Naturbestattungen: Wenn das GPS den Grabstein ersetzt

Naturbestattungen werden immer beliebter. Viele Menschen lassen ihre Asche aber längst nicht mehr nur auf Wiesen, in Wäldern oder auf Seen verstreuen, sondern sogar auf Gletschern oder weit verteilt aus einem Heissluftballon. Dies macht es den Angehörigen jedoch oft schwer, ein solches Grab zu finden, um dort ihrer Toten zu gedenken.

Allerdings bietet die Bestattung in freier Natur den Angehörigen auch einige Vorteile. So können Gräber in freier Natur beispielsweise zu jeder Tageszeit besucht werden und nicht nur zu den Öffnungszeiten des Friedhofs. Unter Zuhilfenahme eines modernen Smartphones lassen sich die Gedenkstätten heutzutage zudem auch relativ einfach wiederfinden.

Verbleib der Asche ist Privatsache

Alleine in der Stadt Zürich wurden im vergangenen Jahr fast 500 Urnen nach der Einäscherung an die Angehörigen ausgegeben. Auch wenn die Mitarbeiter des Friedhofsamtes bei jeder Urnenausgabe nachfragen, was anschliessend mit der Asche passieren wird, so können sie keine genaue Statistik führen, da die Angehörigen nicht zur Auskunft verpflichtet sind.

Die Ergebnisse dieser Befragungen zeigen aber trotzdem einen gewissen Trend. So wird ein Grossteil der Urnen später auf Friedhöfen anderer Gemeinden beigesetzt oder im eigenen Zuhause aufbewahrt. Einige begraben ihre Angehörigen auch im eigenen Garten. In über 130 der Zürcher Fälle gaben die Angehörigen aber auch an, die Asche in der Natur verstreuen zu wollen. Dabei sind Wälder und Gewässer als Bestattungsorte besonders beliebt.

In einem Fall gaben die Angehörigen sogar an, eine Luftbestattung durchführen zu wollen. Hierzu wird die Asche aus einem Helikopter, Flugzeug oder sogar einem Heissluftballon heraus verstreut.

Spezielle Landmarken ersetzen den Grabstein

Das Aufstellen eines Grabsteins ist bei einer Naturbestattung in der Regel nicht möglich und oftmals sogar schlichtweg verboten. Sichtbar machen – und sei es auch nur für die eingeweihten Angehörigen – lässt sich eine solche Grabstätte dennoch, indem beispielsweise ein bestimmter Stein oder Baum als Beisetzungsort ausgewählt wird.

Ähnlich wie beim Geocaching werden heutzutage von vielen Bestattungsunternehmen zudem die genauen GPS-Koordinaten festgehalten, damit die Hinterbliebenen die Grabstätte auch noch in 30 Jahren garantiert wiederfinden. Auf diese Weise kann zu jeder beliebigen Zeit die Grabstätte besucht werden, da die Natur weder Friedhofsmauern noch Öffnungszeiten kennt.

Immer mehr Menschen planen ihre Bestattung im Voraus

Aber nicht nur bei der Wahl der Bestattungsform hat sich der Trend in den letzten Jahren verschoben. Viele Bestatter stellen zudem fest, dass immer mehr Menschen selber bestimmen möchten, wie ihre Beisetzung aussehen soll. Bereits zu Lebzeiten wählen sie den Ort aus, an dem sie ihre letzte Ruhe finden möchten. Auf diese Weise möchten viele auch verhindern, dass sie ihren Angehörigen nach dem Ableben durch hohe Grabpflegekosten finanziell zur Last fallen.

Der Toten mit einem Edelstein gedenken

Für Hinterbliebene, die nicht unbedingt in Wald und Flur nach der Grabstätte ihrer Angehörigen suchen möchten, gibt es zudem die Möglichkeit, nur einen Teil der Asche beizusetzen und den Rest bei sich zu behalten. Durch ein spezielles Verfahren lassen sich aus dieser Asche dann beispielsweise sogenannte Generationensteine in Form eines Saphirs oder Rubins herstellen. Auf diese Weise kann man einen Teil des Verstorbenen stets bei sich tragen und in vielen Fällen auf den Besuch der Grabstätte verzichten.

Friedhöfe weiterhin wichtig

Obwohl sich das eigentliche Grab des Verstorbenen beispielsweise in einem See oder auf einem Gletscher in den durch den Klimawandel gefährdeten Schweizer Alpen befindet, suchen viele Angehörige von Naturbestatteten zum Trauern auch den regulären Friedhof auf. Sie suchen dort die besondere Atmosphäre, welche diesem speziell für das Gedenken geschaffenen Raum anhaftet. An der Wichtigkeit dieses Ortes konnten somit auch die stark veränderten Beerdigungspraktiken der letzten Jahre nichts ändern. Denn diese greifbaren Orte, an denen der Mensch des Übergangs vom Leben in den Tod gedenken kann, bilden gerade in der globalisierten Welt einen beständigen Rückzugsort, an dem die Trauer um die Verstorbenen einen natürlichen Ausdruck finden kann.


Die Natur als letzte Ruhestätte. Immer mehr Schweizer entscheiden sich gegen die Beisetzung auf einem traditionellen Friedhof. (Bild : images72 / Shutterstock.com)
Die Natur als letzte Ruhestätte. Immer mehr Schweizer entscheiden sich gegen die Beisetzung auf einem traditionellen Friedhof. (Bild : images72 / Shutterstock.com)


Nachfrage nach Gemeinschaftsgräbern steigt

Aber nicht nur die Beerdigungspraktiken haben sich in den letzten Jahren verändert, sondern auch die Art, auf welche die Menschen dem Tod begegnen. So berichten viele Pfarrer, dass sie immer häufiger Abdankungen an Gemeinschaftsgräbern halten, da viele Verstorbene ihren Angehörigen die hohen Kosten für den Grabunterhalt und die Grabpflege ersparen möchten. Einige entscheiden sich aber auch aus religiösen Gründen für diese Art der Bestattung, um Teil eines grossen und zusammenhängenden Ganzen zu werden.

Ein Friedhof kann überall sein

Auch wenn die modernen Beerdigungsrituale auf den ersten Blick weniger religiös erscheinen mögen, so zeigt sich bei genauerem Hinsehen, dass sich nur die direkte Anbindung an die Kirche in den letzten Jahren gelockert hat. Denn auch wenn ein Mensch nicht auf dem Friedhof begraben wird, so schafft die Beisetzung einen Ort, der in seiner Qualität der eines Friedhofs entspricht. Einen Ort, an dem sich die Hinterbliebenen mit ihrer Trauer um den geliebten Menschen auseinandersetzen können. Dieses existenzielle Bedürfnis lässt sich daher auch ausserhalb von Friedhofsmauern an einem persönlichen Naturgrab befriedigen.

 

Oberstes Bild: © Wrangler – Shutterstock.com

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