Wirtschaftlicher Erfolg und Ethik – ein Gegensatz?
von Agentur belmedia
Unter ungünstigen Umständen kann sich hier eine neue Quadratur des Kreises entwickeln, welche ethische Grundsätze hinter den Erfolg zurücktreten lässt. Daraufhin schwindet dann das Vertrauen der Bevölkerung in die Wahrhaftigkeit und Ehrlichkeit der Wirtschaft, Fairness scheint nur noch als Schlagwort genutzt zu werden, und schlussendlich gerät das gesellschaftliche Wertesystem in Gefahr. Wie Erfolg und Ethik widerstreitende Interessen bedienen, wird in diesem Beitrag beschrieben.
Die Bedeutung gesellschaftlicher Werte
Das gesellschaftliche Wertesystem wird unter dem Begriff der Ethik zusammengefasst. Einzelregelungen und unterschiedliche Werteauffassungen werden gebündelt als Ethik abgebildet. Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, Fairness im Umgang miteinander, Wahrhaftigkeit und Ehrlichkeit sind solche Werte und Grundregeln unserer Gesellschaft. Geschlechtergleichheit, Pluralismus und weitere Diskriminierungsverbote oder Gleichbehandlungsgrundsätze ergänzen den vorhandenen Wertekatalog. Auf der Grundlage ethischer Werte beruht das Zusammenleben in der Gesellschaft. Wirtschaftliche Betätigungen schliessen ein solches Wertesystem nicht aus, sondern im Gegenteil geradezu ein. Dabei kann man jedoch beobachten, dass ethische Grundsätze besonders im Rahmen der Gewinnoptimierung oftmals über Bord geworfen werden.
Weitrechende Verstösse
In nahezu jedem Bereich kann man Verstösse gegen ethische Grundregeln beobachten. Frauen verdienen noch immer weniger als Männer, gescheiterte Vorstände kassieren Millionen Abfindungen, Rohstoffe werden ohne Rücksicht auf die Umwelt abgebaut, mit Kundengeldern wird riskant spekuliert und die Produktion wird gewinnoptimiert in Billiglohnländer ausgelagert. All dies sind Verstösse gegen unsere ethischen Grundwerte. Allerdings sind solche Verstösse nicht immer auf den höchsten Ebenen der Wirtschaft angesiedelt. Auch im kleineren Rahmen lassen sich täglich Ethikverstösse mit mehr oder minder markanten Auswirkungen beobachten.
Diebstahl von Betriebseigentum, kleinere Veruntreuungen, Nutzung der Arbeitszeit für private Zwecke, Verstösse gegen die Arbeitszeit- und Urlaubsregelungen, Korruption im kleinen Rahmen und viele andere kleinere Verstösse prägen den Alltag in Organisationen und Betrieben.
Durch die Orientierung auf wirtschaftlichen Erfolg wird unser Wertesystem so immer wieder untergraben und macht sogar verschiedene Berufsbilder unattraktiv. Ein Grossteil der Schweizer Jugendlichen geht laut einer Studie beispielsweise mittlerweile lieber zum Zahnarzt als zum Banker. In vielen Bereichen ist ein Vertrauensverlust entstanden, der auf unethisches Handeln in einzelnen Branchen und in der Wirtschaft allgemein zurückzuführen ist.
Kommerz oder Ethik?
Ein Wahlverhalten scheint zu entstehen, in dessen Rahmen die Manager eine Entscheidung treffen zwischen Ethik und Kommerz. Auch wenn dies zunächst unlogisch erscheint, entspricht es aber den tatsächlichen Gegebenheiten in Gesellschaft und Wirtschaft. In der wirtschaftlichen Auseinandersetzung werden Zugunsten der Gewinnoptimierung gern so manche ethische Grundsätze bedenkenlos über Bord geworfen. Auch einfache Arbeitnehmer machen hier – oft notgedrungen – mit. Lieber einen schlechter bezahlten Arbeitsplatz als gar keinen, sagt sich so mancher Bewerber mit ausländischen Wurzeln.
So werden Lohngefüge immer weiter untergraben, Erfahrung und Qualifizierung geraten ins Hintertreffen und in der Betrachtung von Gewinn und Aufwand siegt zunehmend der Gewinn, gern auch entgegen grundlegender ethischer Regeln unserer Gesellschaft, wie beispielsweise der Lohngerechtigkeit. Die Frage der Gewichtung zwischen wirtschaftlichem Erfolg und Ethik bleibt spannend. Ein ausgewogenes Verhältnis oder gar die grundsätzliche Einhaltung ethischer Regeln wird dabei zunehmend unwahrscheinlicher. So schreiben zwar viele Unternehmen ethische Regeln in ihr Leitbild, zeigen aber in Wirklichkeit kaum wahrhaftige Bemühungen, diese Grundregeln auch einzuhalten.
Warum beispielsweise sollten kleine Angestellte bei wirtschaftlichem Fehlverhalten das Unternehmen ohne Abfindung und strafbewehrt verlassen, während sich ohnehin schon hochdotierte Unternehmensvorstände ihre Fehlentscheidungen mit Abfindungen in Millionenhöhe vergolden lassen? Dies ist eine Frage, die sich immer wieder stellt, die aber eigentlich nur die Spitze des Eisbergs beleuchtet. An Entscheider und Führungskräfte werden grossartige Erfolgsboni verteilt, der Erfolg an sich wird aber meist in der untersten Hierarchie erarbeitet. Dort bleibt von den Boni nichts hängen und ein oft fragliches Lohnmodell sorgt für mehr Unzufriedenheit, wenn nicht gar Ungerechtigkeit.
Für ethische Ausrutscher werden natürlich verschiedene Begründungen genannt. Diese sind teils glaubwürdig, teils auch völlig unverständlich. Fakt ist aber: Wirtschaftlicher Erfolg wird zunehmend gegen das gesellschaftliche Werte- und Normensystem und gegen ethische Grundsätze generiert. Daran ändern auch Begründungen oder Entschuldigungen nichts.
Wenn in der Wirtschaft gegen gesellschaftliche Werte und ethische Grundregeln verstossen wird, wird das mit der Begründung der Konkurrenzfähigkeit oft hingenommen. Sobald sich die Ethik aber gegen den Kommerz stellt, fällt das Urteil meist anders aus. Dann wird vermittelt, dass den wirtschaftlichen Interessen der Nation keine ethischen Grundsätze entgegenstehen dürften. Es geht dabei aber selten um wirtschaftliche Interessen der Nation, sondern vielmehr um wirtschaftliche Interessen einzelner Unternehmen oder Unternehmensverbände.
Eine ausgewogene Gewichtung herzustellen ist unter Betrachtung der aktuellen weltwirtschaftlichen Entwicklungen als unmöglich einzuschätzen. Wenn unsere ethischen Werte nicht dem Kommerz geopfert werden sollen, wird es allerdings höchste Zeit zum Umdenken. Und hier sind die Grossen in der Wirtschaft genauso gefragt, wie die Entscheider in den unteren Ebenen der Hierarchie. Auch wenn dies eventuell so manche kometenhafte Karriere ins Stocken bringen könnte.
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