Uni Bern – Warum gibt es so wenig Luchse im Wallis?
Der Luchs gehört zu den seltenen Tierarten in Schweizer Wäldern und ist latent in seinem Bestand gefährdet. Eine Erhebung der Universität Bern ergab nun einen aussergewöhnlich niedrigen Luchsbestand im Kanton Wallis während der vergangenen fünf Winter.
Dies gilt sowohl im Vergleich mit anderen Alpenregionen als auch mit früheren Erhebungen aus den 1980er Jahren. Weitere Untersuchungen sollen nun den Ursachen nachspüren. Vermutet wird vor allem Wilderei.
Seit ein paar Jahrzehnten besiedeln Grossraubtiere wieder den Schweizer Alpenraum, nachdem sie dort zuvor durch menschliche Verfolgung ausgerottet worden waren. Diese Rückkehr blieb nicht ohne Folgen. Nicht zuletzt wegen der Bedrohung, die Luchs und Wolf für Nutztiere wie Schafe darstellen können, besteht ein gespaltenes Verhältnis zu diesen Grossraubtieren. Der erste Rückkehrer war der Luchs in den 1970er Jahren.
Systematisch dem Luchs auf der Spur
Die Rückkehr von Wolf und Luchs im Laufe des letzten Jahrhunderts wurde in erster Linie durch die stete Zunahme ihrer natürlichen Beutetiere – der wilden Huftiere also – möglich. Heute wird oftmals vergessen, dass die Bestände von Gämse und Reh in der Schweiz vor rund hundert Jahren auf sehr kleine Restpopulationen geschrumpft waren, Steinbock und Rothirsch waren sogar ganz verschwunden.
Erst in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts veränderte sich diese Situation nachhaltig aufgrund zielgerichteter Initiativen von Jägerschaft und Naturschutz. Mit den deutlich gestiegenen Wildbeständen wurden die Alpen wieder interessant als Lebensraum für Grossraubtiere. Um den Einfluss der Grossraubtiere auf ihre natürlichen Beutetiere besser zu verstehen, initiierte die Universität Bern im Jahr 2012 ein umfangreiches Forschungsprojekt in den Walliser Alpen.
Unterstützt wurde dieses Vorhaben insbesondere durch das Bundesamt für Umwelt (BAFU). Die Datenerhebung erfolgte anhand systematischer Spurentaxationen der Wildtiere im Schnee im Winterhalbjahr (November bis März), entlang von 218 Transekten von jeweils 1 km Länge und über den gesamten Kanton Wallis verteilt. Parallel dazu wurden im gleichen Gebiet etwa 100 Fotofallen aufgestellt, welche zusätzliche Beobachtungen liefern sollten.
Überraschend wenig Luchse trotz günstiger Bedingungen
Bei der Auswertung des Datenmaterials aus den vergangen fünf Wintern ergab sich ein überraschender Befund: Luchs-Beobachtungen waren im Zielgebiet ausserordentlich selten. Die von den Forschern der Universität Bern ermittelten mittleren Bestandsdichten beliefen sich im gesamten Kanton auf lediglich 0.32 Luchse pro 100 km2 potenziell besiedelbarem Lebensraum. Dies ist deutlich weniger als in vergleichbaren Regionen der Schweizer Alpen (1.4 bis 2 Luchse/100 km2) oder des Juras (bis zu 3.6 Luchse/100 km2).
Während des gesamten Untersuchungszeitraums konnten lediglich 15 verschiedene Individuen festgestellt werden. Der Grossteil davon wurde im Nordwesten des Kantons beobachtet, in der Nähe der vitalen Luchsbestände des westlichen Voralpengebietes (Kantone Waadt und Freiburg). Südlich der Rhone, besonders im südlich des Genfersees gelegenen Chablais, ebenso im Eringer-, Eifisch- und Turtmanntal sowie im Goms, ist der Luchs hingegen eine sehr seltene Erscheinung.
58 Prozent des Walliser Territoriums darf als potenziell günstiger Lebensraum für Luchse angesehen werden. Rechnet man die Werte aus den übrigen Schweizer Alpenregionen für das Wallis hoch, so wäre eine Population zwischen 35 und 53 Luchsen zu erwarten.
Wilderei als Ursache?
Im nächsten Schritt wollen die Forscher herausfinden, weshalb die Luchsdichte im Wallis nicht höher ist: Ist das Monitoring-Design mit Fotofallen nicht effizient genug für eine korrekte Bestandsermittlung? Oder bewegen sich die Beutetierbestände (Rehe und Gämsen) im Wallis auf einem deutlich tieferen Niveau als im übrigen Alpenraum? Welche Rolle spielt schliesslich die Wilderei, von der manche Schlagzeile in den lokalen Medien berichtet, als Erklärung für die anhaltend tiefen Luchszahlen im Kanton Wallis?
Quelle: Universität Bern
Artikelbilder: © Universität Bern