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ADHS quält nicht nur Kinder

05.11.2014 |  Von  |  Beitrag

ADHS, die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung, wird vor allem mit auffälligen Kindern und Jugendlichen in Zusammenhang gebracht. Dass auch Erwachsene unter der sogenannten Zappelphilipp-Krankheit leiden, ist kaum bekannt.

Schätzungen gehen davon aus, dass ungefähr drei bis fünf Prozent aller Kinder unter ADHS leiden. Dementsprechend gut haben sich in den letzten Jahren auch die diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten entwickelt. Während in der Kindheit die prägnantesten Symptome für die Krankheit Impulsivität und Überaktivität sind, wandelt sich das Erscheinungsbild der Störung mit dem Alter der Betroffenen. So plagen sich Frauen und Männer vor allem mit Konzentrations- und Leistungsschwächen.

Fakt ist: Bei mehr als der Hälfte der erkrankten Kinder überträgt sich die psychische Störung bis ins Erwachsenenalter. Nicht selten wird die Diagnose ADHS jedoch nie gestellt.

Die richtige Diagnose ist der erste Schritt zu einem besseren Leben!

ADHS ist relativ leicht zu diagnostizieren. Voraussetzung dazu ist eine exakte Beschreibung der Symptome sowie der sozialen Umgebung. Eine Herausforderung kann die Abgrenzung gegenüber anderen psychischen Krankheiten sein.

Bei Menschen mit Persönlichkeitsstörungen, Depressionen, Sucht- oder Angsterkrankungen dauert es trotzdem oft zu lange, bis sie auf die Aufmerksamskeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung untersucht werden. Diese typischen Folgeerkrankungen sind nämlich ziemlich weit verbreitet.

Erwachsene mit ADHS reagieren insgesamt emotionaler als gesunde Menschen. Sie empfinden Gefühle extrem stark. Das kann auch positive Auswirkungen haben: Schaffen diese emotionalen Leute, ihre impulsive Kreativität für ihren Beruf zu nutzen, können sie damit ziemlich erfolgreich sein.

Soziale und berufliche Folgen

In den meisten Fällen fühlen sich die Patienten jedoch getrieben und ruhelos. Ihre ursprünglichen Ziele, die sie sich privat und beruflich gesteckt haben, können sie häufig nicht erreichen. Die sozialen Folgen sind dramatisch. So sind die Ausbildung und der Karriereverlauf schlechter, als es der eigentlichen Begabung entspricht. Häufige Veränderungen im Job stehen ebenso auf der Tagesordnung wie regelmässige Wohnortwechsel. Auch zwischenmenschlich wirkt sich die Krankheit belastend aus. So sind die Scheidungsraten bei ADHS-Erkrankten überdurchschnittlich hoch.

Symptome und auffällige Verhaltensweisen

ADHS-Patienten haben oft erhebliche Schwierigkeiten im Alltag. So fehlt ihnen häufig das Zeitgefühl – sie sind entweder verspätet, oder sie treiben mit ihrer Hektik ihre Mitmenschen in den Wahnsinn. Ausserdem sind sie nicht in der Lage, langweilige Alltagsarbeiten zu erledigen. Wenn mehrere Aufgaben gleichzeitig zu erfüllen sind, handeln die Betroffenen absolut desorganisiert und fühlen sich überfordert. In ihrem Ordnungsverhalten schwanken sie zwischen dem absoluten Chaos oder zwanghaftem Perfektionismus.


ADHS-Patienten haben oft erhebliche Schwierigkeiten im Alltag. (Bild: © fotogeng - shutterstock.com)

ADHS-Patienten haben oft erhebliche Schwierigkeiten im Alltag. (Bild: © fotogeng – shutterstock.com)


Selbstredend, dass es mit den beschriebenen Verhaltensweisen auch Probleme im Beruf gibt. Ein beständiges Arbeiten ist ein Ding der Unmöglichkeit, unerklärliche Einbrüche in der Leistungsfähigkeit bringen die Vorgesetzten zur Verzweiflung. Doch auch im Team ist ein Mitarbeiter mit ADHS eine extreme Herausforderung. In der Gruppe fehlt es oft an Aufmerksamkeit – Vergesslichkeit, Leseunlust und Verständnisschwierigkeiten tun ihr Übriges.

Sind ADHS-Betroffene überfordert, haben sie ein übertriebenes Ruhebedürfnis. Sich auf neue Situationen einzustellen, ist oft ein Ding der Unmöglichkeit. Dann kommen sie ins endlose Grübeln und haben Schlafstörungen.

Die Diagnose der Aufmerksamskeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung bedeutet keinesfalls, dass die Patienten dumm sind. Im Gegenteil, sie fallen häufig durch Intelligenz, intuitive Begabung und Kreativität auf. Allerdings werden ihre Stimmung und ihre Leistung stark von äusseren Faktoren beeinflusst. ADHS-Patienten sind extrem empfindlich gegenüber bestimmten Sinneseindrücken. Geräusche oder Gerüche können zu plötzlichen Spannungen in allen zwischenmenschlichen Beziehungen führen. So sind Temperamentsausbrüche keine Seltenheit. Regeln und Vorschriften werden missachtet, verbale Entgleisungen sind der Auslöser für aufreibende Konflikte.

ADHS und Sucht

Getrieben von einer inneren Unruhe versuchen Betroffene, durch übermässigen Konsum von Kaffee oder Energydrinks ihre Leistungsfähigkeit zu erhöhen. Nikotin und Schokolade sollen der Entspannung dienen. Gefährlich wird es, wenn Alkohol oder Cannabis zur Flucht vor der ständigen Gereiztheit helfen sollen. Dann ist der Weg zur körperlichen und psychischen Abhängigkeit nicht mehr weit, und die Probleme verschlimmern sich zusätzlich. Auch im masslosen Internetkonsum versuchen ADHS-Patienten, Ablenkung zu finden – und verstärken damit die Symptome nur.

Der Weg zu einem besseren Leben

Die Behandlung der Krankheit wird medizinisch auf einige Säulen aufgebaut. Basis jeder Therapie ist die Psychoedukation, das ist die Aufklärung des Patienten über ADHS. Erst wenn die betroffenen Menschen erkennen und akzeptieren, was in ihnen vorgeht, können sie sich auf eine Behandlung einlassen. Bei schweren Störungen pochen die Mediziner grundsätzlich auf die Anwendung einer ganzheitlichen Begleitung. Viele Menschen stehen einer medikamentösen Behandlung eher skeptisch gegenüber, im Idealfall wird sie aber immer von einer Psychotherapie begleitet.



Nach derzeitigem Kenntnisstand lässt sich die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung nicht heilen. Manchmal ergibt sich jedoch in einem höheren Alter eine Linderung der Symptome. Ausserdem gelingt es mit den richtigen therapeutischen Behandlungen immer besser, Bewältigungsstrategien für bestimmte Problemstellungen zu entwickeln. Selbstinduktionstraining zeigt den ADHS-Patienten, wie sie die Kontrolle über ihr impulsives Verhalten erlangen. Mit einer Kombination dieser Massnahmen schaffen sie es, Beruf und Alltag zu meistern und ein den Umständen entsprechend erfolgreiches Leben zu führen.

 

Oberstes Bild: © Suzanne Tucker – shutterstock.com

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