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Neue Methode zur Kartierung eines Gletschers entwickelt

13.10.2015 |  Von  |  News

Ein Team unter der Leitung von Frédéric Herman von der Universität Lausanne hat mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds (SNF) den Franz-Josef-Gletscher in Neuseeland kartiert.

Die Forschenden haben dafür eine neue Technik entwickelt, um die Beziehungen zwischen Klimaerwärmung, Gletscherbewegungen und Erosion der unter der Eismasse liegenden Felsen genauer zu erforschen.

„Es handelt sich um einen alpinen Gletscher von über 10 Kilometern Länge, der denen in der Schweiz ziemlich ähnlich ist“, erläutert Frédéric Herman. „Wir haben diesen Gletscher ausgewählt, weil er sich auf einer tektonischen Verwerfung mit unterschiedlichen geologischen Schichten befindet, die Grafit enthalten. Der Grafit gibt uns Aufschluss über die Erosion.“

Geschichte des Felsens wird aufgeschlüsselt

Für ihre Arbeit haben die Forschenden zwei Techniken miteinander kombiniert. Mit stereoskopischen Satellitenbildern konnten sie einerseits die Bewegungsgeschwindigkeit der Gletscheroberfläche einschätzen und die Geschwindigkeit extrapolieren, mit der die untere Schicht über den Felssockel kriecht – zwischen 30 und 300 Meter pro Jahr.


Es handelt sich um einen alpinen Gletscher von über 10 Kilometern Länge, der denen in der Schweiz ziemlich ähnlich ist. (Bild: © Mikadun - shutterstock.com)

Es handelt sich um einen alpinen Gletscher von über 10 Kilometern Länge, der denen in der Schweiz ziemlich ähnlich ist. (Bild: © Mikadun – shutterstock.com)


Andererseits wollten sie die Intensität der Erosion unter dem Gletscher quantifizieren, also das Ausmass, in dem der Gletscher durch sein Vorrücken den darunterliegenden Fels erodiert.

Wie Frédéric Herman erklärt, sind die Forschenden dabei indirekt vorgegangen: „Wir haben die kristalline Struktur des Grafits (fossiler Kohlenstoff organischen Ursprungs) im Gesteinsmehl untersucht, das unterhalb des Gletschers entnommen wurde. Damit sind wir ziemlich genau über die bei der Bildung des Grafits herrschenden Bedingungen informiert, insbesondere über die Temperatur, die zwischen 300 und 700 Grad liegt. Wenn wir diese mit den Proben vergleichen, die wir rund um den Gletscher gesammelt haben, können wir feststellen, woher das Gesteinsmehl stammt. Da die Mehlmenge direkt mit dem Grad der Erosion zusammenhängt, ist es dann möglich, eine Karte zu zeichnen, die die Erosionsstärke unter dem Eis zeigt.“

Zur Ausführung ihrer Kristallstrukturanalyse setzten die Forschenden die Raman-Spektroskopie ein.

„Bisher haben Geologen mit der Isotopenanalyse gearbeitet. Hierfür waren sehr schwere Ausrüstungen erforderlich“, erklärt der Forscher weiter. „Allein für die Untersuchung von rund 40 Stellen waren Jahre nötig. Mit unserer Technik konnte Masterstudent Mattia Brughelli in zwei Wochen 4000 Proben analysieren und so eine sehr genaue Gletscherkarte mit einer Raumauflösung von einem Meter erstellen.“


Zur Ausführung der Kristallstrukturanalyse setzten die Forschenden die Raman-Spektroskopie ein. (Bild: © Forance - shutterstock.com)

Zur Ausführung der Kristallstrukturanalyse setzten die Forschenden die Raman-Spektroskopie ein. (Bild: © Forance – shutterstock.com)


Messungen bestätigen Theorie

Diese Messungen bestätigen ein 1979 vorgestelltes theoretisches Modell, das vorhersagt, dass die Erosion nicht einfach proportional zur Kriechgeschwindigkeit des Gletschers ist, sondern von der Quadratzahl der Geschwindigkeit abhängt.

„Wir beobachten bereits seit mehreren Jahrzehnten, dass sich die Kriechgeschwindigkeit der Gletscher beschleunigt“, hält Frédéric Herman fest. „Gemäss unserem Modell wird sich die Erosion nicht linear zur Klimaerwärmung verstärken.“

Das bedeutet mehr Sedimente in alpinen Flüssen, wodurch das Risiko von Murgängen steigt. „Die Erkenntnisse unserer Arbeit machen deutlich, dass die natürlichen Systeme sehr sensibel auf Umweltveränderungen reagieren können – sogar Berge.“



Die Studie wurde in Zusammenarbeit mit dem Muséum national d’histoire naturelle (France) (Frankreich), der California Institute of Technology (Vereinigte Staaten) und dem Institute of Geological and Nuclear Survey Science (Neuseeland) durchgeführt.

Die Ergebnisse sind im Magazin Science erschienen:

10. Herman et al. (2015). Erosion by an Alpine glacier, Science, vol. 350, 6257, doi/10.1126/science.aab2386

 

Artikel von: Schweizerischer Nationalfonds / Fonds national suisse
Artikelbild: © EastVillage Images – shutterstock.com