Name des Germanwings-Copiloten durfte genannt werden
von Philipp Ochsner
Am 24. März 2015 zerschellte ein Flugzeug der Germanwings in den französischen Alpen. Das Interesse am Absturz und am Co-Piloten, der 149 Menschen mit sich in den Tod gerissen hatte, war enorm. Eine Leserin beschwerte sich beim Schweizer Presserat, weil Medien den Namen des Co-Piloten nannten. Der Presserat weist die Beschwerde ab.
Die Tat sei in ihrem Ausmass und ihrer Einzigartigkeit von überwiegendem öffentlichem Interesse, urteilt der Schweizer Presserat. Der Täter habe sich zu einer öffentlichen Person gemacht. In diesem Fall sei das Recht der Öffentlichkeit auf Information stärker als der Schutz der Privatsphäre des Täters. Der Presserat weist deshalb eine Beschwerde ab, die sich gegen einen Artikel im „Tages-Anzeiger“ und einen in der „NZZ am Sonntag“ richtete.
Für den Presserat kann es bei einer aussergewöhnlich schweren Straftat gerechtfertigt sein, den Namen des Täters zu nennen. Die Redaktionen haben aber in jedem einzelnen Fall genau abzuwägen, ob die Namensnennung medienethisch zulässig ist. Dabei sollen sie auch die Privatsphäre der Angehörigen des Täters berücksichtigen. Selbst wenn andere Medien den Namen verbreiten oder sogar die Untersuchungsbehörden den Namen nennen, ist das kein Freibrief, dass alle Medien den Namen unbesehen publizieren dürfen.
Unschuldsvermutung wurde nicht verletzt
Die Beschwerde beanstandete zusätzlich, „Tages-Anzeiger“ und „NZZ am Sonntag“ hätten im Fall des Germanwings-Absturzes die Unschuldsvermutung verletzt. Der Presserat weist auch das ab. Beide Artikel erschienen wenige Tage nach dem Absturz. Beide relativieren schon in den ersten Zeilen die Täterschaft.
So heisst es in der „NZZ am Sonntag“, der Co-Pilot habe das Flugzeug «wahrscheinlich absichtlich» zum Absturz gebracht. Und der «Tages-Anzeiger» zitiert den Staatsanwalt, der die Vermutung äussert, der Co-Pilot habe mit Absicht gehandelt. Für Leserinnen und Leser ist in beiden Berichten rasch klar, dass die Ermittlungen nicht abgeschlossen sind. Damit haben beide Zeitungen die Unschuldsvermutung nicht verletzt.
Artikel von: Schweizer Presserat
Artikelbild: © Rebius – shutterstock.com