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Ist die „Leichte Sprache“ auf dem Vormarsch?

24.09.2014 |  Von  |  Beitrag

[vc_row][vc_column][vc_column_text]Funktionale Analphabeten gibt es in der Schweiz etwa 800.000 an der Zahl. Das sind erwachsene Menschen, die aufgrund einer Behinderung oder Lernschwäche nicht richtig schreiben und lesen können. Für sie wurde die „Leichte Sprache“ entwickelt, damit sie sich im Alltag besser zurechtfinden.

Die deutsche Hochsprache ist schwierig, das stimmt. Beamtenjargon und Bürokratenstil erschweren das Verständnis und das Finden einfachster Informationen zusätzlich. Auch Fachliteratur ist beispielgebend für „Schwere Sprache“, bevorzugt im Nominalstil. Wir kämpfen uns durch einen Wust an Bandwurmsätzen, überlangen Substantiven, gekünstelter Fachsprache und Fremdwörtern, die kein Mensch braucht.

Viele der rund 800.000 funktionalen Analphabeten, hierzu zählen Menschen mit Lernbehinderungen oder bildungsfernem Hintergrund, haben grosse Schwierigkeiten, einen längeren Text, zum Beispiel Nachrichten, Bewerbungen oder Gebrauchsanleitungen, zu verstehen und können keinerlei Informationen daraus ziehen beziehungsweise selbst welche vermitteln. Doch dieses Unvermögen, sprachliche Inhalte umzusetzen, erstreckt sich auch auf die Alltagssprache. Tendenz steigend.

Jeder von uns ist schon mal an einem Behördenbrief verzweifelt. Ist der Sachverhalt wirklich so kompliziert oder können sich die Sachbearbeiter nur nicht richtig ausdrücken, fragen wir uns dann. Hilfe naht in Form einer Übersetzung in die „Leichte Sprache“. Deutsche Gemeinden bieten auf ihren Webseiten bereits wahlweise Informationen in „leichter“ oder „schwieriger“ Sprache an. Das Nachrichtenportal nachrichtenleicht.de arbeitet ebenfalls mit diesem Ausdrucksmittel, das aus Amerika importiert wurde.

Das liest sich dann in etwa so:

„Der Gaza-Streifen befindet sich am Mittelmeer. Das Gebiet liegt in Israel. Dort ist immer noch Krieg. Soldaten aus Israel kämpfen dort gegen Palästinenser. Die Palästinenser wollen den Gaza-Streifen für sich behalten. Die Soldaten haben Schulen mit Raketen angegriffen. Viele Kinder sind gestorben. Jetzt schickt Israel noch mehr Soldaten.“

Die „Leichte Sprache“ hat eigene Regeln. Lange Sätze und Fremdwörter sind tabu. In Deutschland existiert seit Mitte 1990 das Netzwerk „Leichte Sprache“ der Organisation „Mensch zuerst“, die sich um die Gleichstellung von Menschen mit Lernbehinderungen kümmert. Einem Grossteil der Bevölkerung ist diese Spezialsprache kaum geläufig, dennoch breitet sie sich aus und wird auch von Menschen ohne Leseschwäche genutzt. Das Angebot ist ja vorhanden. Selbst die Bibel wurde bereits in „Leichte Sprache“ übersetzt. Kritiker sehen die Gefahr eines schleichenden Sprachverfalls.



In der Schweiz gibt es solche Angebote, vor allem im öffentlichen Bereich, noch nicht. Pro Infirmis Zürich sieht hier Nachholbedarf und hat auf der Webseite einen Tätigkeitsbericht in „Leichter Sprache“ eingestellt. Mark Zumbühl, Sprecher der Organisation, plädiert für die „bessere eigenständige Lebensführung behinderter Menschen“ und befürwortet die Einführung der Spezialsprache. Die kantonale Stelle von Pro Infirmis in Zürich wird demnächst das erste Schweizer Büro für „Leichte Sprache“ einrichten.

 

Oberstes Bild: © phipatbig – Shutterstock.com[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row]

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