Bedingungsloses Grundeinkommen schafft falsche Anreize
von Tobias Wolf
Auch wenn sich die Aussicht auf ein bezahltes Leben auf dem Sofa für einige verlockend anhören mag, so sind die Auswirkungen auf die Gesellschaft bis heute unklar. Erste Erfahrungen gibt es bisher nur aus Pilotprojekten, wie sie in Namibia oder Brasilien durchgeführt werden. So könnte die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens in der Schweiz sowohl zu einer Oase des blühenden bürgerschaftlichen Engagements führen als auch zur Entwicklung einer antriebslosen Gesellschaft, die den internationalen Anschluss verpasst.
Die im Oktober 2013 eingereichte Initiative fordert vom Bund die Einführung regelmässiger Geldtransfers an die gesamte Bevölkerung. Diese sollen nicht nur ein menschenwürdiges Dasein, sondern auch die Teilnahme am öffentlichen Leben ermöglichen. Den Initianten schweben dabei monatliche Zahlungen in Höhe von 2500 Franken pro Erwachsenem und 625 Franken pro Kind vor. Durch diese garantierte Existenzsicherung soll der Schweizer Bevölkerung mehr Freiraum für die persönliche Entfaltung gegeben werden.
Die Initiative schien bei den Schweizern auf Resonanz zu treffen, denn innerhalb kürzester Zeit unterschrieben rund 126.000 Menschen die Forderung. Nie zuvor hatte eine Volksinitiative die erforderlichen 100.000 Stimmen für die Abstimmung so schnell zusammenbekommen.
Die Bedingungslosigkeit macht den Unterschied
Ein Grundeinkommen an sich ist in der Schweiz nichts Neues. Denn auch die Sozialhilfe soll ein menschenwürdiges Dasein garantieren. Allerdings ist diese Unterstützung nur für Menschen vorgesehen, die nicht in der Lage sind, sich selbst zu versorgen. Im Vergleich dazu soll das neue Grundeinkommen bedingungslos sein, was bedeutet, dass jeder einzelne Schweizer Bürger die monatlichen Zahlungen erhält.
Genau in diesem Punkt sehen Volkswirtschaftler wie Professor Reto Schleiniger von der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften das grosse Problem. Seiner Meinung nach würden sich im Vergleich zur Sozialhilfe die negativen Arbeitsanreize verstärken, ohne dabei die Probleme zu verringern, die sich bei der Sozialhilfe aus der mangelnden Koordination von Transfer- und Steuerpolitik ergeben.
Finanzierung ist Sache des Gesetzgebers
Wie die Idee des Grundeinkommens im Endeffekt finanziert werden soll, darüber machen die Initianten nur wenige Angaben, da sie diesen Bereich dem Gesetzgeber überlassen wollen. Aus den bisherigen Ausführungen lässt sich aber schliessen, dass ein finanzieller Arbeitsanreiz erst ab einem Erwerbseinkommen zustande kommt, welches über der Höhe des Grundeinkommens liegt. Bis zu diesem Punkt soll das zusätzliche Einkommen zu 100 Prozent weggesteuert werden.
Mehr Arbeitsanreize schaffen
Angesichts dieser Problematiken rät Schleiniger von einem bedingungslosen Grundeinkommen ab und empfiehlt alternative Möglichkeiten. Um beispielsweise die genannten Koordinationsprobleme zu umgehen und finanzielle Arbeitsanreize auch für einkommensschwache Haushalte zu schaffen, schlägt er die Einführung einer negativen Einkommenssteuer vor. Durch diese würden Haushalte mit geringem Einkommen eine negative Steuer bezahlen und somit einen Transfer erhalten. Liegt das Einkommen bei null, dann würde die Höhe dieses Transfers dem des Existenzminimums entsprechen, so Schleiniger.
Anders als beim Grundeinkommen würde dieses Existenzminimum auf die Haushaltsgrösse und nicht auf die einzelne Person abgestimmt werden. Weiterhin würde das zusätzliche Einkommen von armen Haushalten nicht in gleicher Höhe weggesteuert werden. Schleiniger erklärt, dass stattdessen ein Grenzsteuersatz Anwendung fände, der deutlich unterhalb von 100 Prozent liegt.
Durch die alleinige Bindung an mangelndes Einkommen sind sich die negative Einkommenssteuer und das bedingungslose Grundeinkommen sehr ähnlich. Allerdings entstehen beim von Schleiniger vorgeschlagenen System noch grössere Finanzierungsprobleme. Dass diese aber gelöst werden können, zeigt sich in England und in den USA, wo mit dem Working Tax Credit und dem Earned Income Tax Credit zwei Systeme in Kraft sind, die Geldzuschüsse in Form von negativen Steuern an bedürftige Haushalte auszahlen. Wie der Name schon vermuten lässt, sind diese allerdings an Arbeitsleistungen gebunden, um die Finanzierbarkeit zu garantieren. Aus diesem Grund können diese Steuerkredite auch nicht die Existenzsicherung für die gesamte Bevölkerung ermöglichen, da Personen ohne Arbeit keine Zahlungen erhalten.
Variables Existenzminimum soll Finanzierbarkeit sichern
Um die Finanzierbarkeit der negativen Einkommenssteuer zu gewährleisten, schlägt Schleiniger zwei Modifikationen vor. Diese würden das Problem deutlich reduzieren, ohne dabei das Ziel der Existenzsicherung aus den Augen zu verlieren.
Zum einen könnte bei der Bemessung des negativen Steueranteils nicht das steuerbare Einkommen als Grundlage verwendet werden, sondern ein breiteres Einkommenskonzept. Dieses solle die Bedürftigkeit des Einzelnen besser abbilden, wodurch beispielsweise der Abzug von Hausrenovierungskosten nicht mehr zulässig wäre. Zudem schlägt Schleiniger vor, dass ein Teil des Vermögens dem Einkommen zugerechnet wird, wie dies bereits bei der Festlegung der Sozialhilfe getan wird. Dadurch hätte eine Person ohne Erwerbseinkommen, die in einem eigenen Haus wohnt, kaum Anspruch auf die Auszahlung einer negativen Steuer.
Zum anderen könnten die persönlichen Eigenschaften die Höhe des Existenzminimums beeinflussen. Somit hätte beispielsweise ein junger Student, der noch von seinen Eltern unterstützt wird, keinen Anspruch auf ein Grundeinkommen, ein ausgesteuerter Arbeitsloser von 50 Jahren dagegen schon. Wenn dieser allerdings die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt verweigert, dann könnte sein Existenzminimum gekürzt werden.
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