Klimawandel und archäologische Funde aus dem Eis – Informationen für Wanderer und Bergsportler
Der Juli 2015 geht mit Hitzerekorden in die Geschichte ein. Die extremen Temperaturen haben Auswirkungen auf Gletscher und Schneefelder. Ich war selbst Anfang Juni auf einer Wanderung auf dem Gotthardpass, wo wir auch ein paar kleine Schneefelder zu überqueren hatten.
Als Kollegen 10 Tage später die gleiche Tour wanderten, war der Schnee verschwunden. Im Moment ist es zwar kühler, aber schon für nächste Woche sind wieder Temperaturen über 30 Grad angesagt.
Sicher erinnern Sie sich an den Hitzesommer 2003, dieser hatte nicht nur vorübergehende Auswirkungen auf die Natur, er hat auch langfristig seine Spuren hinterlassen: Überall in den Bergen schmolzen kleine Eisfelder dahin. Was dabei an manchen Stellen zum Vorschein kam, liess die Herzen der Archäologen höher schlagen. Wanderer und Bergsportler müssen informiert sein, wie sie sich korrekt verhalten, sollten sie auf einen solchen Fund stossen. Darauf gehe im letzten Abschnitt dieses Artikels näher ein.
Fundstücke aus dem Eis geben Informationen zum Klimawandel
Natürlich wurden schon vor 2003 immer wieder teils sensationelle Funde gemacht. Man muss dazu wissen, dass die Klimaerwärmung oder -veränderung, wie wir sie derzeit erleben, im Grunde genommen etwas ganz Natürliches ist und sich schon seit Urzeiten immer wieder ereignet. Darauf lassen auch die verschiedenen Funde schliessen. Diese Gegenstände ermöglichen es, die kulturgeschichtlichen Entwicklungen im Alpenraum zu beurteilen. Wie ist das möglich?
Vom 3. Jahrtausend v. Chr. bis etwa 1750 v. Chr. lagen die Temperaturen in den Alpen wahrscheinlich um bis zu 2 Grad höher als heute. Aus den archäologischen Funden lässt sich schliessen, dass die Gletscher damals so weit zurückgegangen waren, dass die Pässe überquert werden konnten. Aus dieser Zeit wurden neben Überresten von Kleidungsstücken auch Ausrüstungsgegenstände gefunden. Dass es in der Frühbronzezeit bereits einen direkten Weg vom Wallis ins Berner Oberland gegeben haben muss, wurde schon aufgrund von Gräbern aus jener Epoche geschlussfolgert. Diese hatte man sowohl in der Region um den Thunersee wie auch im Rhonetal entdeckt.
Etwa ab 850 v. Chr. kühlte das Klima so weit ab, dass die Gletscher wuchsen und die Verbindungswege offensichtlich abschnitten. Das änderte sich erst wieder um 150 v. Chr., als eine erneute Klimaerwärmung stattgefunden haben muss. Aufgrund diverser Funde aus dieser Zeit kamen Archäologen zu dem Schluss, dass die wärmere Periode ca. von 150 v. Chr. bis 400 n. Chr. angedauert hat. Aus jener Zeit konnten neben einem Gürtel und einer römischen Fibel auch Schuhnägel gefunden werden, die man den römischen Truppen zuordnete.
In der Folge kühlte es noch einmal ab, bis sich die Erde in der Zeit des Mittelalters wiederum erwärmte. In den Berner Alpen, am Schnidejoch, konnte unter anderen bedeutenden Objekten ein Stück eines mittelalterlichen Schuhs sichergestellt werden. Später, nämlich ab dem 16. Jahrhundert, machte die „Kleine Eiszeit“ die Pässe erneut unpassierbar. Bis 1850 bedeckte der Gletscher das Schnidejoch. Heute wandern wir hier „eisfrei“.
