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Nestlé vertreibt jetzt Botox: Was der Wirkstoff kann – und wo Vorsicht geboten ist

03.07.2014 |  Von  |  Beitrag

[vc_row][vc_column width=“1/1″][vc_column_text]Wer hätte je gedacht, dass ein Schweizer Konzern mit hochpreisigem Kaffee in Metallkapseln die Welt erobert? Nun will Nestlé mit Botox das gleiche Wunder vollbringen, das schon mit Nespresso geglückt ist. Wie auch im Falle des Kaffeemarktes ist das Geschäft mit dem Antifaltenwirkstoff eigentlich fest in anderer Hand, in diesem Fall in der des Unternehmens Allergan.

Allergan waren die Ersten, die Botox als Verjüngungspräparat vor etwa zehn Jahren auf den Markt gebracht und seitdem Milliarden damit verdient haben. Ungebremst wachsen die weltweiten Botox-Umsätze jährlich um eine zweistellige Summe – und es ist kein Ende abzusehen, denn es kommen mehr und mehr Anwendungsmöglichkeiten für das Nervengift hinzu. Davon will Nestlé profitieren.

Vor einigen Wochen kaufte der in Vevey angesiedelte, 333’000 Mitarbeiter starke Konzern die nordamerikanischen Vertriebsrechte für Botox und weitere Antifaltenpräparate wie etwa Hyaluronsäure von Allergans wichtigster Mitbewerberin, der US-Firma Valeant Pharmaceuticals – für 1,4 Milliarden Dollar. Nun richtet Nestlé eine eigene Haut-Abteilung ein, die Nestlé Skin Health genannt wird und unter anderem für die Produkte Restylane, Perlane, Emervel, Sculptra und Dysport verantwortlich sein soll.

Basis für die Abteilung soll die ebenfalls in der Totalübernahme begriffene Dermatologie-Firma Galderma werden, die Nestlé sich zuvor 30 Jahre lang zu 50 % mit dem französischen Kosmetikunternehmen L’Oréal geteilt hatte. Dies ist ein weiterer Schritt der lange Zeit als behäbiges Schweizer Traditionsunternehmen betrachteten Firma dabei, sich zu modernisieren. Nestlé kontrolliert nun 15 % des globalen Marktes für Botox- und Hyaluronsäure-Spritzen.

Aber was kann der Wirkstoff wirklich? Und warum wachsen seine Umsätze so rasant? Bis 2017 wird der Jahresumsatz auf fünf Milliarden Dollar geschätzt. Tatsächlich entfällt zwar die Hälfte aller weltweiten Anwendungen auf medizinisch abrechenbare Zwecke wie Migräne, Schwitzen, Schielen und Inkontinenz. Auch gegen Zähneknirschen setzen einige Schweizer Ärzte Botox ein. Zudem wird intensiv an weiteren Wirkungsweisen etwa für depressive oder athritische Menschen geforscht.

Dennoch: Bekannt ist der Wirkstoff als Faltenglätter und Verjünger. In der Schweiz allein wird jährlich über 200’000 Mal die Spritze angesetzt, wobei Zürich und Bern als Behandlungszentren vorne liegen. Das sind allerdings zurückhaltende Schätzungen. Andere Quellen sagen sogar, dass die Schweiz weltweit das Land mit den meisten Pro-Kopf-Behandlungen sei, und das bei Kosten von etwa 400 bis 500 Franken pro Anwendung.

Eine Woche nach der Behandlung zeigt sich die Wirkung: Die mimische Gesichtsmuskulatur ist so blockiert, dass die Haut sich nicht mehr in Falten legt. Zwischen drei und sechs Monaten hält das Resultat, da der Körper das Gift nach und nach abbaut. Allerdings ist hierfür nicht der Stoffwechsel zuständig, so dass Botox nach Meinung vieler Mediziner keine Organe schädigt. Stattdessen übernehmen körpereigene Enzyme die Aufgabe. Wer also langfristig faltenfrei bleiben will, muss die Behandlung mindestens zweimal im Jahr wiederholen.

Das hindert weder Schweizerinnen noch Schweizer, sich der Prozedur in zunehmendem Masse zu unterziehen. Denn auch immer mehr Männer nehmen Botox in Anspruch – quer durch alle sozialen und Einkommensschichten.[/vc_column_text][vc_separator color=“grey“][vc_video link=“https://www.youtube.com/watch?v=sp6J0UiILOk „][vc_separator color=“grey“][vc_column_text]Theoretisch kann jeder Arzt Behandlungen vornehmen, so schreibt es das Bundesamt für Gesundheit vor. Weitere Einschränkungen gibt es vonseiten der Gesundheitsbehörden jedoch kaum. Daher variieren die Preise recht stark. Auch Kosmetikinstitute können so mit der Hilfe freier Ärzte die Behandlung anbieten.

Niedergelassene, plastische Chirurgen berichten jedoch durchgehend, dass etwa die Hälfte bis drei Viertel aller Klienten sich vorher selber online informiert und dann bei einem Billiganbieter behandeln lassen hätten und mit der Präzision des Ergebnisses unzufrieden gewesen seien. Denn nur plastische Chirurgen mit viel Erfahrung kennen die Mimikmuskeln des Gesichts hinreichend und können den individuellen Fall schnell so präzise einschätzen, dass sie genau die richtige Menge Botox an genau der richtigen Stelle spritzen. Am häufigsten wird dabei die sogenannte Zornesfalte auf der Stirn korrigiert. Die Jahre der Erfahrung haben aber auch noch weitere Anwendungsbereiche offengelegt. So können etwa die nach unten ziehenden Muskeln der unteren Gesichtshälfte blockiert werden. Erreicht wird dadurch ein gewisser Liftingeffekt.

Das Ziel ist immer ein möglichst natürliches Ergebnis – am liebsten so organisch, dass die Veränderung zwar angenehm auffällt, aber in keinem Fall künstlich wirkt. Geht die Spritze allerdings nur Millimeter daneben, kann das Ergebnis ein maskenhafter, gekünstelter, konstant überrascht aussehender Gesichtsausdruck sein. Dies gilt es unbedingt zu vermeiden – denn die wenigsten Frauen und Männer sprechen gerne über den kleinen Eingriff. Deshalb ist Diskretion immer noch das oberste Gebot, auch wenn es wie in Zürich inzwischen eine ganze Reihe von Walk-in-Kliniken gibt, die ohne ausführliche Beratung spritzen.

Nun haben Studien an der Universität Zürich allerdings ergeben, dass Botulinumtoxin A neben seiner Schönheitswirkung auch die Verarbeitung von Sinneseindrücken beeinträchtigen soll. Die Lähmung der Gesichtsmuskulatur hat anscheinend auch eine Lähmung der Impulse zur Folge, die mit dem für Gesichtsnerven zuständigen Hirnareal kommunizieren. Mit anderen Worten: Das Gehirn reagiert weniger und langsamer auf Signale der Hand, wie Messungen der Hirnströme mit einem Elektroenzephalogramm (EEG) vor und nach den Botoxbehandlungen von 15 Versuchspersonen ergeben haben. Direkte Auswirkungen auf das tägliche Leben scheint dies aber nicht zu haben – und welche andere Langzeitfolgen sich eventuell ergeben, ist noch nicht abzusehen.

 

Oberstes Bild: © AnikaNes – Shutterstock.com[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row]

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