Wucher-Parkbussen und Blitzer-Terror: die Abzocke geht weiter

Die Bussen-Abzocke ist schon lange ein Thema in der Schweiz, Parkbussen und Blitzer-Terror haben ein teilweise beängstigendes Niveau erreicht.

Ein Blick auf die Fakten und hinter die Kulissen zeigt, dass finanzielle Interessen dem Prinzip von Recht und Ordnung längst den Rang abgelaufen haben. Politiker-Äusserungen zu dem Thema wirken so abgedroschen, dass sie die vorherrschende Meinung in der Bevölkerung nur bestätigen.

Blitzer-Einnahmen so hoch wie ein Kantonsetat

Kommen wir zunächst zu den Radar-Räubern. Diese haben nach inoffiziellen Angaben im vergangenen Jahr 650 Millionen Franken eingenommen – so viel wie der gesamte Haushalt des Kantons Schaffhausen! Für 2015 wurden „nur“ 250 Millionen budgetiert – man darf gespannt sein, wie die tatsächliche Zahl nachher aussieht.

Doch allein die Tatsache, dass diese Einnahmen budgetiert werden, zeigt ihren wahren Hauptzweck: Aufbesserung des Staatshaushalts. Der Bundesrat versucht zwar, dem offenen Geheimnis etwas an Schärfe zu nehmen, wenn er sagt: „Die Steuerzahler profitieren bereits heute indirekt davon, denn im Umfang der eingenommenen Verkehrsbussen können die Kantone Leistungen erbringen oder auf Steuereinnahmen verzichten“. Doch im Grunde bestätigt er damit nur, dass die Bussen in Wahrheit eine versteckte Steuer sind. Der Zweck der Bussen sollte nämlich einzig und allein die Abschreckung sein – im Budget dürften sie gar nicht auftauchen. Ja, die Kantone KÖNNEN dadurch auf Steuereinnahmen verzichten. Aber tun sie es auch? Wer sollte das nachvollziehen können?

In den letzten Jahren sind die Verkehrsbussen-Einnahmen massiv gestiegen. Seit 2013 haben 18 Kantone ihre Sätze erhöht, gerade einmal vier haben sie gesenkt. Im Kanton St. Gallen sind die Erträge geradezu explodiert, zwischen Sommer 2013 und Sommer 2014 stiegen sie um sage und schreibe 60 %. Im Kanton Zürich gleicht die Blitzer-Situation sowieso schon lange einem Überwachungs-Szenario wie aus „1984“. Übrigens ist das Wort „Ertrag“ für die Bussen nicht unsere Erfindung, es wird von offizieller Seite so verwendet (z. B. von der Zuger Sicherheitsdirektion). Ein weiteres Indiz für den Steuercharakter der Bussen.


Diese Statistik zeigt die Anzahl der Geschwindigkeitsübertretungen von Fahrzeugen im Straßenverkehr in der Schweiz nach Kontrollort von 2010 bis 2014. (Bild: © Statista – Bundesamt für Statistik )

Verkehrssicherheit? Nicht durch Schikanen!

Nun mag mancher gewissenhafte Leser einwenden: Ihr spinnt ja, wie soll man denn sonst Verkehrssicherheit herstellen? Nun ja, sicher nicht dadurch, dass man den Menschen das Gefühl gibt, Gesetzesbruch sei für den Staat lohnenswerter als Gesetzestreue. Denn wenn viel mehr Menschen plötzlich immer und überall die Verkehrsregeln penibel einhielten, fiele den Kantonen ja eine erkleckliche Summe weg – 650 Millionen Franken, um genau zu sein.


Im Kanton Zürich gleicht die Blitzer-Situation sowieso schon lange einem Überwachungs-Szenario. (Bild: © Mark William Richardson – shutterstock.com)

Ja, natürlich ist zu schnelles Fahren ein Regelbruch, kann sehr gefährlich sein und muss deswegen geahndet werden. Was aber bitteschön soll ein Blitzer direkt vor einem 50-aufgehoben-Schild, wenn danach eine 80er-Zone kommt? Man kann es eben so auf die Spitze treiben, dass der eigentliche Sinn verloren geht. Zwar sind seit 2003 die Verkehrstoten in der Schweiz um die Hälfte gesunken – welche Rolle dabei genau die vermehrten Blitzerkontrollen spielen, bleibt Spekulation. Ausserdem mag es sein, dass verschärfte Kontrollen bis zu einem gewissen Grad hilfreich waren, seit einiger Zeit aber eine ungesunde Eigendynamik entwickeln?

