipatbig / Shutterstock.com)

[/vc_column_text][vc_separator color=“grey“][vc_column_text]Die Verteilung von Ressourcen und Arbeitsprozesse sollen in ganz Grossbritannien auf diese Weise optimiert werden. Dadurch soll sich nicht nur der aktuell ausgesprochen hohe bürokratische Aufwand des NHS verringern, zugleich soll ein weiteres Fundament für die Lebensmittelforschung gelegt werden. Mögliche wirtschaftliche Vorteile sind ebenfalls nicht auszuschliessen, falls die Daten kommerziell zur Verfügung gestellt werden. Der NHS könnte dann von Pharmakonzernen und privaten Organisationen Geldbeträge verlangen, um die Erhebung und Bereitstellung dieser Daten zu finanzieren. Kommerziell genutzt, würden die Daten in jedem Fall immer komplett anonymisiert werden.

Viele Schattenseiten bei care.data

Während sich das Unterfangen positiv andeutet, erfährt es derzeit mehr Kritik als jedes andere Projekt der Regierung. Erstmals wurde es vor mehr als zwei Jahren angekündigt, als es von der Bevölkerung zumindest noch zu weiten Teilen als positiv oder zumindest nützlich gewertet wurde. Die Umsetzung hat nun aber nicht nur Wasser auf die Mühlen der Kritiker gegeben, sondern auch die öffentliche Meinung über das Big-Data-Projekt kippen lassen. Selbst die Medien spiegeln die offene, kritische Einstellung zum Projekt wider.

Der Grund liegt vor allem in Sorgen um den Datenschutz. Wie erst kürzlich der OpenSSL-Heartbleed-Bug gezeigt hat, sind selbst die scheinbar sichersten Mechanismen nicht frei von Lücken und Bugs. Fremde könnten, sofern sie in die Datenbank eindringen, sofort auf Millionen von Patientendaten zugreifen. Diese könnten dann auf dem Schwarzmarkt verkauft oder für andere Zwecke eingesetzt werden.

Abseits derartiger Angriffe rufen aber auch die Organisation und Handhabung der Daten Kritik hervor. Der NHS soll demnach die Erlaubnis besitzen, die gesammelten Daten auf Anfrage an die Polizei weiterzugeben. Zugleich wurde bekannt, dass die Akten der Krankenhäuser auch an sogenannte Aktuariate weitergegeben werden. Diese Unternehmen werden vorwiegend von Versicherungsträgern angeheuert, um das Risiko und die Wirtschaftlichkeit einer Versicherung zu ermitteln. Die Folge könnte sein, dass physisch oder psychisch kranke Menschen künftig zum transparenten Bürger und von Versicherungen für einen Grossteil der Policen abgelehnt werden – weil ihr medizinisches Risiko schlicht keine Wirtschaftlichkeit für den Versicherungsträger mit sich bringen würde.

Auch die Kooperationen des NHS werfen mehr Schatten als Licht auf das Projekt. Aktuelle Medienberichte enthüllen, dass die Daten in den USA, auf einem Server des Internetriesen Google, verstaut werden. Zugleich wird mit hochbezahlten Consultingfirmen wie PwC oder McKinsey zusammengearbeitet, auch eine enge Verbindung zum Pharmakonzern AstraZeneca wird dem NHS unterstellt.

Technische Unwissenheit wird ausgenutzt

In der Kundgebung gegenüber Bürgern und Ärzten wurde die Natur des Projektes weitestgehend verschleiert. Hier wurde eher darauf fokussiert, dass es sich um eine digitale Patientenakte handle, nicht aber darauf, dass alle Daten im Netz in einer Form von Big-Data-Projekt verstaut werden. Folglich wurde der Eindruck erweckt, die digitale Vernetzung solle medizinische Vorteile für den Patienten bringen – auch wenn das, zumindest primär, eben nicht der Fall ist. Mittlerweile werden dem NHS-Projekt fundamentale Mängel unterstellt, während die Sicherheitslücken im Netz weitere Bedenken bei Patienten hervorrufen.

 

Oberstes Bild: © everything possible – Shutterstock.com[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row]

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