Lässt sich ein Marathon jemals unter zwei Stunden laufen?

Nachdem Dennis Kimetto beim 41. Berlin-Marathon einen neuen Weltrekord aufgestellt hat, fragt sich die Sportwelt, wann die 42,195 Kilometer das erste Mal unter zwei Stunden bewältigt werden. Aber: Ist das Knacken der magischen Zwei-Stunden-Marke überhaupt möglich?

Seit dem 28. September ist Dennis Kimetto nicht nur der schnellste Marathonmann der Welt, sondern auch der Erste, welcher die Strecke in weniger als 2:03 Stunden absolvierte. Bereits nach 2:02:57 Stunden überquerte der 30-Jährige die Ziellinie, und das, obwohl dies erst sein fünftes Rennen über die 42,195 Kilometer war. Mit seiner Leistung befeuerte Kimetto die Frage, wie viel schneller die Läufer beim Marathon der Männer in den nächsten Jahren noch werden und ob sogar irgendwann die Zwei-Stunden-Marke gebrochen werden könnte.

Selbst wer noch nie einen Marathonlauf absolviert hat, kann die enorme Leistung Kimettos zumindest im Kleinen nachempfinden. Dafür braucht man lediglich die Strecke von 100 Metern in 17,5 Sekunden zu rennen und sich danach vorzustellen, dies noch weitere 422-mal in der gleichen Zeit zu tun. Dadurch sieht man nicht nur, welche Leistung Kimetto bei seinem Weltrekord erbrachte, sondern tut gleichzeitig auch noch etwas Gutes für seine Gesundheit und beugt beispielsweise Depressionen vor.

Angesichts der Spitzenleistung von Kimetto halten einige Experten es allerdings für äusserst unwahrscheinlich, dass die Zweistundenmarke zumindest in mittlerer Zukunft fallen wird. Andere geben sich in dieser Hinsicht jedoch weitaus optimistischer.

Optimale Bedingungen schaffen

Die einfachste, aber auch ungenaueste Vorhersage lässt sich treffen, indem man sich die Entwicklung des Weltrekords in der Vergangenheit ansieht und auf Basis dieser Daten eine Hochrechnung erstellt. Bereits in den 80er-Jahren errechneten Wissenschaftler auf diese Weise, dass die magische Zwei-Stunden-Grenze bis spätestens 2035 fallen werde. Auch durch die in den letzten Jahren erfolgte Justierung der Berechnung änderte sich diese Aussage nicht. Allerdings wurde festgestellt, dass die zeitlichen Abstände zwischen den Rekordschritten immer grösser werden: Lagen zwischen dem Sprung von 2:16 auf 2:12 nur 9 Jahre, so dauerte es danach bereits 17 Jahre, um auf 2:08 zu kommen – und sogar ganze 23 Jahre, um die 2:04 zu erreichen.

Auch wenn die Kurve abflacht, sind die Optimisten zuversichtlich, denn sie sehen ein grosses Zeitpotenzial in der Art und Weise der Austragung. Sie schlagen vor, dass der Marathon nicht auf einer unebenen Strecke wie etwa der des Winterthur-Marathons im Kanton Zürich ausgetragen wird, sondern auf einem absolut ebenen Rundparcours. Zudem solle der Lauf an einem idealen Tag und bei absoluter Windstille durchgeführt werden und bloss eine kleine Gruppe von Topläufern an den Start gehen. Demjenigen, der die Zwei-Stunden-Marke unterbietet, solle dann viel Geld angeboten werden.

Die Skeptiker entgegnen allerdings, dass es primär nicht darum gehe, wie gross die Abstände zwischen den Weltrekorden seien, sondern darum, wie lange die Stagnationsphase dazwischen anhalte. So hat beispielsweise Paula Radcliffe bei den Frauen den Rekord von 2:15:25 Stunden bereits seit elf Jahren inne. Aber auch wenn die Europäerinnen sich schon vor langer Zeit von der absoluten Marathonspitze verabschieden mussten, ist es bisher noch keiner Afrikanerin gelungen, auch nur annähernd an die Zeit Radcliffes heranzureichen.



Spitzenläufer sind zu langsam

Bei den Marathonmännern sehen die Spezialisten, die nicht an den Fall der Zwei-Stunden-Marke glauben, ähnliche Probleme. Sie rechnen vor, dass man die erste und die zweite Hälfte jeweils unter 60 Minuten laufen müsse, um einen Marathon unter zwei Stunden zu bewältigen. Der Weltrekord für den Halbmarathon liegt zwar bei 58:23 Minuten, allerdings würde es nach Aussage der Skeptiker einer Zeit von etwa 57 Minuten über die ersten 21,1 Kilometer bedürfen, damit noch genügend Reserven für die gleiche Distanz übrig blieben. Selbst der momentane Topmarathonläufer wäre nach ihrer Meinung zu langsam, um in den nächsten Dekaden die Zwei-Stunden-Marke zu unterbieten.

Weiterhin argumentieren sie, dass die Zeiten im 5.000- und 10.000-Meter-Lauf derzeit stagnieren würden. Diese seien aber ein wichtiges Indiz für die Leistungen im Marathonlauf. In den letzten Jahren hat dieser Vergleich allerdings an Aussagekraft verloren, da das Bahnlaufen immer unbedeutender wird. Selbst Spitzenleistungen bringen dort kaum mehr Geld ein, weswegen viele Talente bereits in jungen Jahren auf die Strasse wechseln oder gar nicht erst auf der Bahn laufen. Dies ist einer der Hauptgründe, warum Spitzenmarathonläufer wie Tsegaye Mekonnen immer jünger werden. Der 18-Jährige kommt aus dem Entwicklungsland Äthiopien und siegte im Januar bei seinem Debütrennen in Dubai mit einer Zeit von 2:04:32 Stunden.

Leistungsmaximum noch nicht erreicht

Ist es den aktuellen Marathonläufern aber nicht möglich, höhere Spitzengeschwindigkeiten zu erreichen, so müssten sie doch fähig sein, ihre Leistungslimits besser auszuschöpfen. Schliesslich gehen Wissenschaftler davon aus, dass Spitzenmarathonläufer die Gesamtstrecke mit gerade einmal 85 % ihres Leistungsmaximums absolvieren. Da sich die Körper aber nicht innerhalb weniger Jahre so gravierend verändern können, ist eine rasche physiologische Anpassung nicht zu erwarten.

Bis die Frage der Zwei-Stunden-Grenze also geklärt ist, dürfte es noch eine Weile dauern. Wer nicht so lange warten will, sollte vielleicht noch heute selbst mit dem Laufen anfangen und versuchen, in 17,5 Sekunden die Distanz von 100 Metern zu absolvieren. Anschliessend wird er staunen, welche Leistungen die Läufer über die Prestigedistanz bereits erreicht haben.

 

Oberstes Bild: © Warren Goldswain – Shutterstock.com

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