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Sind Sie E-Mail-süchtig?

28.08.2014 |  Von  |  Beitrag

[vc_row][vc_column][vc_column_text]Es gehört inzwischen zum Allgemeinwissen, dass Internet-Nutzung und Online-Games süchtig machen können. Allerdings beziehen die wenigsten Menschen dieses Phänomen auf sich selbst; eher schon steht ihnen ein blasser Teenager vor Augen, der seine Tage und Nächte vor dem Bildschirm verbringt. Tatsache ist jedoch, dass die Verknüpfung von Sucht und dem Konsum digitaler Medien auch in Form von E-Mails, sozialen Netzwerken und Content Providern unmittelbarer ist als meist gedacht. Dies liegt an der neuronalen Architektur des menschlichen Gehirns, die überraschend schnell zu einer zunächst milden Form von Abhängigkeit von Google, Facebook & Co. führen kann.

Im Zentrum dieses Phänomens liegt der 1958 entdeckte Stoff Dopamin. Er wird an verschiedenen Stellen im Gehirn gebildet und ist für eine Vielzahl an Vitalfunktionen zuständig. Dazu zählen auch Motivation und Antrieb – das menschliche Belohnungssystem wird gewissermassen von Dopamin gesteuert. Wurde es aber bisher hauptsächlich als Glückshormon betrachtet, ergeben neuere Forschungen ein anderes Bild. Der Botenstoff scheint nämlich nicht wie bisher angenommen für die Empfindungen von Genuss und Befriedigung zuständig zu sein, sondern vielmehr für unsere Suche nach diesen Belohnungen, also für die Bedürfnisbildung.

Lange Zeit war dies eine evolutionäre Notwendigkeit: Das neuerliche Suchen war für das menschliche Überleben wichtiger als das Ankommen und Finden. Deshalb ist unsere neuronale Struktur noch heute darauf angelegt, nach dem Erreichen eines Zieles nicht lange mit dem Ergebnis glücklich sein zu können, sondern relativ bald nach mehr zu verlangen. Neurologen gehen jetzt davon aus, dass unser Opioid-System zuständig ist für Befriedigung und Genuss – und dass dieses signifikant weniger stark entwickelt ist als das Dopamin-System, verantwortlich für das Bedürfnis nach Wiederholung und Steigerung.

Wir sind keine Jäger und Sammler mehr. Leider weiss unser Stammhirn dies aber nicht. Zu kurz ist die Zeitspanne des digitalen Zeitalters, als dass unser Hormonhaushalt sich schon darauf eingestellt hätte. Deshalb lösen unser Aufenthalt in sozialen Netzwerken, unser Konsum ergoogelten Wissens und unsere Kommunikation via Mail genau die gleichen biochemischen Reaktionen aus wie die archaische Suche nach Bisons. Eine Suche auf Google belohnt den Nutzer mit unmittelbaren Resultaten. Der Besuch unseres Posteingangs oder unseres Facebook-Profils wird mit neuen Nachrichten anerkannt.

Doch diese Opioid-Kicks halten nur kurz an, bevor das Dopamin uns wieder weitertreibt. Das Resultat ist bekannt: stundenlange Facebook-Aufenthalte und virtuelle Reisen von einem Link zum nächsten. Manche Menschen haben die Intensität dieser Ausflüge im Griff; bei anderen führt sie zu einer dopamininduzierten Abhängigkeit von der sie umgebenden Technologie.

Das Problem daran: Diese evolutionär angelegte Falle ist das perfekte Sprungbrett für Marketingspezialisten. Längst spielen die Ergebnisse der Hirnforschung eine zentrale Rolle in den Kommunikationsstrategien von Google, Facebook & Co. Nicht zuletzt die unseren pawlowschen Reflex ansprechenden ständigen optischen und akustischen Hinweise auf eine neu angekommene Nachricht oder einen Newsflash sind hierfür ein deutliches Zeichen. Ein Gutes hat diese neurobiologisch basierte Strategie allerdings: Ist sie einmal durchschaut, macht sie es einfacher, aus der Konditionierungsfalle auszubrechen.

Der Schlüssel ist die Eliminierung der Dopamin-Auslöser. Denn ohne eine exzessive Präsenz dieses Botenstoffes ist der Mensch wieder selbstbestimmt in der Lage, seine Prioritätenhierarchie nach tatsächlicher Relevanz zu sortieren und die Dinge zu erledigen, die rational betrachtet langfristig am zielführendsten sind. Hierfür haben Psychologen Vorschläge entwickelt, die dabei helfen, Dopamintrigger zu identifizieren und zu eliminieren und vor allem im Umgang mit E-Mail suchttypisches Verhalten schon im Keim zu ersticken.

Zuallererst sollten Sie alle akustischen Meldungen und Signale, die Sie auf neue Inhalte in Ihren digitalen Kanälen aufmerksam machen wollen, abschalten. Entscheiden Sie bewusst selbst, wann und wie oft Sie Ihre Mails und Nachrichten abrufen möchten – machen Sie sich nicht zum Sklaven einer Benachrichtigung. Das Gleiche gilt für konstant offene Mailprogramme, die neue E-Mails unmittelbar auf Ihrem Desktop anzeigen. Es ist so gut wie unmöglich, bei diesen konstanten Unterbrechungen einen kreativen Flow beizubehalten oder fokussiert zu arbeiten.[/vc_column_text][vc_separator color=“grey“][vc_column_text]

Machen Sie es sich ausserdem zur Gewohnheit, Ihre Mails und Nachrichten erst am späten Vormittag das erste Mal abzurufen – je später, desto besser. (Bild: Minerva Studio / Shutterstock.com)

Machen Sie es sich ausserdem zur Gewohnheit, Ihre Mails und Nachrichten erst am späten Vormittag das erste Mal abzurufen – je später, desto besser. (Bild: Minerva Studio / Shutterstock.com)

[/vc_column_text][vc_separator color=“grey“][vc_column_text]Machen Sie es sich ausserdem zur Gewohnheit, Ihre Mails und Nachrichten erst am späten Vormittag das erste Mal abzurufen – je später, desto besser. Befreien Sie sich hierfür von der gefühlten Verpflichtung, eine E-Mail innerhalb von 30 Minuten nach Erhalt beantworten zu müssen. Machen Sie es sich stattdessen zur Gewohnheit, Ihre Mails gesammelt zu bestimmten Zeiten zu lesen – oder eben, wenn sie eine kritische Masse erreicht haben. Nehmen Sie sich dann ausreichend Zeit, auch alle auf einmal und in der optimalen Form zu beantworten.

Menschen tendieren dazu, per Mail Probleme zu delegieren. Erreichen Sie diese zu früh am Tag, werden Sie von den eigenen Prioritäten einfach abgelenkt. Das Gleiche gilt für die letzte abendliche Mail. Legen Sie fest, wann Sie diese abrufen; dies sollte definitiv nicht direkt vor dem Schlafengehen sein. Trennen Sie private und berufliche Mails, am besten durch verschiedene Mailadressen, und empfangen Sie lediglich private Nachrichten zu Hause. Betrachten Sie Mails nicht länger als den einzigen möglichen Kommunikationsweg. Experten schätzen, dass ein Telefonat durchschnittlich bis zu acht Mails ersetzen kann.

 

Oberstes Bild: © TijanaM – Shutterstock.com[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row]

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