Nicht alle Funde sind Zufallsfunde
Vor wenigen Wochen machten die Funde am Morgarten Schlagzeilen. Um Beweise dafür zu liefern, dass die berühmte Schlacht am Morgarten tatsächlich stattgefunden hat, wurden zu deren 700. Jahrestag Ausgrabungen vorgenommen. Mit Erfolg! Diverse Objekte kamen ans Licht, die durchaus in die Zeit um 1315 datiert werden können. Dazu gehörten neben Silbermünzen auch Pfeilspitzen und Dolche. Für Archäologen ist eine solche Entdeckung natürlich ein Highlight. Wie muss es erst Wanderern ergehen, wenn sie auf einer Bergtour zufällig auf Hunderte, wenn nicht gar Tausende Jahre alte Funde stossen?
Die oben genannten Entdeckungen am Schnidejoch verdanken wir einem Paar aus Thun, welches dort am Rande eines Eisfeldes auf 2756 m unterwegs war. Sie fanden einen Gegenstand aus Baumrinde, den sie dem Archäologischen Dienst abgaben. Dieses Objekt konnte mithilfe der Radiokarbonmethode auf ein Alter von fast 5000 Jahren festgelegt werden. Daraufhin wurde das Gebiet fachmännisch abgesucht. 2003 konnte hier im Wildhornmassiv unter anderem eine beinahe komplette Jägerausrüstung gefunden werden, die das gleiche Alter aufweist.
Im Eis konserviert, werden weitere einzigartige Funde erwartet
Immer wieder werden in den Alpen spontane Entdeckungen gemacht. Nicht nur Gegenstände, sondern auch menschliche Überreste gibt das Eis frei. So wurde auf dem Porchabella-Gletscher in Graubünden eine weibliche Leiche entdeckt. Aufgrund der bei ihr gefundenen Gegenstände, zu denen ein Löffel und ein Kamm gehören, kann man davon ausgehen, dass sie im 17. Jahrhundert lebte.
Tragisch ist die Tatsache, dass, was dermassen lange vom Eis konserviert war, nach der Schmelze extrem schnell zerfällt oder von Wildtieren vernichtet wird. Wanderer, Bergsteiger und Kletterer werden deshalb mit dem Projekt „kAltes Eis“ angesprochen, archäologische Fachleute zu unterstützen. Es dauert von Oktober 2013 bis Juli 2016. Zu den Projektpartnern gehören unter anderem der Archäologische Dienst Graubünden, das Bündner Naturmuseum, die Universität Zürich, das Denkmalamt Südtirol und die University of Bergen.
Was Sie unbedingt beachten müssen!
Ich wandere leidenschaftlich gerne und im Sommer bevorzugt im Gebirge. Natürlich würde ich mir wünschen, selbst einen solchen Fund zu machen. Während der Recherche für diesen Text wurde mir aber erst richtig bewusst, wie viel man als Laie falsch machen kann. Deshalb habe ich abschliessend zusammengetragen, was bei einem Fund zu tun ist. Es ist wünschenswert, dass alle Bergfreunde darüber unterrichtet werden. Auch Sie können dazu beitragen, indem Sie diesen Artikel teilen oder Ihre Freunde informieren!
- Manch unscheinbares Teil entpuppt sich als archäologischer Fund. Konserviert im Eis, kann dem Objekt oft das Alter nicht angesehen werden. Jedoch zerfallen Stoff und Leder rasch, wenn sie nach Hunderten oder Tausenden Jahren plötzlich freiliegen.
- Lasst wenn immer möglich den Fund unverändert liegen, fotografiert und/oder skizziert ihn so umfangreich wie nur möglich.
- Markiert den Fundort oder beschreibt die Lage so gut, dass er schnell wiedergefunden werden kann.
- Versucht auf gar keinen Fall, den Gegenstand aus dem Eis zu befreien! Das ist die Aufgabe der Archäologen.
- Informiert unverzüglich das Amt für Denkmalpflege und Archäologie des jeweiligen Kantons.
Bestimmt werden wir in nächster Zeit immer wieder von interessanten Entdeckungen lesen. Die junge Frau aus dem Bündner Eis wurde übrigens nach dem Gletscher „Porchabella“ genannt. Gegenstände, die zusammen mit ihr gefunden wurden, werden 2015 als Repliken auf der Chamonna Tuoi in Guarda und der Silvrettahütte in Klosters ausgestellt.
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