Die Fussball-WM führt zu Schlafmangel
von Olaf Hoffmann
Grund dafür sind die späten Spiele, die so manchem Schweizer einen guten Teil seines gewohnten Schlafes rauben werden.
Lebensrhythmus stellt sich um
Für absolute Fussballfans werden die drei Wochen Fussballfest im Sommer eine schwere Zeit. Da die Spiele jeweils erst um 22:00, 24:00 und teilweise sogar erst um 03:00 Uhr angepfiffen werden, verzichtet so mancher Schweizer auf seinen gewohnten Schlaf. Und selbst echte Fussball-Ignoranten werden an vereinzelten Schlafstörungen nicht ganz vorbeikommen. Schon wegen der begeisterten Tor-Schreie so mancher Nachbarn.
Normalerweise geht der erwerbstätige Durchschnitts-Schweizer gegen 23:00 Uhr ins Bett und steht dann zwischen 06:00 und 06:30 Uhr wieder auf. Dann hat er etwa sieben Stunden geschlafen, fühlt sich ausgeruht und fit. Zumindest an den Wochentagen.
Anders kann das während der Fussball-WM werden. Wer in diesen drei Wochen möglichst alle Spiele live verfolgen will, dürfte in dieser Zeit etwa auf die Hälfte seines gewohnten Schlafpensums verzichten müssen. Dann handelt es sich nicht mehr nur um einen akuten, sondern schon um einen chronischen Schlafmangel, der dann einige Tage Zeit braucht, um wieder ausgeglichen zu werden. So werden einige Schweizer ihren ganzen Lebensrhythmus umstellen, um den Anforderungen der Fussball-WM zumindest nächtens nachkommen zu können.
Wer nachts Fussball schaut und anschliessend nach viel zu wenig Schlaf zur Arbeit geht, muss dann wohl oder übel den frühen Abend zum Schlafen nutzen. Fragt sich nur, was in dieser Zeit die Familien machen.
Schlafmangel führt zum Absinken der Arbeitsleistung
Für die Unternehmen hat dieser Schlafmangel auch seine unerwünschten Folgen. So ist damit zu rechnen, dass er zumindest bei den echten Fussballfanatikern zu einem Absinken der Arbeitsleistung von 10 bis zu 50 % führen kann. Das ist besonders im produzierenden Gewerbe eine schwierige Kennzahl. Aber auch andere Bereiche sind betroffen. Unfallträchtige Arbeiten beispielsweise auf den Baustellen oder beim Führen von Maschinen und Fahrzeugen gewinnen noch mehr Gefahrenpotenzial.
Das Absinken von Aufmerksamkeit und Arbeitsleistung schlechthin bedeutet damit nicht nur Einbussen an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, sondern eben auch eine Zunahme der Risikofaktoren. Diese Annahme folgt der Logik, dass unausgeruhte Mitarbeiter im Schnitt ohnehin weniger leistungsfähig sind als ihre gut ausgeschlafenen Kollegen.
Besonders während der ersten Runden werden die Erscheinungen des Schlafmangels vielleicht noch nicht so akut sein. Schon deshalb nicht, weil sich nicht jeder die Vorrunden in der Fussball-WM vollständig ansehen wird. Spannender wird es dann in Richtung Endrunde. Dann wird jedes Spiel wichtig, und so werden auch die Zuschauerzahlen vor den Fernsehern zunehmen. In der Folge wird es in den Unternehmen mehr unausgeschlafene Mitarbeiter geben.
Das Risiko zu verschlafen wird hingegen nicht ansteigen. Solange der Fussballgenuss nicht mit Alkoholkonsum in grösserem Masse verbunden wird. Nüchterne Zeitgenossen können sich auch bei Schlafmangel ziemlich genau auf ihre innere Uhr verlassen. Die tickt allerdings anders, wenn Alkohol getrunken wird.
Was leider nicht geht, ist vorschlafen. Allerdings kann es durchaus hilfreich sein, bereits um 19:00 oder 20:00 Uhr zu Bett zu gehen und dann den Wecker eben auf Anpfiff zu stellen. Dann wird der Schlafmangel nicht allzu kritisch, auch wenn der Schlafrhythmus gestört wird. So lassen es zumindest die Schlafforscher verlauten.
Wie viele Schweizer machen private Fussball-Überstunden?
Die Zahlen sind erstaunlich. Immerhin wollen sich etwa 17 % der Schweizer kein Spiel entgehen lassen, gleichgültig, wann es angepfiffen wird. 46 % verzichten gern auf ein paar Stunden Schlaf, sofern sie sich für einzelne Spiele besonders interessieren. Nur 11 % ziehen ihren gewohnten Schlaf den Fussballspielen vor, und ganze 26 % geben an, dass sie sich für Fussball ohnehin nicht interessierten.
Damit sind es immerhin noch ungefähr 63 % der Schweizer, die für Spiele der Fussball-WM auf mehr oder weniger Schlaf verzichten werden. Das bedeutet aber auch, dass über die Hälfte der Schweizer Arbeitnehmer während der drei Wochen Fussball-WM unausgeruht und entsprechend weniger konzentriert bei der Arbeit sind. Eine Zahl, die durchaus Reaktionen erforderlich machen könnte.
Firmen lenken ein
Viele Unternehmen können allein aus betriebsbedingten Gründen auf die Fussballlaune ihrer Mitarbeiter keine Rücksichten nehmen. Besonders in solchen Betrieben zeigt sich schon jetzt, dass viele fussballbegeisterte Beschäftigte einen Teil ihrer Ferien genau auf die Fussball-WM gelegt haben.
Unternehmen, die ihre Arbeitsaufgaben auch flexibel wahrnehmen können, bieten ihren Beschäftigten zum Teil veränderte Arbeitszeiten an. Damit soll bewirkt werden, dass die Arbeiter und Angestellten nicht allzu unausgeschlafen auf der Arbeit erscheinen.
Am eigentlichen Schlafmangel ändert das aber nichts, weil auch während der Fussball-WM in Brasilien der Tag eben nur 24 Stunden hat. Wünschen wir uns also eine WM, die nicht nur Ringe unter die Augen, sondern auch so manches wirklich spannende Spiel hervorzaubern kann. Dann wird der teils chronische Schlafmangel vielleicht auch erträglicher. Allerdings wird so mancher auch die Spiele seiner Lieblingsmannschaften verschlafen, weil sich die Natur letztlich doch holt, was sie braucht.
Oberstes Bild: Die Fussball-WM in Brasilien raubt so manchem Schweizer den Schlaf (Bild: Kirill Linnik / Shutterstock.com)