Löcher im AKW Leibstadt sorgen weiterhin für Diskussionen
von Tobias Wolf
Als besonders kritisch hatte sich die Stelle erwiesen, an der die sechs Löcher mit jeweils rund sechs Millimetern Durchmesser gefunden wurden. Diese befanden sich in der stählernen Schutzhülle, dem sogenannten Containment, welche den Austritt von Radioaktivität verhindern soll. Wie sich herausstellte, wurden die Löcher bereits vor sechs Jahren von einer externen Firma für die Montage zweier Feuerlöscher gebohrt. Der lange Zeitraum bis zur Entdeckung der Lecks provozierte in den letzten Wochen heftige Kritik an der Sicherheit des Kraftwerks. Diese stammte aber nicht nur von der Umweltorganisation Greenpeace, sondern auch vom Eidgenössischen Sicherheitsinspektorat (Ensi), welches mit überraschend deutlichen Worten die organisatorischen Mängel beanstandete, welche zu diesem Versäumnis führen konnten.
Als Konsequenz forderte die Atomaufsichtsbehörde die AKW-Betreiber dazu auf, die bis dahin nur provisorisch abgedichteten Lecks bis zum 18. Juli vollständig zu reparieren, da ansonsten das AKW zwangsabgeschaltet würde. Infolgedessen arbeiteten die Betreiber auf Hochtouren an der Lösung des Problems und schafften es so, die einwöchige Frist einzuhalten und der Zwangsabschaltung zu entgehen.
Vorerst keine offiziellen Angaben
Weiterhin ungeklärt bleibt jedoch, wie es zu dieser Panne kommen konnte. Zeigten sich die AKW-Betreiber zu Beginn noch selbstkritisch und räumten sogar ein, dass so etwas in einem AKW nicht passieren dürfe, so geben sie derzeit mit Verweis auf die laufenden Untersuchungen keine weiteren Stellungnahmen ab. Aber auch wenn das Werk nach eigenen Angaben am 24. Juli den von der Atomaufsichtsbehörde geforderten Bericht fristgerecht eingereicht hat, so wird es vorerst keine offiziellen Angaben zu den Ursachen und Konsequenzen der Löcher-Panne geben. Erst nach einer etwa dreimonatigen Prüfung des Berichtes möchte man über eine mögliche Veröffentlichung der Inhalte entscheiden.
Versagen nicht nur bei den AKW-Betreibern
Für Greenpeace liegt das Versagen in diesem Fall aber nicht nur bei den Betreibern des AKW Leibstadt, zu denen auch indirekt die Kantone Bern (via BKW) und Zürich (via Apox) gehören. Greenpeace Atomexperte Florian Kasser sieht hier auch eine Mitverantwortung der Atomaufsichtsbehörde Ensi. Dieser hätten im Rahmen der sicherheitstechnischen Stellungnahme zur Periodischen Sicherheitsüberprüfung (PSÜ) solche „haarsträubenden Fehler“ aufgefallen sein müssen. Schliesslich fand die PSÜ des AKW Leibstadt erst im Jahr 2009 ihren Abschluss – und somit nach der Montage der Feuerlöscher. Allerdings fanden sich im damaligen Prüfbericht keine Angaben zu den Lecks. Stattdessen attestierte das Ensi den Betreibern, dass das AKW alle Voraussetzungen für einen sicheren Betrieb erfüllen würde.
Vom Ensi wird diese Kritik allerdings vehement zurückgewiesen. Laut Sprecher David Suchet habe sich die betreffende PSÜ nur auf die Jahre 1996 bis 2006 bezogen. Zudem hätten die Lecks im Containment nur bei einem sogenannten Leckratentest entdeckt werden können, der alle 10 Jahre durchgeführt wird. Bei diesem Test wird das gesamte Containment unter Druck gesetzt und anschliessend beobachtet, ob der Druck von selbst absinkt. Sollte dies der Fall sein, dann läge eine Undichtigkeit des Mantels vor. Laut Ensi fand dieser Test allerdings letztmalig im August 2008 statt und somit vor der Installation der Feuerlöscher im November. Ensi-Sprecher Suchet stellt zudem klar, „dass die Löcher bei der Prüfung im August auf jeden Fall bemerkt worden wären, wenn sie zu diesem Zeitpunkt schon vorhanden gewesen wären“.
Trotz dieser Aussagen hält Greenpeace an seiner Kritik fest, denn auch nach 2009 seien Inspektionen durch das Ensi im AKW Leibstadt durchgeführt worden, ohne dass die Löcher dabei entdeckt wurden. Das Ensi hält allerdings dagegen, dass die Inspektoren stets mit einem bestimmten Ziel in ein AKW gehen würden und das hier aufgetauchte Problem nicht hätten untersuchen müssen.
Greenpeace fordert eine externe Untersuchung
Als ungewöhnlich und riskant bezeichnet Greenpeace zudem die Tatsache, dass die Löcher gebohrt wurden, als das AKW sich im laufenden Betrieb befand. Die AKW-Betreiber bestreiten allerdings vehement, dass es sich dabei um ein riskantes Unterfangen handelte. Radioaktivität hätte zu keinem Zeitpunkt der Arbeiten entweichen können, da innerhalb des Containments im Normalbetrieb ein Unterdruck herrsche, der weder Luft noch Radioaktivität nach aussen entweichen lassen würde. Selbst bei einem Störfall wären die gesetzlichen Grenzwerte somit nicht überschritten worden, so Sprecherin Giacomuzzi. Das Ensi schliesst sich dieser Aussage an und versichert, dass es durch die Vorkommnisse zu keiner Kontamination der Umgebung gekommen sei.
Greenpeace reichen diese Zusagen aber nicht aus. Die Umweltorganisation fordert von der Energieministerin Doris Leuthard (CVP) sogar umgehend eine Untersuchung der Aufsichtstätigkeit des Ensi durch eine externe Stelle. Allerdings liegt die Zuständigkeit für solche Massnahmen nicht bei ihr, sondern beim Ensi-Rat. Dieser hat sich aber bisher nicht zu den Forderungen der Umweltorganisation geäussert.
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