Abgedroschene Politiker-Phrasen

Interessant ist, dass Hans-Jürg Käser, Präsident der Polizeidirektoren-Konferenz der Kantone und damit oberster Polizist der Schweiz, sich bezüglich der Blitzerfrage jüngst in  Widersprüche verwickelte. Noch im August 2014 warnte er vor zweckentfremdeten Bussen und sah es als problematisch an, dass diese Einnahmen zur Aufbesserung der Staatskasse missbraucht würden. Vier Monate später waren ihm solche Anwandlungen scheinbar fern: Ganz systemtreu trompetete er im Blick.ch-Interview das Marschlied des starken Staats für Zucht und Ordnung. O-Ton Käser: „Jeder Automobilist hat es in der Hand, sein persönliches Bussenrisiko zu minimieren, indem er sich schlicht und einfach an die Verkehrsregeln hält.“

Schon aus 2012 stammen die Äusserungen  von Dieter Egli, Grossrat im Aargau. Sie sind aber repräsentativ für die dumpfe Diktion derjenigen, deren Kantonalkassen von den Bussen am meisten profitieren: „Die Gesellschaft braucht halt Regeln. Und zu schnell ist zu schnell, nicht nur vor dem Kindergarten, sondern auch auf einem übersichtlichen Autobahnzubringer…“ Natürlich braucht eine Gesellschaft Regeln, Herr Grossrat! Wer hätte das nicht begriffen? Der Punkt ist doch, dass pauschalisierte Regeln ohne Beachtung des eigentlichen Sinns schnell zu Willkür und Machtmissbrauch führen.



Parkbussen – die privaten Raubritter schlagen zu

Eine zweite hitzig umkämpfte Arena sind die Parkbussen. Auch hier hören wir von teils astronomischen Gebühren für einen halben Meter Zonenüberschreitung. 930 Franken musste Jarbas Schlub zahlen, weil selbst der Smart nicht kurz genug für die Parklücke war. Die Antwort des stellvertretenden Stadtrichters Reto Steimer: „Ich kann nachvollziehen, dass die Betroffenen das unverhältnismässig finden. Die Leute führen an, dass man ja niemanden gefährden würde. Bei einer Gefährdung könnte es aber sogar noch teurer werden.“ Aha. Immerhin gab er, dass tatsächlich keine Gefährdung vorlag.

Aber wer jetzt meint, die Obrigkeit sei der einzige Raubritter auf den Strassen der Schweiz, der irrt. Längst haben private Firmen wie die Funkwache AG Parkbussen als Geschäftsmodell entdeckt. Da kann es schon mal passieren, dass man für die Benutzung eines Besucherparkplatzes 50 Franken bezahlen muss. Natürlich nicht auf Betreiben der besuchten Firma, sondern der Funkwache AG. Und wenn Sie tatsächlich einmal falsch geparkt haben, kommen die Handlanger wie Hyanen beim Aas herausgesprungen und büssen Sie schneller, als Sie „Parkbusse“ sagen können.


Es kann schon mal passieren, dass man für die Benutzung eines Besucherparkplatzes 50 Franken bezahlen muss. (Bild: © Syda Productions – shutterstock.com)

Wer die beauftragt? Die Hausbesitzer bzw. –verwaltungen. Deswegen haben die eingemieteten Firmen auch keine Handhabe und sind selbst oft Geschädigte. Profitieren tut letztlich nur die Funkwache, die ihren Job kostenlos macht (also zum Nulltarif für die Immobilieneigner) und nur an den Bussen verdient. Gecheckt, worauf die aus sind?

Um es abschliessend noch einmal ganz klar zu sagen: Gesetze und Verordnungen sind notwendig und ja, oft muss man sich bei einer Busse an die eigene Nase fassen. Doch wo Regeln zur Spielwiese für staatliche Budgetspielchen oder privatwirtschaftlichen Gewinn, zeigt die Bürokratie Zeichen eines gefährlichen Siechtums.

 

Oberstes Bild: © Sanchai Khudpin – shutterstock.com

MEHR LESEN